Gesellschaft | Polemik

Provoziert er Südtirol?

Alpini-Kommandant Claudio Berto steht im Kreuzfeuer der Kritik. Weil mit der Annexion Südtirols für ihn angeblich ein “schönes Ziel” erreicht worden sei.
Claudio Berto
Foto: Truppe Alpine

Ist Claudio Berto am Sonntag nach Bozen gekommen, um die Südtiroler zu provozieren, zu verhöhnen, um den Beweis zu erbringen, dass Vertreter staatlicher Behörden “Südtirol immer noch als Kriegsbeute sehen”? Für Sven Knoll und Elmar Thaler steht fest: Das und nichts anderes hat der Kommandant der Alpini, Claudio Berto am 4. November auf dem Waltherplatz gemacht. Dort wurde anlässlich des Tags der Nationalen Einheit und der Streitkräfte am Sonntag den Gefallenen und Opfern des Ersten Weltkrieges gedacht. Am Rande der Veranstaltung wird Berto von Journalisten interviewt. Der 4. November stehe im Zeichen “des Friedens und der Versöhnung”, meint der Alpini-Kommandant zu RAI Alto Adige. Und ganz besonders heuer, hundert Jahre nach Ende des Ersten Weltkriegs. Nicht zurück, sondern in die Zukunft gelte es zu schauen, mahnt Berto: “Dovremmo pensare alla pace e alla stabilità del nostro Paese e di tutta l’Europa” – das sei die wichtige Botschaft an diesem 4. November, meint der Alpini-Kommandant.

Auch andere italienischsprachige Medien berichten von den Feierlichkeiten am Waltherplatz und der Kranzniederlegung am Militärfriedhof von St. Jakob – dort waren auch Landeshauptmannstellvertreter Richard Theiner sowie eine Abordnung der Schützen anwesend – als Zeichen gegen Hass und Krieg und für ein gemeinsames Gedenken an die Gefallenen an allen Fronten. Auch, weil Claudio Berto in seiner offiziellen Ansprache am Waltherplatz das erlittene Opfer auf allen Seiten besonders betont – Opfer, aus dem ein “demokratisches und tolerantes Europa” geboren wurde.

Eine ganz andere Botschaft strahlt RAI Südtirol am Sonntag Abend ins Land. Wenig Versöhnliches, sondern vielmehr “schweres Wortgeschütz gegen Südtirol” habe Claudio Berto von sich gegeben, meldet RAI Südtirol – der Alpini-Kommandant habe die Annexion Südtirols nach dem Ersten Weltkrieg als “bel traguardo”, als “schönes Ziel” bezeichnet, das vor hundert Jahren erreicht wurde.

Eine Welle der Empörung brandet am Montag Vormittag unter den patriotischen Kräften auf. Als “Gipfel der Abgeschmacktheit”, als “böswillige Beleidigung für Südtirol”, als “dumm” und “verachtenswürdig” bezeichnet der Landtagsabgeordnete der Süd-Tiroler Freiheit Sven Knoll “die polemischen Aussagen” Bertos. Er wirft ihm vor, die Gedenkveranstaltung in Bozen missbraucht zu haben, um “die Südtiroler Bevölkerung zu provozieren” und fordert “eine öffentliche Distanzierung und Entschuldigung der Alpini-Generalität”. Noch einen Schritt weiter geht der Landeskommandant des Südtiroler Schützenbundes, Elmar Thaler. Er verlangt von Landeshauptmann Arno Kompatscher, “die Abberufung des Alpinikommandanten bei den zuständigen Stellen in Rom einzufordern”. Für Thaler steht fest: “Diese Aussagen klingen wie Hohn auf die Vorfahren der Südtiroler, und das viel gepriesene Zusammenleben werde gerade durch solche Aussagen nachhaltig gestört.”

Doch wer den TV-Bericht von RAI Südtirol und die Aussagen von Claudio Berto nachhört, bemerkt, dass dieser das Wort “Annexion” nicht in den Mund nimmt. Auch von Südtirol spricht der Alpini-Kommandant in dem Videoausschnitt nicht. Sondern davon, dass vor hundert Jahren das “schöne Ziel erreicht” worden sei, den lange geplanten “großen Entwurf eines geeinten Italiens” umzusetzen. So wie es übrigens auch Staatspräsident Sergio Mattarella in seiner Botschaft anlässlich des 4. Novembers tut. “Commemoriamo oggi, con il centenario della conclusione del primo conflitto mondiale, la raggiunta Unità d’Italia, meta del lungo percorso risorgimentale”, schreibt Mattarella. Südtirol klammert der Staatspräsident – wohl bewusst – aus, wenn er meint: “Militari provenienti da ogni contrada d’Italia, uniti sotto il Tricolore, avevano, con grande dedizione, portato a compimento il tanto sospirato sogno risorgimentale. Trento e Trieste erano ricongiunte alla madrepatria.”