Gesellschaft | Nasenbohrertest

Vom Nasenbohrer zur Erfolgsgeschichte

In den Schulen sollen die Kinder und Jugendlichen mit dem Nasenbohrertest auf Covid-19 getestet werden. Eine genauere Betrachtung der propagierten Erfolgsgeschichte.
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In der gewohnten Macher-Manier hat LR Widmann vor Kurzem die Nasenbohrertests für südtirols Schulen angekündigt. Ein Schnelltest, bei welchem das Wattestäbchen weniger weit in die Nase geschoben werden muss und welcher dadurch für die Kinder weniger unangenehm sein soll. Durch dieses Screening soll Präsenzunterricht wieder gefahrlos möglich sein. Prompt hat der Sanitätsbetrieb diese Woche eine Online-Infoveranstaltung in Zusammenarbeit mit der deutschen Bildungsdirektion organisiert, bei welcher die Lehrpersonen über die Testdurchführung aufgeklärt wurden. Am Ende der Woche hat man in den ersten Pilot-Grundschulen dann schon über tausend Kinder getestet, sodass das Pilotprojekt von der Politik und den Medien bereits jetzt als großer Erfolg gehandelt wird und auf sämtliche Schulstufen ausgeweitet werden soll.

Der Sanitätsbetrieb hat als Nasenbohrertest den Panbio™ COVID-19 Ag Rapid Test der Firma Abbott angekauft, ein Antigen-Schnelltest der innerhalb 15 Minuten eine Ergebnis liefert. Bei der Infoveranstaltung für die Lehrpersonen wurde die einfache Durchführung angepriesen. Die Kinder müssen selbst in der Nase bohren und die Lehrpersonen sollen bei der Testdurchführung behilflich sein bzw. die Auswertung bewerkstelligen. Dabei wurde betont, dass die Teilnahme sowohl für die Kinder als auch für die Lehrpersonen freiwillig ist. Ein Blick in die Gebrauchsanweisung des Herstellers genügt, um zu erkennen, dass der verwendete Test nicht zur Selbstdurchführung gedacht ist, sondern dass er vom Hersteller für den professionellen Einsatz konzipiert wurde. Der Test soll nur von entsprechend geschultem medizinischem Fachpersonal durchgeführt werden. Auch die Probenentnahme ist vom Fachpersonal durchzuführen. Der Hersteller weist dabei explizit darauf hin, dass ein negatives Testergebnis auftreten kann, falls die Probe nicht ordnungsgemäß entnommen wird. Des weiteren schreibt der Hersteller eine persönliche Schutzausrüstung vor, die aus Laborkittel, Gesichtsmaske, Schutzbrille bzw. Gesichtsschutz und Handschuhen besteht. Wie schon erwähnt, wurde bei der Infoveranstaltung die Freiwilligkeit betont. Sigrun Falkensteiner hat als Verantwortliche der Bildungsdirektion aber eindringlich an die Lehrpersonen appelliert, bei der Testdurchführung mitzuwirken und Patrick Franzoni hat in gewohnt alternativarmer und verengter Sichtweise ergänzt, dass die Alternative zu den Nasenbohrertests die Schulschließung ist. Hiermit werden Lehrpersonen aufgerufen, an Kindern medizinische Fachleistungen durchzuführen, für welche sie weder ausgebildet, noch ausreichend geschützt sind.

Der Spiegel hat kürzlich eine Stellungnahme des Präsidenten des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte veröffentlicht, bei welcher dieser vor solchen Schnelltests bei Schülern warnt. „Die zu erwartende hohe Zahl an falschen negativen und falschen positiven Ergebnissen würde aus unserer Sicht weit mehr Schaden anrichten als nutzen. Es bestehe eine erhebliche Gefahr, dass die Hygienemaßnahmen nach negativen Testergebnissen nicht mehr eingehalten würden, weil sich die Schüler in falscher Sicherheit wögen. Angesichts vieler falsch negativer Ergebnisse könnte das zu mehr Ansteckungen führen, als wenn nicht getestet würde; das wäre verheerend. Auf der anderen Seite müssten Kinder bei falsch positiven Ergebnissen unnötig in Quarantäne“ so der Berufsverband. Die Ergebnisse der südtiroler Pilotschulen werden als Erfolg verkauft, bestätigen jedoch bei genauerer Betrachtung diese Befürchtungen. Von 1.145 getesteten Schülern waren 3 Tests also 0,26% positiv, diese Schüler müssen für eine genauere Untersuchung einen weiteren PCR-Test machen. Der Hersteller gibt in der Gebrauchsanleitung eine Spezifität von 99,8% an, dh. dass 0,2% falsch positive Ergebnisse zu erwarten sind. Das Ergebnis der Pilotschulen passt somit haargenau in die Fehlerquote des Tests und es ist sehr wahrscheinlich, dass diese Kinder in Wirklichkeit keine Viruslast mit sich tragen. Umgekehrt gibt der Hersteller eine Sensivität von 98,1% an, was bei 1.145 Tests zu 22 falsch negativen Ergebnissen führen würde. Wohlgemerkt ist diese Anzahl von falsch negativen Ergebnissen bei korrekter Anwendung durch das Fachpersonal zu erwarten. Bei der vom Sanitätsbetrieb vorgesehenen Durchführungsart, dürfte diese Zahl deutlich höher sein.

