Kultur | Salto Afternoon
Im Land des anderen Adlers
Foto: Privat
„Albanien und China in Südtirol“ nennt sich der zweiteilige Schwerpunkt des vom Soziologen Adel Jabbar kuratierten Schwerpunkts, welcher den 20 Jahr Feierlichkeiten des Ausstellungsraum im nächsten Jahr vorweg greift. Man möchte, so der Präsident des Kulturvereins „La Stanza“, eine Perspektive von oben auf Südtirol geben, die über die Berge hinausreicht. Dazu geht es erst ins Land des Adlers (gemeint ist Ausnahmsweise nicht der Tiroler), bis zum 21. November, dann, vom 28. November (Eröffnung ebenfalls um 17.30 Uhr) bis zum 12. Dezember, in das Land des Drachens.
Wer beim Adler auf der Flagge impulshaft an Nationalismus gedacht hat, der liegt falsch: Es finden sich im ersten der beiden Räume mit Hilfe eines Grafikers erstellte Gedichte, welche sich der Sprache des Albanischen nähern und, in einigen Fällen auch eine Distanzierung thematisieren. Jon Mucogilava, Literaturstudent in Mailand, welcher als Kind nach Italien kam und seit einigen Jahren in Südtirol lebt, liefert Wandbilder mit Erklärungen und typografischer Vielfalt, welche auch die zahlreichen historischen Schriftsysteme des Albanischen widerspiegelt. Begleitet werden die poetisch-typografischen Werken von kurzen, klaren Erklärungen in italienischer Sprache. Gleich eingangs findet sich ein rotiertes Ë, welches einem Schwa-Laut entspricht und auf unsichere Sprecher, etwa die zweite Generation neuer Mitbürger verweist, einen Laut der Unsicherheit beim Sprechen. Diese Erlebniswirklichkeit des unsicheren Sprechen findet etwa auf der Gegenseite eine Entsprechung, wo sich zahlreiche falsche Schreibweisen des visuell zersetzten Wortes „shkruaj“ („schreiben“) finden, bevor im unteren Teil ein englisches „Fuck this shit mom, I’m done.“ und zwei Briefformeln das Bild abschließen. Es geht allerdings auch um das Thema Migration an sich: Für ein Bild, in dem eine geschwungene Version des Buchstaben „A“ zu Wellen angeordnet wird, bricht Mucogilava das Schwarz-Weiß-Rote Farbschema der Ausstellung mit fast „Salto“-Blau, verweist auf den gefährlichen Seeweg nach Italien und Europa.
Beim anderen (Nachwuchs-)Künstler handelt es sich um den 15-jährigen, in Bozen geborenen Daniel Shehu, dessen Werke zeichnerische Mittel mit sprachlichen verbinden: Die von der Oma zubereiteten Gerichte werden uns als Worte auf Tellern präsentiert, auf den ersten Blick erkennt man Kartoffeln, beim genaueren hinsehen erahnt man etwas mehr. Gewinnend auch das älteste Werk des „Giovanni Pascoli“ Schülers, in welchem er und sein Großvater auf dem Weg zum Eisack zu sehen sind, in einer Szene, welche die beiden in der Landschaft kleinen Figuren, wohl unbewusst, an Alm-Öhi und dessen Enkelin erinnern lässt. Es finden sich im Raum aber auch kulturelle Einflüsse, die weder aus Albanien, noch aus dem Alpenraum stammen: Neben einem Gesicht mit einem gesiegelten „J“ als Nase, welches an Manga erinnert (vielleicht ist es Guts, der Protagonist des Manga-Meilensteins Berserk mit glatten Haaren), ein Selbstporträt mit Wimmel-Bild um das Wort „Gjerat“ („Dinge“), in welchem Shehus Besitz in Nähe und Distanz zum Gesicht eine Wertung der persönlichen Wichtigkeit erfährt.
Dies hier sind nur Einzelbeispiele. Adel Jabbar, der bei der kleinen Preview die Ausstellung als eine Ausstellung des Wissens und der Kenntnisse bezeichnete, verwies damit auch auf „La Stanza“ als einen offenen Ort der Begegnung: Ergänzend zu beiden Ausstellungen werden Begegnungen organisiert: Zur Eröffnung etwa ist Mirela Vithkuqi der Radio Tandem-Sendung „Jehona Shqiptare : l’eco albanese nella conca bolzanina“ geladen. Es folgen an dem kommenden Montagen, dem 14. und 21. November, Begegnungen erst ein Treffen zur Vermittlung der Muttersprache (mit Erjon Zeqo, der im interkulturellen Bereich forscht) , sowie zum Albanisch-Unterricht in Bozen (Esmeralda Sadiku, Albanisch-Lehrerin), dann zum Albanischen als Literatursprache (Gentiana Minga, Autorin und Übersetzerin). Beginn jeweils um 18 Uhr.
Für die Begegnung mit der Chinesischen Community in Südtirol sind ebenfalls Termine geplant. Wer Südtirol besser verstehen möchte, muss zusehends auch über die Grenzen hinausblicken: 10,6% der in Südtirol ansässigen Personen sind nicht Staatsbürger Italiens. Statt von Anpassung oder Assimilierung zu sprechen, verwendet man in „La Stanza“ den Begriff Addition. Südtirol wird also reicher.
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