Mehr Krippen, auch mehr Kinder?
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Doch die niedrige Geburtenrate ist keineswegs das Ergebnis einer bewussten Entscheidung gegen Kinder, im Gegenteil: Paare wünschen sich durchschnittlich zwei Kinder, bekommen aber deutlich weniger. Diese Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit zeigt, dass strukturelle Hindernisse die Familienplanung erschweren.
Ein zentrales Hindernis ist der Mangel an Betreuungsangeboten für Kleinkinder unter drei Jahren. Besonders Frauen stehen vor der schwierigen Wahl zwischen Beruf und Familie.
Seit jeher ist das Angebot an Kinderkrippen in Italien unzureichend und ungleich verteilt. Vor allem in den kleinen Gemeinden fehlte es an Plätzen. Dies führte zu einem Teufelskreis: Ohne festen Arbeitsplatz wagten viele Paare nicht, ein erstes Kind zu bekommen.
Ohne Kinderbetreuung ist der feste Arbeitsplatz aber kaum zu halten. Einzige Lösung ist meist die Hilfe der Großeltern, die aber aufgrund des höheren Rentenalters immer schwieriger wird.Die italienische Regierung versucht nun gegenzusteuern. Im Rahmen des Nationalen Konjunkturplans und des PNRR fließen 4,6 Milliarden Euro in den Ausbau der frühkindlichen Bildung, mit besonderem Fokus auf die Altersgruppe der 0- bis 3-Jährigen. Jetzt hat eine innovative Studie erstmals systematisch untersucht, ob mehr Krippenplätze tatsächlich zu mehr Geburten führen.
Die Forscher analysierten die Daten von rund 8.000 italienischen Gemeinden über den Zeitraum von 2013 bis 2022. Dabei verglichen sie Gemeinden, die ihre Betreuungsquote deutlich erhöht hatten, mit ähnlichen Gemeinden ohne solche Verbesserungen.
Hier gab es genügend Spielraum, denn 2014 hatten mehr als die Hälfte aller italienischen Gemeinden eine Versorgungsquote von unter 10 Prozent und nur etwa 11 Prozent der Gemeinden erreichten eine Quote von mindestens 40 Prozent.Die Ergebnisse der Studie sind zwar unterschiedlich, trotzdem gilt, dass Kinderkrippen zu mehr Geburten führen. Besonders profitieren Gemeinden, die zwischen 2015 und 2018 ihre Versorgungsquote von unter 20 Prozent auf über 30 Prozent gesteigert haben. Diese Gemeinden verzeichneten in den vier Jahren danach durchschnittlich 2,1 zusätzliche Geburten pro Jahr.
Auch Gemeinden mit bereits besserer Ausgangslage (über 20 Prozent Versorgungsquote), die ihr Angebot weiter deutlich ausbauten, erzielten positive Effekte. Die Botschaft ist klar: Eine reale Erhöhung des Betreuungsangebots macht einen messbaren Unterschied.Doch die Studie zeigt auch Grenzen auf. Kleine Erhöhungen des Angebots – etwa von unter 20 Prozent auf 20 bis 30 Prozent – zeigen keine statistisch signifikanten Auswirkungen.
Es braucht also einen deutlichen Sprung, damit Paare ihre Familienplanung anpassen. Auch in Gemeinden mit sehr niedrigem Ausgangsniveau (null oder unter 10 Prozent Versorgungsquote) zeigt selbst eine deutliche Erhöhung in den ersten vier Jahren keine messbaren Effekte auf die Geburtenrate.
Die Forscher vermuten, dass in diesen Gemeinden – meist kleinen, ländlichen Orten – es mehr Zeit benötigt, bis das neue Angebot von den Familien als wirkliche Unterstützung wahrgenommen wird und ihre Entscheidungen beeinflusst. Zudem sind diese Gebiete oft von demografischer Alterung und Abwanderung betroffen.Die Ergebnisse müssen auch die heutige Realität berücksichtigen. So hat die jahrzehntelange niedrige Geburtenrate dazu geführt, dass es heute absolut weniger potenzielle Mütter gibt. Auch wenn diese mehr Kinder bekommen, reicht das nicht aus, um den Bevölkerungsrückgang umzukehren.
Die Ausweitung der Kinderbetreuung kann daher nur dazu beitragen, den Geburtenrückgang zu verlangsamen und abzumildern – aber nicht, ihn umzukehren, aber ohne diese Maßnahmen würde die Situation noch dramatischer aussehen.
In Südtirol standen im Jahr 2023 ca. 4000 Plätze in Kinderhorten, Kindertagesstätten oder bei Tagesmüttern/Tagesvätern zur Verfügung, die von rund 5500 Kindern zwischen drei Monaten und drei Jahren genutzt wurden.
Das angestrebte Ziel ist es, dass alle Familien, die einen Betreuungsplatz benötigen, diesen vor Ort und als hochwertiges Angebot vorfinden. Dies sei gerade auch in den ländlichen Gemeinden von großer Bedeutung, will man die Betreuungsquote von aktuell 26 Prozent flächendeckend erhöhen. Die Geburtenrate pro Frau betrug 2024 immer noch 1,51. Dies belegt grundsätzlich die Ergebnisse der Studie.In Bozen Stadt gibt es bereits für 34 Prozent aller Kinder unter drei Jahren eine Betreuungsmöglichkeit. Tagesmütter hingegen ergänzen das Angebot der Kleinkindbetreuung, vorwiegend im ländlichen Raum. Allerdings wären überzogene Erwartungen auch bei uns fehl am Platz. Kinderkrippen allein werden das demografische Problem nicht lösen.
Es braucht ein umfassendes Maßnahmenpaket: Einkommensförderung, bezahlbaren Wohnraum, eine gerechtere Verteilung der Familienarbeit zwischen den Geschlechtern sowie arbeitsmarkt- und wirtschaftspolitische Reformen. Es braucht also eine Vielzahl von Akteuren. Die Politik kann allein das Problem nicht lösen.Wenn aber tatsächlich alle geplanten Betreuungsplätze realisiert werden, könnte sich die Familienplanung junger Generationen sicherlich leichter gestalten.
Eine allgemein zugängliche Kinderbetreuung senkt die direkten und indirekten Kosten der Kindererziehung und hilft Frauen, Beruf und Familie zu vereinbaren.
Die demografische Wende wird aber nur gelingen, wenn parallel weitere strukturelle Hindernisse abgebaut werden, die junge Paare heute davon abhalten, ihren Kinderwunsch zu verwirklichen.Alfred Ebner
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