Politik | Brennerbasistunnel

Peter Lercher und die BBT-Studie

Sieben Jahre lang war sie geheim, nun sorgt die von Medizinern der Universität Innsbruck erstellte Public-Health-Studie für Furore. Wie die Aussagen von Projektleiter Peter Lercher zeigen, sollte in erster Linie nicht einmal ihr Inhalt zu Denken geben.

Wo ist die BBT-Studie? Lange stand die Frage nach der von Medizinern der Universität Innsbruck erstellten Public-Health-Studie zu den gesundheitlichen Auswirkungen des Großprojekts Brennerbasistunnel unbeantwortet im Raum. Nun hat sie Beppe Grillo auf seinem Blog beantwortet – und die 2006 fertiggestellte wissenschaftliche Publikation als Instrument genommen, um unter dem Hashtag #NoTavBrennero massiv gegen das Großprojekt aufzufahren. Auch Südtirols Grüne jubeln, dass sich ihre Zweifel im Hinblick auf die Sinnhaftigkeit des Brennerbasistunnels bestätigen. Denn: Damit zeige sich, "dass die diversen Belastungen für jene, die entlang der Brennerstrecke leben, auch nach dem Bau des Tunnels nicht nennenswert verringert werden". Bei der BBT-Gesellschaft weist man dagegen laut der Online-Seite des ORF Tirol darauf hin, dass die Studienergebnisse mittlerweile überholt sind, da „das Tunnelprojekt ständig weiterentwickelt werde“. Außerdem handle es sich bei der im Zuge der Umweltverträglichkeitsprüfung in Auftrag gegeben Arbeit nicht um eine Geheim-Studie. „Wann und in welchem Ausmaß die Studie nach Fertigstellung veröffentlicht worden sei, lasse sich nicht mehr eruieren“, wird die Gesellschaft dort zitiert.

Das dagegen ist eines der wenigen Dinge in der gesamten Causa, die Projektleiter Peter Lercher nachvollziehen kann. Denn die einzige Meldung zu der zwischen 2004 und 2006 erstellten aufwendigen Studie erschien im Mai 2007 in der Tiroler Tageszeitung.  „Damals wurde eine TT-Redakteurin im Auftrag der BBT-Gesellschaft zu mir geschickt, um mich zu den Ergebnissen zu interviewen“, sagt er. Zumindest vorübergehend auf der Homepage der BBT SE veröffentlicht wurde laut Lercher auch die Zusammenfassung einer Nach-Studie, mit der 2008 ebenfalls im Auftrag der Gesellschaft ergänzende Szenarien und ein längerfristiger Zeithorizont für die Prognose geliefert wurden.

Es gibt bestimmte Grundrechte, dass mit Steuergeldern erhobene Daten auch der Bevölkerung zur Verfügung gestellt werden.

Darüber hinaus sei die mehr als 900 Seiten umfassende Arbeit, an der auch die Eurac mitgearbeitet hat, bis zu dieser Woche der Öffentlichkeit vorenthalten worden. Und zwar trotz anhaltender Aktualität, wie Lercher den Aussagen der BBT SE widerspricht. Ein Fakt, der den Wissenschaftler auch aus persönlichen Gründen verstimmt hat. Immerhin hatte er sich unter dem Damoklesschwert einer Pönale von 1000 Euro pro Tag bei Überziehung des Abgabetermins nicht nur gewaltig ins Zeug gelegt, die Studie rechtzeitig fertigzubekommen. „Wir haben vor allem durchaus interessante Ergebnisse erarbeitet, die ich natürlich gerne publiziert hätte“, sagt er. Mindestens ebenso wichtig, wären die Ergebnisse aber allen voran für die betroffene Bevölkerung gewesen. Schließlich enthält die Studie nicht nur Szenarien, wie sich die Gesundheitsbelastung durch den Verkehr in den betroffenen Gebieten durch den Bau des Tunnels verändert. Sie liefert auch detaillierte Ergebnisse zur aktuellen Belastung mit Lärm und Schadstoffen. Ein insgesamt befremdendes Vorgehen, wie Lercher findet. Nicht zuletzt angesichts der Tatsache, dass die BBT-Gesellschaft sich einen Teil der Studie durch die Europäische Union finanzieren habe lassen. „Es gibt bestimmte Grundrechte, dass mit Steuergeldern erhobene Daten auch der Bevölkerung zur Verfügung gestellt werden.“

Vorbild Unterinntal

Wie viel solche Daten tatsächlich bringen können, hat sich laut dem Sozialmediziner nicht zuletzt bei einer vergleichbaren 1998 fertiggestellten und öffentlich zugänglichen Studie für die Zulaufstrecke im Unterinntal gezeigt. Dort konnten alle Anrainer der Strecke noch vor den entscheidenden Verhandlungen für das Projekt auf Basis der Studie Auskünfte zur Ist-Situation und zu deren Veränderung bei den unterschiedlichen Szenarien verlangen – und zwar jeweils für ihre individuelle Lage. Auch mussten im Unterinntal laut Lercher beispielsweise aufgrund der Studienergebnisse extrem strenge Auflagen gegen Erschütterungen getroffen werden – „weil wir davor aufgezeigt hatten, dass die Kombination aus Lärmbelästigung und Erschütterungen besonders belastend ist“.  

Warum also wurden all diese Möglichkeiten den SüdtirolerInnen bei der BBT-Studie vorenthalten? Mögliche Antworten könnte auch ein Termin geben, den Lercher am Freitag mit dem Direktor der BBT-Beobachtungsstelle Martin Ausserdorfer hat. Wie der Wissenschaftler vorab erfahren hat, hat der ihn auch schon für einen Vortrag in Südtirol am 28. Mai angekündigt – allerdings (noch) nicht bei Peter Lercher selbst, sondern auf RAI Südtirol. Wird er nun also endlich die Ergebnisse seiner Studie in Südtirol präsentieren können? Die Antwort: „Jetzt warten wir einmal ab, ob ich überhaupt noch eingeladen werde.“

Wer sicher gehen will, dennoch über die Studienergebnisse informiert zu werden - hier ist der Link.