Zwischen Exzentrik und Geometrie
![Martin-Feiersinger_ph_Marta Tonelli](/sites/default/files/styles/ar/public/2025-02/martin-feiersinger_ph_martatonelli_d5a7885.jpg?h=d1cb525d&itok=xnMLcQ5L)
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Martin Feiersinger ist nicht nur österreichischer Architekt, sondern auch Forscher und Sammler – und zweifellos einer der besten Ciceroni Wiens und weit darüber hinaus. Sein umfassendes Wissen über unzählige Bauwerke reicht bis in die kleinsten biografischen und architektonischen Details. Besonders exzentrische und ambivalente Architekturen sind es die immer wieder sein Interesse wecken. In seiner eigenen Arbeit verfolgt er konzeptionelle Überlegungen und zeigt einen ausgeprägten Hang zur Geometrie – wie er uns noch näher erläutern wird. Sein Architekturstudium absolvierte er an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien sowie an der Rice University in Houston. Seit 1989 führt Feiersinger in Wien sein eigenes Architekturbüro.
Artstore: Martin, du lebst und arbeitest in Wien. Gemeinsam mit deinem Bruder, dem Künstler Werner Feiersinger, sowie mit deiner Partnerin Elise Feiersinger, die an verschiedenen österreichischen Universitäten als Lehrbeauftragte arbeitet, teilt ihr eine spürbare Leidenschaft für Architektur. Was hat dich an der Architektur so interessiert, und was, so würde ich fast behaupten, fasziniert dich jeden Tag aufs Neue daran?
Es ist zuallererst die Auseinandersetzung mit dem Raum, in allen möglichen Erscheinungsformen: vom Zwickel unter einer Treppe, oder einem gut proportionierten Zimmer, bis hin zu Straßenzügen. Und natürlich auch die Bewegung im Raum, mit den Übergängen und Lichtwechseln, beim Öffnen einer Tür, eines Fensters, sowie beim Queren eines Platzes voller Menschen.
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Mit deinem Bruder Werner Feiersinger hast du in deinen Jugendjahren Norditalien bereist und experimentelle und außergewöhnliche Architekturen der Nachkriegszeit in Italien aufgespürt. In den sehr empfehlenswerten Büchern Italomodern 1 und Italomodern 2, die dank dem aut. architektur und tirol in Innsbruck Einblicke in eure Leidenschaft geben, können die Leser diese Reisen wie in einem Logbuch nachverfolgen. Wie haben dich diese Reisen beeinflusst und geprägt?
Diese gezielten Reisen begannen aus purer Neugierde. Ich wollte so manche verwegene, mir bis dahin nur aus Publikationen bekannte Bauten vor Ort erfahren. In dem schmalen Heft „Detours“ hatte ich dann 2008 zehn exemplarische Bauten aus den 1960er-Jahren zusammengefasst. Das war aber nicht wie ursprünglich gedacht der Abschluss meiner Untersuchungen, sondern der Anfang des langjährigen Italomodern-Projekts! Der ersten Präsentation im Innsbrucker aut folgte ein umfangreicher zweiter Teil und die Ausstellung ging dann selbst auf Reisen. Die Gestaltung der unterschiedlichen Stationen erfolgte in enger Zusammenarbeit mit meinem Bruder – und so bin ich regelrecht in den Bereich der Ausstellungsgestaltung hineingestolpert. Eine interessante Wendung weg von der ausschließlichen Erfassung eines Bauwerks für mich selbst, hin zu der Vermittlung der Ideen hinter der Architektur.
Deine Umgestaltung der Wirtschaftsräume auf Schloss Gandegg in Eppan, wurde 2022 in der Ausstellung Hollein Calling in Wien gezeigt. Darin wurde das Werk des österreichischen Pritzker-Preisträgers Hans Hollein und sein Einfluss auf die zeitgenössische Architektur untersucht. Was fasziniert dich an Hollein, und wie trittst du selbst mit ihm in einen Dialog?
Über die Italomodern-Ausstellungen bin ich ihm nähergekommen. Im Werk von Hans Hollein spielen Ausstellungen ja eine sehr große Rolle. Und als Designer pflegte er enge Beziehungen zu Italien – in meiner Studienzeit an der Angewandten waren z.B. Alessandro Mendini und Mario Bellini in Holleins Meisterklasse zu Gast.
In der Ausstellung Hollein Calling wurde das Eingangstor in die Bibliothek von Schloss Gandegg mit Holleins Entwurf für das Portal des Wiener Kerzengeschäfts Retti in Beziehung gesetzt: im Fall von Eppan ist es die Auseinandersetzung mit dem Thema „Tür in der Tür“, im Wiener Beispiel hingegen das Spiel mit der Symbolik bzw. Zeichenhaftigkeit eines Schlüssellochs.
