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Was kommt

Neun Fotografinnen und Fotografen zeigen künstlerischen Fotografie im Lanserhaus in Eppan. SALTO hat Hanna Battisti und Andreas Bertagnoll zu "Futuro Fragile" befragt.
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Foto: SALTO
  • SALTO: Wie kam es zur Idee für die fotografische Gruppenausstellung „FUTURO FRAGILE“? 

    Hanna Battisti: Wir sind eine selbstorganisierte und selbstgeleitete Gruppe von Nord- und Südtiroler Fotograf*innen im Umkreis des Fotoforum West in Innsbruck. Das heißt, die meisten von uns haben die Prinzipien der Künstlerischen Fotografie vor vielen Jahren beim Galeristen und Fotografen der Galerie Fotoforum Innsbruck, Rupert Larl, erlernt. Ich selbst war damals im Vorstand der Galerie Fotoforum Bozen und im künstlerischen Beirat tätig. In diesem Rahmen habe ich Ausstellungen in Bozen begleitet und auch Gruppen kuratiert. So ist damals die Idee entstanden, als Gruppe zu einem relevanten Thema zu arbeiten. Das tun wir in unterschiedlicher Besetzung schon seit über 10 Jahren. Die Gruppe trifft sich für das jeweilige Fotoprojekt, das meist über einige Jahre geht und trennt sich wieder nachdem die Ausstellungsserie zu Ende ist. 
     

    ...es geht um unsere Zukunft und es geht darum, dass wir in Sorge sind, weil es derzeit so aussieht, dass uns Krisen unterschiedlichster Art treffen

  • Entschuldigung, aber ich muss weinen: Aus der Fotoserie von Andrea Berger aus dem Frühjahr 2020. Foto: Andrea Berger

    Wie erfolgte die finale Zusammensetzung der verschiedenen fotografischen Positionen?

    Die Gruppenzusammensetzung ist zu Beginn eines jeden Projektes grundsätzlich offen. So haben diesmal Erika Wimmer Mazohl und Andrea Berger erstmals mitgemacht. Die gemeinsame Arbeit läuft so ab, dass wir alle entstehenden Fotos einem gegenseitigen Feeedback unterwerfen, und die Einzelprojekte auf Qualität und Aussagekraft diskutieren. Gleichzeitig ist es unser Bemühen, ein Überthema zu finden, dem alle zustimmen können. Es muss weit genug sein, damit alle Platz darin haben und dennoch muss es möglich sein, eine signifikante Aussage treffen zu können. Das ist oftmals herausfordernd und braucht Zeit.

    Und wie versuchte sich die Gruppe auf das vorgegebene Thema zu einigen?

    Unser gemeinsam erarbeitetes Thema FUTURO FRAGILE ist weit gesteckt; es geht um unsere Zukunft und es geht darum, dass wir in Sorge sind, weil es derzeit so aussieht, dass uns Krisen unterschiedlichster Art treffen. Jede*r von uns wollte zu einer oder mehrerer Krisen etwas fotografisches entwickeln. Aber unsere Themen sind nicht deckungsgleich, sondern im Gegenteil sehr verschieden. Der einen ging es um die Themen der Pandemie, dem anderen um den Einfluss der Sozialen Medien, um unser Verhältnis zur Technik oder um den Krieg. Einer wollte die noch intakten Auen und Biotope zum Thema machen, ein anderer konfrontierte sich mit der emotional düsteren Aussicht auf ein Morgen. 

  • Foto: SALTO

    Herr Bertagnoll, wie haben Sie sich zum Thema FUTURO FRAGILE eingebracht?

    Andreas Bertagnoll: Eigentlich sind meine Bilder Stillleben oder auf italienisch "natura morta".  Normalerweise  wird diese Art von Fotografie mit einer aufwendigen Ausrüstung, die höchsten technischen Ansprüchen gerecht wird, praktiziert. Am Foto-Set wird herumgetüftelt, Lichteinflüsse werden künstlich generiert, zumindest aber kontrolliert oder in die gewünschte Richtung gelenkt. Grafische Regeln und Bildkomposition werden großgeschrieben, Bilder auf dem Computer nachbearbeitet und anschließend auf Hochglanzpapier gedruckt und eventuell aufwendig montiert. All das habe ich nicht getan.

