Gesellschaft | Gastkommentar

Die Schule im Schatten der Kirche

Die Intervention des Bischofs zum Stundenplan der Grundschulen. Eine Gegenrede.
Religion
Foto: upi

In einem Interview der Dolomiten vom 28. März 2018 lamentiert der Bischof von Bozen-Brixen Ivo Muser, dass mehrere Grundschulen in Südtirol die Anzahl der wöchentlichen Religionsstunden von zwei auf eine reduzieren, in den meisten Fällen um die Wochenstunden für das Fach Bewegung und Sport zu erhöhen. Damit kompromittiere man die Möglichkeit der SchülerInnen, „sich für die Lebensdeutungen und Hoffnungsperspektiven des christlichen Glaubens zu öffnen“. Dabei ginge es nicht darum, ein Privileg der Kirche zu verteidigen, sondern „einen wichtigen Beitrag der Kirche für eine gesamtmenschliche Bildung“ zu gewährleisten.

Muser verweist in seiner Stellungnahme auf die „hohe Akzeptanz und Beliebtheit“ des Religionsunterrichts. Die Tatsache, dass dessen Kürzung durch demokratischen Beschluss der Schulräte erfolgt, oder etwa die Erhebung der letzten Jugendstudie des ASTAT, wonach das Fach Religion von nur 3,1 % der befragten SchülerInnen zu den interessanten Fächern angeführt wird und damit als das unbeliebteste von allen hervorsticht, verleihen Musers Argumentation die selbe logische Stimmigkeit des Dogmas der Unfehlbarkeit des Papstes.

Die Tatsache, dass dessen Kürzung durch demokratischen Beschluss der Schulräte erfolgt, oder etwa die Erhebung der letzten Jugendstudie des ASTAT, wonach das Fach Religion von nur 3,1 % der befragten SchülerInnen zu den interessanten Fächern angeführt wird und damit als das unbeliebteste von allen hervorsticht.

Wenn nun unsere Grundschulen im Rahmen ihrer gesetzlich verankerten Autonomie beschließen, die Anzahl der Religionsstunden zu verringern, würde man erwarten, dass die Katholische Kirche zu diesem Umstand für den gesamten Klerus absolute Schweigepflicht ausruft um ja keinen weiteren Anlass für eine öffentliche Debatte über die Sinnhaftigkeit, Zeitgemäßheit und Legitimität des katholischen Religionsunterrichtsan öffentlichen Schulen eines laizistischen Staates in einer multikulturellen Gesellschaft zu liefern. Würde man. Der totalitäre Reflex, die eigene Weltanschauung vor allen anderen abzuheben, hat aber offensichtlich zu tiefe Wurzeln und zu lange Tradition, als dass man diesen im 21. Jahrhundert einfach nur abstellen könnte.

Dass sich übrigens gerade die Katholische Kirche anmaßt, für eine gesamtmenschliche Bildung zu sorgen, während ihre offizielle Doktrin heute noch Homosexualität als moralische Unordnung verurteilt, die „der schöpferischen Weisheit Gottes entgegensteht“, sowie jegliche Form von Verhütung selbst im AIDS-Zeitalter als unmoralisch erklärt, ist an Surrealismus kaum zu überbieten. Man sollte meinen, dass ein laizistischer Rechtsstaat solche Ansichten als menschenverachtend verbannt anstatt mit der sie vertretenden Institution Konkordate abzuschließen.

Der totalitäre Reflex, die eigene Weltanschauung vor allen anderen abzuheben, hat aber offensichtlich zu tiefe Wurzeln und zu lange Tradition, als dass man diesen im 21. Jahrhundert einfach nur abstellen könnte.

Es erscheint somit durchaus nachvollziehbar, dass sich sämtliche den Religionsunterricht regelnden Gesetzesbestimmungen in letzter Instanz auf die Lateranverträge berufen. Diese wurden nämlich am 11. Februar 1929 von Kardinalstaatssekretär Pietro Gasparri und Benito Mussolini unterzeichnet. Der Katholizismus wurde zur Staatsreligion, der katholische Religionsunterricht zum wesentlichen Bestandteil der nationalen Lehrpläne für öffentliche Schulen. Der damalige Papst Pius XI bezeichnete Mussolini für diese Errungenschaft der Zivilisation als Mann der Vorsehung (13. Februar 1929, Allokution Seiner Heiligkeit Pius XI Vogliamo anzitutto an die Professoren und Studenten der Katholischen Universität „Sacro Cuore“ in Mailand). Ob Pius XI heute eine Reduktion der wöchentlichen Religionsstunden an Grundschulen gutheißen würde, ist fraglich.