Gesellschaft | Spendenaktion

„Ein Ziel mit Sinn“

Aus Leidenschaft wird eine Herzensmission: Ende August radelt Jasmin Franceschini von Bozen nach London, um auf das Schicksal schwerkranker Kinder und deren Familien in Südtirol aufmerksam zu machen und Spenden für den Kinderpalliativverein Momo zu sammeln.
Jasmin Franceschini rideformomo
Foto: privat
  • SALTO: Frau Franceschini, Sie haben sich dazu entschieden, für den guten Zweck 1.700 Kilometer in 14 Tagen mit dem Fahrrad zurückzulegen und eine Spendenaktion ins Leben zu rufen. Wie kamen Sie auf die Idee von #rideforMOMO und was steckt dahinter?

    Jasmin Franceschini: Seit zwei Jahren habe ich durch das Gravelbike das Langstreckenfahren für mich entdeckt. Dabei geht es oft darum, ohne Unterstützung weite Strecken in kurzer Zeit zu bewältigen. Letztes Jahr verfolgte ich den Südtiroler Stefan Santifaller der in 182 Tagen von Portugal bis zum Nordkap gelaufen ist und dabei Spenden für eine deutsche Sport-Stiftung gesammelt hat. Das hat bei mir den Gedanken angestoßen, selbst aktiv zu werden. Oft treiben wir Sport für uns selbst: aus Freude, aus Leidenschaft oder für den Ausgleich. Ich möchte ihn aber auch nutzen, um auf Kinder und deren Familien aufmerksam zu machen, die dieses Privileg nicht haben. Die Verbindung zum Kinderpalliativverein MOMO kam durch meine Mutter, die im Kinderpalliativbereich arbeitet. Der Weg führte mich dann nach London, da dort das erste moderne Kinderhospiz Europas eröffnet wurde. Ein bedeutendes Ziel mit einem klaren Sinn.

     

    „Es gibt viele Themen, die in unserer Gesellschaft noch immer tabuisiert oder nicht ausreichend thematisiert werden.“

     

    Was inspiriert Sie an den Menschen, die im und für den Kinderpalliativbereich arbeiten? 

    Vor allem ihre außergewöhnliche Hingabe und Empathie. Sie leisten nicht nur medizinische Hilfe, sondern auch seelische Unterstützung für die Kinder und ihre Familien in einer der schwersten Zeiten ihres Lebens. Diese Menschen geben ihr Bestes, um den betroffenen Kindern trotz ihrer Krankheit ein Stück Lebensqualität und Freude zu ermöglichen. Ihre Arbeit erfordert viel Mut, Mitgefühl und vor allem eine unglaubliche Stärke, um immer wieder Hoffnung und Trost zu schenken. Ich frage mich oft, warum in Südtirol so wenig darüber gesprochen wird. Ich glaube es gibt viele Themen, die in unserer Gesellschaft noch immer tabuisiert oder nicht ausreichend thematisiert werden. Der Kinderpalliativbereich ist ein solches Thema. Oft wird er aus Unsicherheit, Angst oder Unverständnis ausgeblendet, weil es mit schwerem Leid und Trauer verbunden ist. Dabei ist es gerade in solchen Momenten wichtig, dass mehr Aufmerksamkeit darauf gerichtet wird. Kinderpalliativpflege bietet nicht nur medizinische Unterstützung, sondern auch emotionale Begleitung für die ganze Familie. Eine intensivere öffentliche Auseinandersetzung könnte helfen, das Verständnis und die Akzeptanz zu fördern und mehr Unterstützung für diese Arbeit zu generieren.

    Im Rahmen Ihrer Spendenaktion haben Sie das Radfahren auf gofundme als Gefühl von Freiheit beschrieben. Was bedeutet Freiheit für Sie?

    Freiheit bedeutet für mich vor allem, loszulassen und den Moment zu leben. Beim Bikepacking erlebe ich diese Freiheit auf eine ganz besondere Weise. Es geht nur um das Wesentliche: Wie weit komme ich heute? Wo finde ich einen Schlafplatz? Was brauche ich, um weiterzukommen? Ohne ständige Gedanken an Deadlines oder Verpflichtungen fühle ich mich unglaublich leicht und ungebunden. Ich bin ganz bei mir, in meinem eigenen Rhythmus. Diese Reduktion auf das Notwendige und das Fehlen von Ablenkungen schafft einen Raum, in dem ich mich völlig entfalten kann – ohne die Last der täglichen Aufgaben und Erwartungen. Das fühlt sich unglaublich befreiend an.

  • Woher kommt Ihre Leidenschaft fürs Radfahren? Gibt es ein bestimmtes Erlebnis, das diese Passion ausgelöst hat?