LR Widmann hat noch am Beginn des heurigen Schuljahres immer wieder betont, dass die Schulen sicher seien. Es wird ein sehr geringes Infektionsgeschehen in den Schulen beobachtet, so seine Darstellung. Mittlerweile werden die Schulen von der Politik, den Medien und vom Sanitätsbetrieb zur Hochrisikozone erklärt. Das südtiroler Tagblattl hat in der letzten Ausgabe eine Studie abgedruckt, bei welcher die Oberschulen Spitzenreiter bei den Ansteckungen sind. Bei vollständiger Belegung und ohne Maske würde jeder Schüler 11 Mitschüler anstecken. Laut Berichten von zahlreichen Lehrpersonen hatte man genau diese Situation im September und Oktober in vielen südtiroler Oberschulen mit ausreichend großen Klassenräumen. Die Anzahl der anwesenden Klassen wurde etwas reduziert, allerdings war die gesamte Klasse zugleich anwesend und am Sitzplatz wurde keine Maske getragen. Würden die oben genannten Zahlen stimmen, müssten diese Schulen innerhalb weniger Tage völlig durchseucht gewesen sein. Die Erfahrungen waren jedoch geradezu gegenteilig. Es hat von Beginn des Schuljahres immer wieder einzelne positive Fälle bei den Schülern gegeben. Dabei wurde die gesamte Klasse in Quarantäne versetzt und alle Schüler mittels PCR-Test untersucht. Dabei hat sich immer wieder herausgestellt, dass es bei Einzelfällen geblieben ist und keine oder kaum Ansteckungen in der Schule erfolgten. Dieses Szenario hat sich sehr häufig wiederholt und immer wieder zum selben Ergebnis geführt. Infektionsherde hat es in den Schulen in Südtirol meines Wissens keine oder kaum welche gegeben und das bei ca. 70.000 Kindern und Jugendlichen, die unsere Schulen besuchen. Man kann sich somit dem Eindruck nicht verwehren, dass nun die entsprechende Meinungsmache seitens Politik und Medien erfolgt, um die bereits gekauften Nasenbohrertests an den Mann bzw. an das Kind zu bringen.

Bis jetzt wurden in den Schulen die Daten zu den Infektionen gehütet wie ein Staatsgeheimnis. Weder den Mitschülern noch den Lehrpersonen durften die Namen der möglicherweise infizierten Personen genannt werden. Dies in völliger Übereinstimmung mit den Privacy-Gesetzen. Nun werden die Kinder vor der versammelten Klasse getestet und positive Fälle sollen laut Empfehlung des Sanitätsbetriebes unauffällig aus der Klasse entfernt und von den Eltern abgeholt werden. Eine klare Verletzung des Datenschutzes!

Abschließend noch zu einem wesentlichen Punkt: Wie fühlen sich unsere Kinder dabei? Sie sollen Tests vor der gesamten Klasse machen, es besteht zwar die Möglichkeit sich zu verweigern, der soziale Druck ist allerdings nicht zu unterschätzen. Den Kindern wird subtil vermittelt, dass sie potentielle Virusträger sind und eine Gefahr für ihre Umwelt darstellen. Aus pädagogischer Sicht ein völlig verkehrter Ansatz. Dabei soll nochmal betont sein, dass in den Pilotschulen die positiven Ergebnisse im Rahmen der Fehlerquote lagen und das während der dritten Welle, also einer Zeit mit sehr hohem Infektionsgeschehen in der Bevölkerung.

Man kann nun natürlich sagen, ich suche das Haar in der Suppe. Ich persönlich sehe allerdings ein Haarknäuel mit wenigen Tropfen Suppe. Der Aufwand und die Kosten für eine regelmäßige Testung der Schüler sind enorm, der Nutzen so gut wie nicht vorhanden und der Schaden an den Kindern und Jugendlichen wahrscheinlich. Nichtsdestotrotz will die Landesregierung das Projekt auf alle Schulstufen ausweiten. Schließlich hat unser Gesundheitslandesrat ja schon verkündet, dass wir mit diesen Tests Vorreiter in Italien sind und das römische Ministerium mit Interesse das Projekt verfolgt. Wiederum eine südtiroler Erfolgsgeschichte, die nur durch den Weitblick unserer Politiker ermöglicht wird.