Kultur | SALTO Gespräch

Süchtig nach Theater

Das "Theater im Hof/Cortile" feiert sein 25-jähriges Bestehen. Ein Gespräch mit Beate Sauer über frühe Theatererfahrungen, Kindertheater und das aktuelle Stück "Belle"
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Foto: Benedikt Sauer
  • SALTO: Das "Theater im Hof/Cortile" in Bozen gibt es seit nunmehr 25 Jahren. Den Verein „Theater in der Hoffnung“ noch viel länger…

    Beate Sauer: Der Verein „Theater in der Hoffnung“ wurde vor 35 Jahren als „fahrendes Theater“ gegründet – wir bespielten damit Schulen und Kindergärten in ganz Südtirol. Ich war damals vom Studium in Wien zurückgekommen, wo ich zunächst am „Theater der Jugend“ und bei „Moki“-Mobiles Kindertheater gearbeitet hatte. Mit dem fahrenden Theater tingelten wir rund 10 Jahre durch das Land, mit dem Bühnenbild auf dem Dach eines alten Opels, später dann in einem alten Transporter. Das war alles sehr abenteuerlich und es gäbe viele Anekdoten dazu.

    Das war Pionierarbeit in Sachen Theater für Kinder in Südtirol…

    Wir haben hier das Kindertheater etabliert, hatten damals bis zu 200 Aufführungen jährlich. Dann, Ende der 1990er Jahre, gingen die Auftrittsmöglichkeiten zurück, da immer mehr Gastgruppen aus Österreich und Deutschland anreisten und an den Schulen gastierten. So entstand die Idee, ein Theater mit fixer Spielstätte aufzubauen. Nach einigen Jahren wurden die passenden Räumlichkeiten am Obstmarkt in Bozen gefunden, die wir innerhalb von 3 Monaten in ein kleines Theater umwandelten, mit allen Sicherheitsauflagen und allem, was es eben benötigt.

  • Theater unterwegs: Rund 10 Jahre tourte Beate Sauer mit Theaterproduktionen durch Südtirol Foto: Privat
  • Daher war ich dann – glaube ich – auch sehr offen für Theater in mehreren Sprachen.

  • Bühnenbilder und Dorfbilder: „Das war alles sehr abenteuerlich und es gäbe viele Anekdoten dazu.“ Foto: Theater in der Hoffnung

    Sie kamen in jungen Jahren von der Münchner Großstadt in das provinzielle Bozen. Wie manifestiert sich dieser familiäre Umzug in Ihrem Denken als Kultur- und Kunstschaffende?

    München war jene Stadt, in der ich mit vier Jahren meine ersten Theatererfahrungen machte, als ich im Münchner „Marionettentheater“ das Stück Hänsel und Gretel sah. Ich trage heute noch Bilder dieser Aufführung in mir herum. 
    In den ersten Jahren in Bozen fühlte ich mich vor allem sehr missverstanden, weil ich den Eindruck hatte, einen anderen Humor als die anderen zu haben. Außerdem bereitete mir die italienische Sprache zunächst eher Schwierigkeiten. Wirklich erlernt habe es erst später in Rom. Daher war ich dann – glaube ich – auch sehr offen für Theater in mehreren Sprachen.

    Sie waren bereits in jungen Jahren für die legendäre und mehrsprachige Theaterproduktion von Götz Fritsch in Bertold Brechts „Rundköpfe und Spitzköpfe“ auf der Bühne - ein Meilenstein der Südtiroler Theatergeschichte...

    Da war ich noch sehr jung, besuchte die Oberschule und das Theater hat mich richtig angezogen. Es war sozusagen meine Droge. Daraufhin studierte ich in Wien Theaterwissenschaften und Publizistik, blieb regelrecht süchtig nach Theater und habe fast jeden Workshop besucht, der angeboten wurde. Später bin ich nach Rom und habe dort an der Uni über italienisches Kindertheater geschrieben. Es gab in diesen Jahren im Bereich Kindertheater einen regelrechten Aufbruch. Neben Italien waren vor allem Schweden und Holland beispielgebende Länder. Und so kam es, dass ich all diese gesammelten Erfahrungen mit nach Südtirol brachte, um sie hier in die Tat umzusetzen.

  • Leidenschaft Theater: Ein Leben vor, hinter und neben der Bühne. Foto: Privat

    Was hat Sie – und das Theater im Hof/Cortile – im Lauf der letzten 25 Jahre Theater im Hof/Cortile am nachhaltigsten geprägt?

