Ein Turm, ein Haus, ein Zentrum
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„Beides führt zu Räuschen“, meinte der Architekt Raimund Köberl schmunzelnd, als er vor über 20 Jahren zum Bau im einstigen Brauhaus Adambräu in Innsbruck befragt wurde, was eventuell ästhetisch anspruchsvolles „Hausbauen“ mit „Bierbrauen“ verbinde. Seit dem Umbau zum Architekturzentrum aut. architektur und tirol wird das alte Bierindustriegebäude am Innsbrucker Bahnhof als Ausstellungsraum und als Archiv für Baukunst der Universität Innsbruck genutzt. Und für vieles mehr. In Südtirol fehlt ein solche Struktur, ein Zentrum des Austausches, des Herzeigens, Vertiefens und der Diskussion.
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Die neue Ausgabe der Zeitschrift Turris Babel beschäftigt sich mit diesem Umstand (oder Notstand). Sie zeichnet ein ähnliches Bild, wie es auch im lokalen Literaturbetrieb vorherrscht, wo es zwar viele Player, Veranstaltungen und Veröffentlichungen gibt, aber nicht wirklich ein Dach über die vielen Köpfe und Dinge. „Bis dato gab es einige Versuche in diese Richtung, die aber leider aus verschiedenen Gründen nicht weiterentwickelt worden sind“, erzählt Andreas Kofler, Kurator der neuen Ausgabe. Ob im Ronca-Gebäude an der Talferbrücke oder zu einer Idee im von Ludwig Mies van der Rohe geliebten Oberbozen: es gab immer wieder Anläufe und Absagen. Das Heft (#135) präsentiert im ersten Teil „Häuser“ (für Architektur) im nahen Ausland, „die in Größe, Ausrichtung, Organisation, etc. einem möglichen Haus in/für Südtirol nahe kommen könnten.“ Eine Karte (S. 31) zeigt auf, dass es solche Häuser (fast) überall gibt, nur nicht in Südtirol. Was aber sind die (wirklichen) Gründe?
Welche Erwartungen haben die alten und neuen Bewohner*innen der Region an den öffentlichen Raum?
Im zweiten Teil der Ausgabe gibt Turris Babel Einblicke in die vielen lokalen Initiativen (Kunst Meran/o Arte, Arge Kunst Bozen, Galerie Lungomare, artForum Gallery, SKI, BAU, Archimood ect.) Was fehlt ist ein gemeinsames Heim, ein Zuhause für Bau- und Wohnangelegenheiten. „Wir hoffen, dass wir mit der Ausgabe ein gewisses Momentum erzeugen werden, denn wir denken dass es eine gewisse Dringlichkeit für so ein Haus oder Zentrum gibt. Nicht nur um zu zeigen, wie spannend die lokale Szene hier geworden ist, sondern vor allem um eine Brücke zwischen Stadt- und Raumplanung und den Bürger*innen zu schlagen“, meint Kofler. In Südtirol sei es bedrückend, „dass kaum jemand, der kein* Expert*in ist, ein Bild von seinem zukünftigen städtischen Umfeld hat und deshalb nicht daran glauben kann, dass unsere Gemeinschaften in Zukunft ökologischer, inklusiver und sozialer sein werden“, bedauert er und fordert: „Es bräuchte also dringend ein dauerhaftes Gefäß um den Dialog über die gemeinsame Zukunft des Landes zu eröffnen.“
Turmhoch überlegen?In der Tat gibt es im Bausektor reichlich Gesprächs- und Handlungsbedarf, zumal Südtirol das Bauen im städtischen wie ländlichen Bereich gern (und immer häufiger) den Immobilienheinis überlässt (z.B. Kaserne Schlanders, Benko-Hager-City...). Solche zwiespältige "Konsorten" sind es dann, die eine geschlauchte und visionsferne Politik vor sich her treiben und wo die Bewohner*innen ohne Aussicht zurückbleiben. Zwar schreiben die Medien viel zu leistbarem Wohnen und plötzliche Übernacht-Experten haben zu diesem Trend-Begriff Wissenswertes gegoogelt, aber unterm Strich gibt es in Südtirol leider kaum ausgebildete Raumplaner*innen, andererseits viele Architekt*innen, die sich zu sehr als "Künstler*innen" und weniger als Baumeister*innen sehen.
Alte und neue "Architektürme"! Steht Turris Babel für den sprichwörtlichen babylonischen Turmbau und der Brau-Turm im Ex-Adambräu in Innsbruck für ein vorzeigbares Architekturhaus in unmittelbarer Nachbarschaft, so steht seit kurzem ein architektonisch wertvolles Turmgebäude unter Denkmalschutz. Lange war in der Gemeinde und darüber hinaus nicht einmal bekannt gewesen, dass das Gebäude – 1903 erbaut als Umspannstation in Form eines Schlösschens – von einem für Südtirol sehr wichtigen Architekturbüro geplant wurde: Musch & Lun. Laut Zeitungsmeldungen von damals, hatten die Eppaner bereits im Frühjahr 1901 den Beschluss gefasst, die „elektrische Kraftübertragung in der Gemeinde Eppan anzustreben“, damit der Kurort im Überetsch „dem nutzbringenden Fortschritt nicht teilnahmslos“ gegenüberstehen würde. „Es werde Licht!“ hieß es dann unterm Mendelkamm und die Macher gingen an die Umsetzung und bauten das Stromschlösschen. Die bekannten Baugestalter von Musch & Lun versprachen, „hinsichtlich Dimensionen und Stil zur Verschönerung der Ortschaft St. Michael wesentlich beizutragen“. Doch dachten sie wohl nie daran, derart in Vergessenheit zu geraten.
Einen detaillierten Aufsatz zum Eppaner Musch & Lun-Turmbau hat erst vor kurzem der einstige Landeskonservator Helmut Stampfer im Rahmen eines sehr aufschlussreichen und mit Entwurfsplänen bebilderten Aufsatzes in der umfangreichen Festschrift für den ehemaligen Bürgermeister der Gemeinde Eppan Franz Lintner publiziert.
Die Umspannstation ist ein Beispiel der stilistischen Vielfalt der Architektur der Jahrhundertwende.
Bereits 2003 war das Gebäude unter Denkmalschutz gestellt worden, doch wurde dies 2005 aufgrund eines Rekurses des damaligen Eigentümers aufgehoben. Über 20 Jahre später sei es „umso erfreulicher“, dass die heutige Eigentümerin Edyna (eine Gesellschaft der Alperia Gruppe) von einer erneuten Denkmalschutzbindung überzeugt werden konnte, zumal sich dafür auch der lokale Heimatschutzverein seit mehreren Jahren dafür eingesetzt hatte.
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