Freizeit | Frisch vom Acker

Südtirols Renaissance des Wurzelgemüses

Wie sich in Südtirols Haushalte Karotten, Pastinaken und Sellerie wieder etabliert haben – und warum regionales Wintergemüse wieder an Bedeutung gewinnen
Wurzelgemüse
Foto: Pexels
  • Der Duft von geröstetem Wurzelgemüse zieht durch die Küche. Karotten, Pastinaken und Sellerie liegen nebeneinander auf dem Blech. Die Wurzeln sind geschält, geschnitten und mit Öl benetzt. Bald brutzeln sie im Ofen. In vielen Südtiroler Haushalten ist dieses einfache Gericht inzwischen fest verankert. Es passt zur winterlichen Kälte und zum Wunsch nach Regionalem. Wurzelgemüse aus dem Ofen ist keine Mode, sondern Teil einer langen Geschichte. Im Folgenden erfährst du, warum dieses Gericht zurückkehrt – und wie es gelingt. Vielleicht erinnerst du dich dabei an den Duft aus der Kindheit, an Großmutters Küche im Winter.

  • Zum Autor

    Hanno Innerhofer ist Kochlehrer, Mietkoch und Buchautor. Mit seinen beliebten Kursen für Thai-Küche und Sushi begeistert er regelmäßig Menschen für die feine Kunst asiatischen Kochens.

  • Herkunft und Geschichte

    Wurzelgemüse begleitet die Menschheit seit Jahrtausenden. Forschende fanden in Südafrika 170 000 Jahre alte Überreste stärkehaltiger Rhizome, die am Feuer geröstet wurden. Diese frühen Mahlzeiten lieferten Energie und wichtige Nährstoffe. In Europa standen Karotten, Pastinaken und Sellerie bereits in der Antike auf dem Speiseplan. Pastinaken, mit Karotten und Petersilie verwandt, wurden von den Römern angebaut und als Süßmittel genutzt. Jahrhundertelang waren diese Wurzeln in vielen Regionen ein wichtiges Grundnahrungsmittel. In England entwickelte sich im späten 18. Jahrhundert der „Sunday Roast“: Fleisch, Kartoffeln, Karotten und Pastinaken schmorten gemeinsam im Ofen, der Yorkshire-Pudding fing den Bratensaft auf. In Südtirol war das Garen im Holzofen ebenfalls verbreitet; Karotten und Sellerie dienten als Suppengrün oder Beilage. Für viele Familien war dieses Essen ein günstiger Weg, satt zu werden. Die Tradition zeigt, dass Ofengemüse Teil unseres kulinarischen Erbes ist.

  • Tradition trifft Trend

    Seit einigen Jahren erlebt Wurzelgemüse einen erneuten Aufschwung. Immer mehr Menschen setzen bewusst auf pflanzenbasierte Ernährung. In 18 EU‑Ländern leben Schätzungen zufolge Millionen Veganerinnen; Aktionen wie „Veganuary“ fördern diesen Trend weiter. Gleichzeitig wächst das Bedürfnis nach unverarbeiteten Lebensmitteln. Viele suchen Gerichte, die gut für den Darm sind. Ofengeröstete Karotten, Pastinaken und Sellerie passen ideal in diese Entwicklung: Sie bieten Ballaststoffe, Farbe und Aroma und sättigen gut. Kochblogs zeigen Bleche voller Wurzelgemüse und inspirieren Hobbyköchinnen. Auch Spitzenköchinnen nutzen die Technik, weil hohe Temperaturen Süße und Struktur betonen, mit nur wenig Fett. In Südtirol knüpft der Trend an die Tradition des Holzofens an. Jedes Blech verbindet regionale Herkunft, Klimabewusstsein und die Freude am gemeinsamen Essen. Auf Plattformen wie Instagram teilen Köchinnen Fotos karamellisierter Karottenvielfalt – und machen das Gericht auch optisch attraktiv. So wird Ofengemüse zu einem modernen Klassiker.

  • Zubereitung und Techniken

    Das Geheimnis eines guten Ofengerichts liegt in der Technik. Rösten intensiviert die natürliche Süße der Wurzeln und erhält Nährstoffe. Heize den Ofen auf 200–220 °C vor und lege das Backblech bereits beim Vorheizen hinein, damit die Schnittflächen sofort bräunen. Schneide Karotten, Pastinaken und Sellerie gleich groß und trockne sie sorgfältig ab. Verwende ein flaches Blech und verteile die Stücke mit Abstand, damit knusprige Kanten entstehen und kein Dampfbad. Mit etwas Olivenöl, Salz und Gewürzen sind sie nach 30–40 Minuten gar. Für mehr Geschmack kannst du das Gemüse zehn Minuten in Zitronensaft und Rotweinessig marinieren. Ein Löffel Honig verstärkt die Süße sanft. Sellerie wird in der EU als eines der 14 Hauptallergene aufgeführt – informiere deine Gäste daher vorab. Winterliche Kräuter wie Thymian oder Rosmarin passen ebenso. Mit saisonalen Rüben und Kartoffeln lassen sich weitere Variationen schaffen. Wende das Gemüse einmal während des Röstens, damit es gleichmäßig bräunt.

