Politik | Doppelpass

„Alle sollten verbal abrüsten“

Landeshauptmann Arno Kompatscher über die Aussagen von Aussenminister Angelino Alfano, die Einladung des Botschafters in Wien und einen Maulkorb für Südtirol.
Alfano e Kompatscher
Foto: Salto.bz
Salto.bz: Herr Landeshauptmann, liest man die gestrigen Aussagen des italienischen Aussenministers Angelino Alfano zur doppelten Staatsbürgerschaft für die Südtiroler, muss man sich ernsthaft fragen: Sind wir wieder in den Sechziger Jahren angekommen?
 
Arno Kompatscher: Nein. Ich glaube, alle sollten jetzt wieder ein bisschen verbal abrüsten und die Sache mit etwas mehr Gelassenheit angehen.
 
Können Sie Alfanos Aussagen nachvollziehen?
 
Diese Stellungnahme war irgendwo zu erwarten. Was aber nicht heißt, dass ich sie inhaltlich teilen kann. Wien muss das Recht haben, die Südtiroler Vertreter anzuhören. Wien sondiert was die Fraktionssprecher im Südtiroler Landtag von diesem Vorschlag halten und was sie zum Doppelpass sagen. Man will wissen, was man sich vorstellt. Das ist die natürlichste Sache der Welt und Rom muss das akzeptieren.
 
Alfanos Aussagen sind aber auch eine Watsche für Sie und die Südtiroler Landesregierung?
 
Das sehe ich nicht so. Alfanos Aussagen sind an die österreichische Bundesregierung gerichtet. Wobei ich überzeugt bin, dass dem Ganzen ein Missverständnis zugrunde liegt. Ausgangspunkt der Polemik ist die Einladung des italienischen Botschafters beim Treffen am 23. März in Wien. Es ist absolut klar, dass eine Frage in dieser Lösung direkt zwischen Italien und Österreich erfolgen muss. Genau in diesem Sinne ist auch die Einladung des Botschafters zu verstehen. Am 23. März geht es nicht um Verhandlungen, sondern die Überlegung war, von vorneherein Italien mit einzubeziehen. Auch bei der Anhörung. Deshalb hat man den Botschafter auch eingeladen.
Das bedeutet aber nicht, dass Südtirol dabei nicht das Wort ergreifen kann. Das wäre ja noch schöner. Südtirol wird sich natürlich einbringen.
Die Botschaft des italienische Aussenminister ist aber deutlich: Der Landeshauptmann und die Südtiroler Landesregierung haben in dieser Frage nicht mitzureden?

Das sagt Alfano nicht. Die Position der italienischen Regierung ist jene, dass die Verhandlungen zu dieser Frage auf bilateraler Regierungsebene zwischen Österreich und Italien stattfinden müssen. Das bedeutet aber nicht, dass Südtirol dabei nicht das Wort ergreifen kann. Das wäre ja noch schöner. Südtirol wird sich natürlich einbringen. Dass die Verhandlungen zwischen den beiden Staaten erfolgen sollen, das nehmen wir zur Kenntnis.
 
Wir sind derzeit bei einer ersthaften diplomatischen Verstimmung zwischen Italien und Österreich. Das Ganze könnte sich aber schnell zu einer Frontstellung zwischen den beiden Staaten ausweiten.
 
Ich glaube nicht, dass es dazu kommt. Die Beziehungen zwischen Österreich und Italien sind zu gut, dass es zu einer solchen Frontstellung kommen könnte. Es gibt in dieser Frage Meinungsverschiedenheiten, insbesondere was die Anhörung in Wien betrifft. Hier hat man das Ganze aber einfach falsch verstanden. Es geht nicht um Verhandlungen, sondern darum die verschiedenen Meinungen anzuhören.
 
Alfanos Äusserungen sind ein vorgezogenes Ostergeschenk für all jener politischen Kräfte in Südtirol, die von Italien weg wollen?
 
Ich möchte schon eines grundsätzlich klarstellen. Die Frage der Staatsbürgerschaft ist keine Alternative zur Autonomie. Eine mögliche zweite Staatsbürgerschaft für die Südtiroler ändert nichts am Statuts dieses Land. Sie bringt auch keinen zusätzlichen Schutz. Sondern das ist eine völlig andere Frage, die durchaus auf einer symbolischen Ebene spielt. Deshalb ist klar, dass dieser Schritt niemals eine Infragestellung oder eine Änderung des Autonomiestatutes sein kann.
 
Sind diese geharnischten Aussagen Alfanos bereits der neue Wind einer Mitte-Rechts-Regierung?
 
Angelino Alfano gehört noch der alten, amtierenden Regierung an. Es gibt noch keine neue Regierung. Deshalb würde ich hier keine Schlüsse ziehen.
Mir geht es darum, dass man diese Thematik vernünftig und unaufgeregt diskutiert und am Ende ein sachlicher Dialog zwischen Italien und Österreich steht.
Es wird mit einer neuen Regierung in Rom aber nicht leichter werden?
 
Das hängt davon ab, wie die neue italienische Regierung ausschauen wird. Südtirols Autonomie ist international verankert und abgesichert. Deshalb kann die Regierung weder die Autonomie beschneiden, noch die Diskussion um den Doppelpass einfach beenden. Schlimmstenfalls kommt es bei den Verhandlungen zu einem Stillstand.
 
Werden Sie Kontakt zu Alfano aufnehmen?
 
Ich stehe in dieser Frage im ständigen Kontakt mit dem Aussenministerium in Wien aber auch mit Rom. Mir geht es darum, dass man diese Thematik vernünftig und unaufgeregt diskutiert und am Ende ein sachlicher Dialog zwischen Italien und Österreich steht.