  • Basics: Auf sein Wesentliches herunterzubrechen was uns umgibt, macht frei und unbeschwert. Foto: Andreas Bertagnoll

    Sondern?

    Ich habe mit einer alten Polaroid-Kamera, die mittlerweile ein unkontrollierbares Eigenleben hat, in meiner 70 Quadratmeterwohnung Bildausschnitte von Situationen fotografiert ohne sie dabei auch nur minimal zu verändern. Ich habe weder auf den Lichteinfall Einfluss genommen, noch habe ich auf dem Computer Staubpartikel, Kratzer oder Haare entfernt. Anschließend habe ich sie auf ein Tuch drucken und über einen Holzrahmen spannen lassen. Die gebleichten Farben, die nicht zentrierten an Banalität kaum zu überbietenden Motive, die Unreinheiten auf dem Bild, die ungeraden Linien, die Über-bzw. Unterbelichtungen und der Druck auf Stoff führten zu einer Bildsprache , die in Zeiten von Glätte, Perfektionismus und Künstlicher Intelligenz Fehlbarkeit, Unschuld und Zerbrechlichkeit verkörpern. Zudem vermitteln Polaroids per se einen Hauch von Nostalgie. Kurzum, ich wollte Bilder die menscheln und im Idealfall malerisch wirken. Anders als in der herkömmlichen Still-Life-Fotografie entstanden die Bilder nicht vorher im Kopf, sondern im Moment des Auslösens. 

  • We all are animals: Über die Besorgnis um die Tiere als bedeutsame Mitwesen und um das menschliche Verhalten, diese zu instrumentalisieren und konditionieren. Foto: Hanna Battisti

    Wie unterschiedlich sind die verschiedenen Herangehensweisen zu Fotografie und Thema?

    Hanna Battisti: Wir haben gegenseitig darauf geachtet, dass unsere Positionen authentisch sind und voneinander unterschiedlich ausfallen. Dass jede*r wirklich formal und inhaltlich andere Aspekte zeigt, die zum Thema passen. Diese Vielfalt hat auch mit Qualität zu tun.

    Es heißt die gezeigten Positionen wollen laut einem Text von Erika Wimmer "den Zauber und die Schönheit einer sehr fragilen Zukunft sichtbar machen". Wie trifft dieser Satz auf Ihre Arbeiten zu? 

    Hanna Battisti: Seit Jahren befasse ich mich fotografisch und ganz unromantisch mit unseren großen und kleinen und kleinsten Mitwesen (NATURA VIVA). Ich will stets zeigen, wie menschliche Befindlichkeiten Tiere kategorisieren und wie wir mit Tieren umgehen: die einen gehören zu den Essbaren, die anderen zu den Krankheitsüberträgern, wieder andere sind gar "verhaltensauffällig" geworden. Die einen züchten wir in engen Boxen, die anderen schreddern wir, und dann gibt es noch diejenigen, die wir lieben, verhätscheln und verwöhnen. Wir haben den "Zauber und die Schönheit" wohl nicht mehr präsent, was unsere eigene Herkunft, unsere Verwandtschaft mit den Tieren anbelangt. 

    Andreas Bertagnoll: Es ist müßig darüber zu diskutieren was schön ist, aber zu meinen Arbeiten kann ich sagen, dass da auf eine Weise eine Form von Ästhetik entsteht, von der ich geradezu besessen bin.

  • Alles fließt: Über das Verhältnis zwischen Menschen und Natur und speziell auf die Verletzlichkeit aber auch die Widerstandskraft und Schönheit kleinstrukturierter Aulandschaften. Ihr Fortbestand für ein ökologisches Gleichgewicht ist äußerst wichtig. Foto: Peter Elvin