Im Ausstellungsprojekt „Der Hang zur Geometrie“, in Vorbereitung mit Gabriele Kaiser, untersuchst du eine ungewöhnliche Form der Architektur: den Folly. Sobald ich die Beschreibung über Folly gelesen hatte – eine im Englischen gebräuchliche Bezeichnung für einen ungewöhnlichen Zierbau in Gartenanlagen, der sich durch seine exzentrische Idee oder extravagante Ausführung von anderen „nutzlosen“ Architekturen unterscheidet – dachte ich sofort, wie hervorragend diese Thematik zu deinem Interesse passt. Könntest du mir jedoch noch mehr über deinen Hang zur Geometrie erzählen, der bei dieser Ausstellung nicht zum ersten Mal zum Vorschein kommt?
Mit dieser Auseinandersetzung möchte ich einen großen Bogen aufspannen und den Blick auf eine Architekturgeschichte des Privaten richten – also auf die Raumexperimente und Versuchsanordnungen für einen selbst, seien es Pavillons, Wohntürme oder eben Follies. Die scheinbare „Nutzlosigkeit“ von Follies hat schon in der Renaissance manche Künstler zu räumlichen Experimenten inspiriert. Besonders aber haben sich die Raumfiguren der barocken Gartenhausentwürfe von Fischer von Erlach in mein Gedächtnis eingeprägt. Oft sind es Idealentwürfe, aber in der Ausstellung wird es auch viele gebaute Spielarten einer bewohnbaren Geometrie geben: etwa das kleine Kuppelhaus des Richard Buckminster Fuller in Carbondale, oder den hügelförmigen Wohnkomplex in Paris-Ivry von Renée Gailhoustet, in dem die Architektin jahrzehntelang wohnte.
Im SALTO Artstore kann man den Quallenhocker erwerben, bei dem zwischen drei und acht Beinen gewählt werden kann. Preis und Gewicht richten sich nach der Anzahl der Beine. Gibt es etwas das du einem zukünftigen Quallenhocker-besitzer oder -besitzerin noch als Anekdote mitgeben möchtest?
Die Hocker sind freundliche Wesen, und wie die vorerwähnten Follies etwas verwegen, aber zugleich alltagstauglich. Der dreibeinige Hocker ist der rationalste von allen: mit den drei Beinen wackelt er auch auf unebenen Böden nicht, und er hat das geringste Gewicht. Bei den fünf- und siebenbeinigen Quallen erscheinen die „Tentakel“ gebündelt, und sehen daher von allen Richtungen ähnlich aus. Die achtbeinige Maximalvariante mit tiefgezogenem Sitz ist vielleicht schon mehr Skulptur als Gebrauchsobjekt.
In der Ausstellung Hollein Calling waren zehn meiner Prototypen als Leihgabe frei im Raum verteilt. Mitarbeiter des Architekturzentrums haben den selbstverständlichen Umgang der Ausstellungsbesucher mit den Quallenhockern beobachtet und wollten sie mir dann am liebsten gar nicht mehr zurückgeben.
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Werkangaben
Künstler: Martin Feiersinger
Titel des Werks: Quallenhocker
Material: Massivholz, Bugholz; lackiert
Farben: Rot, Grün, Esche natur
Dimension: Durchmesser: 35 cm, Höhe: 46 cm
Entwurf: 2019
Auflage: Sonderanfertigung – Edition 2025
Herstellung: Ing. Franz Plank GmbH, Prinzersdorf, Niederösterreich
Preis:Q3 (dreibeinig, Sitzplatte 4 cm): 550 €
Q5 (fünfbeinig, Sitzplatte 4 cm): 750 €
Q7 (siebenbeinig, Sitzplatte 4 cm): 950 €
Q8 (achtbeinig, Sitzplatte 12 cm): 1.400 €
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SALTO hat mit dieser digitalen Galerie einen speziellen Raum für Künstler aus dem Euregio-Tirolo-Gebiet geschaffen.
Die Kunstwerke werden exklusiv im Artstore von SALTO präsentiert.Artstore ist ein Projekt, das von der Kulturvereinigung BAU entwickelt wurde. Heuer liegt die Kuratorenschaft in den Händen von Eau&Gaz, ein Residenzprogramm für KünstlerInnen, KuratorInnenund andere im Kulturbereich tätige Personen. Seit 2022 organisiert es auch das Kultur- und Bildungsprogramm auf Schloss Gandegg in Eppan. Für den Artstore hat sich das Team von Eau&Gaz entschieden, künstlerische Positionen vorzustellen, die sie dieses Jahr in Südtiroler Ausstellungen anzutreffen sind. Eau&Gaz wird von Kathrin und Sarah Oberrauch sowie Johannes Nowak kuratiert.
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