    Radfahren ist bei uns Familientradition. Meine Mutter ist begeisterte Bikepackerin, mein Vater auch ein leidenschaftlicher Radfahrer und sie haben mir diese Leidenschaft praktisch mit in die Wiege gelegt. Seit ich in Innsbruck lebe, habe ich etwas mehr mit Enduro-Biken begonnen. Vor zwei Jahren habe ich mir dann mein erstes Gravelbike gekauft, es war Liebe auf den ersten Blick. Ein Erlebnis, das mir besonders im Gedächtnis geblieben ist, war mein erster Bikepacking-Trip auf den Kanaren im Winter 2023. Ich bin über fünf der sieben Kanarischen Inseln gefahren, habe in einem Biwak-Sack geschlafen und mich der Natur ganz nah gefühlt. Es war eine intensive Erfahrung, vor allem, weil ich allein unterwegs war. Besonders als Frau, wurde mir oft gesagt, dass es gefährlich sei, allein unterwegs zu sein. Herausforderung hat mich nur motiviert und mir gezeigt, dass auch Frauen mutige Abenteuer erleben können. Das war der Moment, in dem meine Liebe zum Bikepacking und Radfahren wirklich begann.

     

    „Es begeistert mich sehr, wie viele Menschen sich bereits jetzt dafür interessieren und inspirieren lassen.“

     

    Welche Etappen und Schlüsselpunkte haben Sie auf der Strecke eingeplant und warum? Gibt es Orte, auf die Sie sich besonders freuen?

    Ich habe mich für die Euro Velo 5 entschieden, weil sie eine gut ausgebaute Langstrecken-Route bietet. Die Strecke führt mich von Bozen über den Bodensee und Straßburg nach Brüssel und schließlich nach London. Diese Route ist nicht nur landschaftlich reizvoll, sondern gibt mir auch die Möglichkeit, neue Städte wie Straßburg und Brüssel zu entdecken. Am meisten freue ich mich jedoch auf den Start am 30. August in Bozen. An diesem Tag lade ich alle ein, sich mir anzuschließen und gemeinsam die ersten Kilometer zu fahren. Es geht nicht nur darum, viele Kilometer zu schaffen, sondern gemeinsam etwas zu bewegen und den symbolischen Start des Projekts als Gemeinschaft zu erleben.

  • Die Strecke: Am 30. August startet Franceschini die #rideforMOMO in Bozen: 1.700 Kilometer, 7 Länder und rund 120km täglich bis nach London in 14 Tagen. Foto: privat
  • Täglich solche Distanzen zurückzulegen, ist eine große Herausforderung. Wie bereiten Sie sich darauf vor?

    Ehrlich gesagt, habe ich mir noch keinen festen Trainingsplan gemacht, nach dem Motto: Planlos geht der Plan los! Bisher bin ich auch maximal 770 Kilometer am Stück gefahren, jetzt werden es über 1.700. Ich habe keine Ahnung, was mich erwartet. Mein Training besteht vor allem darin, viel zu fahren, damit meine Beine sich daran gewöhnen. Ich bin jemand, der stark auf sein Bauchgefühl hört und bisher bin ich damit gut gefahren. Das hoffe ich auch für diese Reise. Auch beim Wildcampen werde ich auf mein Gefühl hören. Wenn ich an einem Ort ankomme und mich nicht zu 100 Prozent wohlfühle, werde ich einfach weiterfahren. Wichtig ist auch, die Strecke im Voraus zu analysieren: Wo gibt es viele Höhenmeter? Wo sollte ich Kräfte sparen? Besonders am Anfang möchte ich nicht zu schnell loslegen, um genug Energie für die gesamte Tour zu haben. Außerdem fließt gerade viel Energie in die Aufmerksamkeit für das Projekt. Es begeistert mich sehr, wie viele Menschen sich bereits jetzt dafür interessieren und inspirieren lassen. Das gibt mir unglaublich viel Motivation. 

     

    „Mit dieser Summe können wir wirklich viel bewirken und zahlreichen Familien helfen.“

     

    Welches Ziel haben Sie sich für die Spendensammlung gesetzt?

    Anfangs hatte ich mir ein Ziel von 1.000 Euro gesetzt und ich dachte, das wäre schon ein schöner Betrag. Doch schon nach wenigen Tagen hatten wir diesen Betrag allein durch die großzügige Unterstützung von Familie und Freunden erreicht. Das hat mich nicht nur überrascht, sondern auch tief berührt und mir gezeigt, wie viel Kraft in gemeinschaftlichem Handeln steckt. So habe ich das Ziel auf 10.000 Euro erhöht. Mit dieser Summe können wir wirklich viel bewirken und zahlreichen Familien helfen. Das Geld fließt direkt in verschiedene Unterstützungsangebote, sei es für spezielle Therapien wie Ergotherapie, Psychotherapie oder Tiergestützte Therapie. Auch wichtige Transporte für spezielle Behandlungen, können damit finanziert werden. Aber es geht nicht nur um medizinische Hilfe. Es gibt in Südtirol mittlerweile einige Ferienhöfe und Einrichtungen, die sich darauf spezialisiert haben, Familien mit beeinträchtigten Kindern eine Auszeit zu ermöglichen. Solche Momente sind für die Familien unglaublich wertvoll. Und dann gibt es natürlich auch noch die Herzenswünsche, manchmal haben die Kinder oder ihre Familien noch einen großen Wunsch, den sie sich gerne erfüllen würden. Und wenn wir mit dieser Spendensammlung dazu beitragen können, dass solche letzten Wünsche wahr werden, dann wäre das einfach wundervoll.