  • Praxistipps

    Der erste Schritt zu gelungenem Ofengemüse beginnt beim Einkauf. Wähle knackige Karotten, Pastinaken und Sellerie mit fester Schale; vermeide weiche Stellen und braune Flecken. Auf Südtiroler Bauernmärkten findest du frische, regionale Ware. Lagere das Gemüse kühl und dunkel, idealerweise im Keller oder in einer Papiertüte im Kühlschrank. Schäle es nur, wenn nötig, denn viele Nährstoffe stecken unter der Schale. Schneide die Wurzeln in gleich große Stücke, wende sie in Olivenöl, Salz und Pfeffer und streue Kräuter darüber. Reste vom Blech lassen sich am nächsten Tag kalt genießen oder in Suppen und Salaten verwenden. Wenn du wenig Zeit hast, röste mehrere Bleche und bewahre die Portionen in luftdichten Behältern auf. Für eine mediterrane Note passen Knoblauch und Zitronenschale; Gewürze wie Kreuzkümmel oder Koriandersamen verleihen eine asiatische Alternative. So hast du stets eine schnelle Beilage parat.

  • Jetzt geht’s los: Backofen einschalten

    Vielleicht hast du nun Lust bekommen, den Backofen einzuschalten. Mit wenigen Handgriffen und regionalen Zutaten entsteht ein Gericht, das Alltag und Geschichte verbindet. Wurzelgemüse aus dem Ofen zeigt, wie viel Genuss in einfachen Produkten steckt. Probiere es aus und teile es mit Freund*innen. Lass die kalte Jahreszeit zu einem Fest für Geschmack und Gemeinschaft werden. Vielleicht entdeckst du dabei auch neue Gemüse, die auf dem Blech Platz finden.

  • Wurzelgemüse in Südtirol – mehr Vielfalt als gedacht

    • Schwarzwurzel: Einst verbreitet, heute seltener; reich an Inulin und gut für die Darmflora.
    • Rohne: Regionale Bezeichnung für alte Wurzelgemüse, fast in Vergessenheit geraten, aber wiederentdeckt.
    • Topinambur (Jerusalem-Artischocke): Knollen der Sonnenblumenverwandten, süßlich im Geschmack, roh, gekocht oder frittiert nutzbar.
    • Zuckerwurz (Sium sisarum): Früher als Süßstoff verwendet, inzwischen selten, aber kulturell interessant.
    • Petersilienwurzel: Aromatisch-würzig, nahe Verwandte von Karotte und Pastinake, Teil der traditionellen Küche.
    • Knollensellerie: Als Basis vieler regionaler Speisen unverzichtbar.

  • Wurzelgemüse: Mehr Vielfalt als gedacht Foto: Pexels
  • Glossar

    • Karamellisierung: Beim Rösten zerfallen Zucker im Gemüse und verbinden sich zu braunen, süßlich schmeckenden Krusten. Diese chemische Reaktion intensiviert den Geschmack.
    • Sunday Roast: Traditionelles britisches Sonntagsessen aus dem späten 18. Jahrhundert, bei dem Fleisch und Wurzelgemüse gemeinsam im Ofen gegart werden.
    • Veganuary: Jährliche Kampagne, die Menschen einlädt, im Januar einen rein pflanzlichen Ernährungsstil zu testen und so Bewusstsein für vegane Ernährung schafft.

  • Rezept: Herbstpfanne mit knusprigem Wurzelgemüse

    Bring mit regionalem Wurzelgemüse Geschmack und Geschichte auf deinen Teller – einfach, saisonal und gut.

    Zubereitungszeit: 30 Minuten

    Zutaten (für 4 Personen):


    3 EL Rapsöl (oder Sonnenblumenöl)
    300 g Karotten
    250 g Pastinaken
    200 g rohe Rote Bete
    200 g Knollensellerie
    150 g Schwarzwurzel (frisch, geschält)
    1 rote Zwiebel
    2 Knoblauchzehen
    2 TL Thymian (getrocknet oder frisch)
    1 TL grobes Meersalz
    Pfeffer aus der Mühle
    1 EL Apfelessig (oder Zitronensaft)
    1 TL Honig (oder Ahornsirup)
    1 Handvoll glatte Petersilie (frisch)

     

    Zubereitung:

    1. Schwarzwurzel unter fließendem Wasser schälen (am besten mit Handschuhen, da sie stark abfärbt) und in Zitronenwasser legen, damit sie nicht braun wird.
    2. Übriges Gemüse schälen und in gleich große Stücke schneiden; Rote Bete fein würfeln. Zwiebel in Spalten schneiden, Knoblauch fein hacken.
    3. Öl in einer großen Pfanne erhitzen. Karotten, Pastinaken, Rote Bete, Schwarzwurzel und Sellerie 8–10 Minuten bei mittlerer Hitze anrösten, gelegentlich wenden.
    4. Zwiebeln zugeben und weitere 5 Minuten mitbraten.
    5. Knoblauch, Thymian, Salz und Pfeffer hinzufügen, nochmals 3 Minuten braten.
    6. Mit Apfelessig und Honig ablöschen, kurz schwenken. Mit frischer Petersilie bestreuen und servieren.+
  • Tipps

    • Schwarzwurzel sofort nach dem Schälen in Zitronenwasser legen – so bleibt sie hell.
    • Reste lassen sich gut in Quiche, Suppe oder Bowls weiterverwenden.
    • Für mehr Röstaroma am Ende 1–2 Minuten bei hoher Hitze braten.

    Food‑Pairing:
    Serviere dazu Polenta, Hirse oder Sauerteigbrot. Als Getränk passt naturtrüber Apfelsaft oder ein junger Weißwein.

    Nährwerttabelle (pro Person)
    • Kalorien: 235 kcal
    • Eiweiß: 4 g
    • Fett: 10 g
    • Kohlenhydrate: 32 g