    Am nachhaltigsten geprägt haben mich Carlo Formigoni, dem Mann von Iva Formigoni, der mit seiner Theatergruppe zur Eröffnung 1999 des Theater im Hof/Cortile gespielt hat. Natürlich auch Andreas „Opal“ Robatscher, der mit mir das Theater aufgebaut hat und zusammen mit Doris Plankl – Mitbegründerin des „Theater in der Hoffnung“ – dabei war. 
    Aufgrund Musiklehrertätigkeit war Andreas ein hervorragender Theaterpädagoge, der es schaffte mit dem Stück „Der gelben Hund“ von Ernst Jandl, alle Altersgruppen zu erreichen. Er hatte sein inneres Kind nie verloren, war ein ausgezeichneter Musiker und ein guter Regisseur. Ich war hingegen eher die Dramaturgin, habe die Stücke ausgesucht und mir die Besetzung überlegt. Auch Tanya Denny – sie ist auch die Regisseurin des aktuellen Stückes „Belle“ –, sowie Gertraud Ingeborg sind mir bis heute wichtig. In Abständen haben wir immer wieder einige Stücke für Erwachsene erarbeitet, etwa „Oskar und die Dame in Rosa“ von Eric Emanuel Schmitt. Damit waren wir auch auf anderen Bühnen, etwa in Salzburg und Hallein, zu Gast.

    Vor allem Kinder waren es, die in den vergangenen Jahrzehnten das Theater im Hof/Cortile besuchten. Sind Kinder überhaupt dankbare Theatergäste? 

    Kinder sind mehr als dankbar für das Theater. Sie haben noch das Staunen in sich und sind nicht verbogen, sondern offen für alles, saugen alles auf, wie ein Schwamm. Man unterschätzt sie oft und kann ihnen durchaus mehr zutrauen, als man meint. Andererseits sind sie auch sehr kritisch, wenn ihnen etwas nicht zusagt. Sie reagieren auch sehr spontan, was die Sache für Schauspieler nicht immer leicht macht.

  • Theater für die Kleinen: „Kinder sind mehr als dankbar für das Theater“ Foto: Privat
  • Außerdem schreibe ich gern, möchte möglichst autark leben, da ich Supermärkte mit vielen Leuten hasse.


    Zum 25. Jubiläum gibt es mit „Belle“ wieder eine Produktion für Erwachsene. Was ist zu erwarten?

    „Belle“ zeigt die 24 Stunden von Obdachlosen auf der Straße, ihre Gefühle, Alltagsschwierigkeiten, Risiken, aber auch die große Solidarität untereinander. Und Menschlichkeit. Es geht auch darum, dass wir Obdachlosigkeit nicht wahrhaben wollen. Dem Publikum bietet sich über das Theater die Gelegenheit genau hinzusehen und vielleicht eine andere Sicht auf Obdachlosigkeit aus dem Theater mitzunehmen. Was will man mehr als Theaterschaffende?

  • Landleben vs. Theaterleben: Gründerin und künstlerische Leiterin des "Theater im Hof/Cortile" in Bozen Foto: Benedikt Sauer

    Was machen Sie am liebsten, wenn Sie gerade einmal nicht unaufhörlich für das "Theater im Hof/Cortile" arbeiten?

    Da ich mich ja häufig in Räumen aufhalte, zieht es mich in meiner Freizeit in die Natur und ich suche das Landleben – speziell die Gegend um den Reggelberg. Seit zwei Jahren bin ich im Sommer immer in Aldein und Petersberg, habe einen Gemüsegarten, und um mir herum sind Schafe und Esel. Ich würde sehr gerne – falls ich alt werde – dort leben und meiner Leidenschaft nachgehen: Fotografieren. Außerdem schreibe ich gern, möchte möglichst autark leben, da ich Supermärkte mit vielen Leuten hasse.

    Was wünschen Sie sich für die lokale Theaterlandschaft? Und was für Ihr Theater?

    Für die lokale Theaterlandschaft wünsche ich mir gute Texte, welche spannend und mit großem Qualitätsansatz umgesetzt werden. Auch Neugierde füreinander und Zusammenhalt.
    Für unser Theater wünsche ich mir rege Anteilnahme. Jung und Alt sollen verstärkt zusammengeführt werden, Familien sollen Theater gemeinsam erleben. 

  • Belle

    Bis 15. März 2024 im Theater im Hof/Cortile
    20.00 Uhr

    "Belle" ist eine Würdigung an Menschen, die trotz Pech in ihrem Leben Ansehen und Humor beibehalten haben.

    Autorin: Angelika Fremd
    Regie: Tanya Denny
    Darsteller: Gertraud Ingeborg und Monika Trettel
    Technik: Tobias Demetz
    Produktionsleitung: Beate Sauer
    Produktion: Theater in der Hoffnung