    Gehen alle Spendengelder an Momo oder nutzen Sie diese auch zur Finanzierung der Reise? 

    Alle Spendengelder kommen zu 100 Prozent dem Verein Momo zugute. Die Kosten für Unterkunft, Verpflegung und Rückflug übernehme ich selbst, da mir dieser persönliche Beitrag zum Projekt sehr am Herzen liegt. Es geht nicht nur um die Reise an sich, sondern vor allem darum, gemeinsam etwas zu bewirken und Kindern sowie ihren Familien zu helfen, die dringend Unterstützung benötigen.

  • Über Jasmin Franceschini

    26-jährige Jasmin Franceschini kommt ursprünglich aus Neumarkt und arbeitet in Innsbruck im Nachhaltigkeitsmanagement bei der Wirtschaftskammer Tirol. Bei der Spendenaktion geht es ihr darum, eine Veränderung zu bewirken, die den Familien konkret hilft. Das ist es, was dieses Projekt für sie so wertvoll macht.

  • Kinderpalliativ-Förderverein Momo: „Wir können den betroffenen Familien den Schmerz nicht nehmen, aber wir können sie begleiten, ihnen helfen und sie unterstützen.“ Foto: privat

    Was beeindruckt Sie besonders an der Arbeit von Momo? Hatten Sie direkten Kontakt mit dem Verein oder betroffenen Familien?

    Ich wurde vor fünf oder sechs Jahren erstmals auf Momo aufmerksam, als sie ein Fest für betroffene Familien organisiert haben. Ich war mit meiner Mutter dort und habe zum ersten Mal gesehen, was das Team leistet. Dieser Tag hat mich tief berührt. Die Kinder, die schwere Erkrankungen haben und ihre Familien, sie alle waren so dankbar und auch glücklich an diesem Tag. Das hat mir gezeigt, dass Kinderpalliativ nicht nur bedeutet, den letzten Lebensabschnitt zu begleiten, es geht vielmehr darum, den Familien so viele schöne Momente wie möglich zu ermöglichen. 

     

    „Wahre Veränderung ist nur dann möglich, wenn wir gemeinsam handeln.“

     

    Was bedeutet dieses Projekt für Sie persönlich? Gibt es eine Reaktion oder ein Ergebnis, das für Sie einen vollen Erfolg bedeuten würde?

    Dieses Projekt ist eine Gelegenheit, den betroffenen Familien in Südtirol zu zeigen, dass sie nicht alleine sind. Es geht darum, die Bedürfnisse von Kindern und ihren Familien in schwierigen Lebenslagen sichtbarer zu machen und ihnen die Unterstützung zukommen zu lassen, die sie dringend brauchen. Indem wir gemeinsam auf das Thema Kinderpalliativversorgung aufmerksam machen, hoffe ich, mehr Menschen zu erreichen, die sich für diese Familien einsetzen. Darüber hinaus wäre es unglaublich wertvoll, Spenden zu sammeln, die den betroffenen Familien konkret helfen. Diese Mittel würden genutzt, um wichtige Therapien, Auszeiten oder besondere Wünsche der Kinder zu erfüllen – all das, was den Familien ein Stück Erleichterung und Freude bringen kann. Das Ziel ist es, durch dieses Projekt nicht nur Aufmerksamkeit zu erregen, sondern auch tatsächlich einen positiven Unterschied im Leben der Kinder und ihrer Familien zu machen.

    Welche Botschaft möchten Sie damit in die Welt tragen?

    Die Botschaft, die ich in die Welt tragen möchte, ist, dass wahre Veränderung nur dann möglich ist, wenn wir gemeinsam handeln und uns für diejenigen einsetzen, die am meisten Unterstützung brauchen. Diese Familien sind mit so vielen Herausforderungen konfrontiert und oft fehlt ihnen die notwendige Unterstützung, um diesen Weg zu gehen. Durch dieses Projekt möchte ich darauf aufmerksam machen, dass niemand, der mit solch einer schwierigen Situation lebt, alleine sein sollte. Jeder von uns hat die Möglichkeit, durch Mitgefühl, Aufmerksamkeit und Unterstützung einen echten Unterschied zu machen.

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