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Schorfe Mittel

Die EU hat des Pflanzenschutzmittel Mancozeb verboten. Die Zulassung ist im Jänner 2021 ausgelaufen. Der Beratungsring rät den Bauern ihre Bestände schnell aufzubrauchen.
Apfelblüte
Foto: Südtirolfoto/Othmar Seehauser
Es ist alles legal und es gehört für die Bauern fast schon zum Tagesgeschäft. „Das passiert immer wieder einmal“, kommentiert ein Überetscher Großbauer die Entwicklung. Es gibt kaum jemand, der sich an diesen Dingen stößt. Der Verbraucher und die Verbraucherin bekommen sowieso kaum etwas mit.
Wir stehen fast in ganz Südtirol vor der Apfelblühte. Seit gut zehn Tagen brechen die Knospen auf. Gerade in diesem Stadium besteht die Gefahr eine Schorfinfektion. Der Südtiroler Beratungsring rät in einem Rundschreiben vom 22. März seinen Mitgliedern zu einer vorbeugenden Behandlung.
Alle schorfanfälligen Sorten müssen ab dem Austrieb bis zum Ende der Primärschorfsaison vor jeder Regenperiode vorbeugend mit einem Belagsfungizid abgedeckt werden. Die Behandlung sollte so kurz wie möglich vor Regenbeginn erfolgen“, heißt es in dem Rundschreiben.
 
 
Der Beratungsring empfiehlt dann eine Reihe von Mittel zur verbeugenden Behandlung gegen den Schorf. Darunter den Wirkstoff Mancozeb.
 
„Mancozebmittel (z. B. M70 DF) empfehlen wir aufgrund des geringeren Wirkungsgrades nur bis zum Grüne Knospen-Stadium einzusetzen. Es sind zwei Behandlungen pro Jahr bis Blühbeginn möglich. Diese Mittel sind raubmilbenschädigend und sollten daher nur sehr sparsam eingesetzt werden.“
 
Und dann folgen zwei unscheinbare Sätze:
 
„Mancozeb verliert seine Zulassung. Restbestände müssen daher bis Blühbeginn aufgebraucht werden.“
 
Der Beratungsring verliert kein Wort mehr.
 

Keine Zulassung

 
Dabei ist der Hintergrund weit brisanter als man in Südtirol kommuniziert. Am 14. Dezember 2020 hat die EU-Kommission die „Nichterneuerung der Genehmigung für den Wirkstoff Mancozeb“ beschlossen. Einen Tag später wurde die Entscheidung im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht.
2005 wurde der Wirkstoff Mancozeb in die EU-Richtlinien aufgenommen. 2011 hat die EU-Kommission dem Mittel in ihren Durchführungsverordnungen eine Zulassung für zehn Jahre erteilt. Diese Zulassung ist mit 31. Jänner 2021 ausgelaufen.  
Bereits 2017 wurde um die Erneuerung der Zulassung für weitere zehn Jahre angesucht. Doch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat sich in einem Bericht vom 23. Oktober 2020 an die Kommission gegen eine weitere Zulassung von Mancozeb ausgesprochen.
 
 
 
In dem von Ursula von der Leyen unterzeichneten Beschluss der EU-Kommission heißt es:
 
„Die Behörde stellte fest, dass einige spezifische Bedenken bestehen. Insbesondere kam sie zu dem Schluss, dass Mancozeb als reproduktionstoxischer Stoff (Kategorie 1B) eingestuft wurde und dass die neuen Kriterien zur Bestimmung endokrinschädlicher Eigenschaften in Bezug auf Menschen und höchstwahrscheinlich in Bezug auf Nichtzielorganismen erfüllt werden. Darüber hinaus kam sie zu dem Schluss, dass die Schätzungen für die nicht ernährungsbedingte Exposition die Referenzwerte für repräsentative Verwendungszwecke bei Tomaten, Kartoffeln, Getreide und Trauben überschreiten. Daher kann die nicht ernährungsbedingte Exposition gegenüber Mancozeb für die berücksichtigten repräsentativen Verwendungszwecke auch nicht als vernachlässigbar angesehen werden." 
 
Wie vom Gesetz vorgesehen räumte die EU dem Antragsteller eine Gegenstellungnahme zum Bericht der Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheite ein. Dieser wurde in Brüssel dann auch vorgelegt. „Die Bedenken in Bezug auf den Wirkstoff konnten jedoch trotz der von den Antragstellern vorgebrachten Argumente nicht ausgeräumt werden“, heißt es aber im Beschluss.
Das Ergebnis: Der Wirkstoff Mancozeb wurde kurz vor Weihnachten 2020 verboten. Die EU-Kommission hat den Mitgliedsstaaten aber noch eine Übergangsphase für die Umsetzung dieses Verbotes eingeräumt.
Die Mitgliedstaaten müssen spätestens am 4. Juli 2021 die Zulassungen für Pflanzenschutzmittel, die Mancozeb als Wirkstoff enthalten, widerrufen. Sie können aber eine Aufbrauchfrist einräumen, die spätestens am 4. Januar 2022 endet.
Der Südtiroler Beratungsring rät den Bauern das Fungizid – so als wäre nichts gewesen -  heuer noch zweimal zu spritzen. „Die Restbestände aufbrauchen“, heißt es nobel.
Und jene, die Äpfel essen, sollen von alldem nichts mitbekommen.
 

Der Bericht der EFSA