"Da ginge die Vielfalt verloren..."
Frau Kofler, ein knapper Sieg mit gerade einmal zehn Stimmen Vorsprung gegenüber Ihrem Konkurrenten und Cousin Romedius Kofler. Hatten Sie noch einen Schwerstern-Bonus?
Gabriela Kofler: Nein, ich glaube nicht dass das ein Schwestern-Bonus war. Ich bin schon immer eine sehr eigenständige Kämpferin gewesen. Also, ich denke, die Menschen haben schon ein prägnantes Bild von mir.
Sprich, Sie gelten nicht nur als die kleine Schwester der langjährigen Bürgermeisterin Waltraud Kofler?
Natürlich bin ich die jüngste Schwester von Waltraud. Als ich geboren wurde, im Jahr 1963, fing meine Schwester gerade in der Gemeinde zu arbeiten an. Zuerst als Angestellte, dann wurde sie Gemeindesekretärin 30 Jahre lang und schließlich folgte die politische Laufbahn. Infolgedessen haben das Amtliche und das Politische uns daheim alle sehr geprägt.
Sie kommen aus St. Felix, bekamen aber nun auch Unterstützung aus Unsere Liebe Frau im Walde. Bedeutet das, dass die jahrzehntelangen Kämpfe zwischen den beiden Fraktionen beendet sind?
Historisch gesehen war man in Unsere Liebe Frau im Walde natürlich nicht erfreut über den Zusammenschluss mit St. Felix im Jahr 1974. Meine Schwester hat die politischen Konflikte, die daraus entstanden, in ihrer Zeit als Beamtin natürlich mitbekommen und dann als Bürgermeisterin sehr gut damit umgehen können. Also, sie hat sehr ausgleichend gewirkt und es meisterhaft geschafft, dass sich alle wohl fühlen. Obwohl eben zum Beispiel der Sitz der Gemeinde, die Mittelschule oder Bank und Post hier in St. Felix waren. Aber sie hatte auf menschlicher Ebene die Wogen sehr geglättet, auch mit einem Vize-Bürgermeister der immer aus Unsere Liebe Frau im Wald kam.
Doch nach ihrem Abgang wurden die alten Gräben wieder aufgerissen?
Ja, so kann man das sagen. Bereits vor sieben Jahren hat sich ein Großteil der Räte aus Unsere Liebe Frau im Walde nicht mehr im Ausschuss vertreten gefühlt. Der Konflikt hat sich dann immer weiter verschärft und auch nach St. Felix verlagert. Letztendlich ist er so weit ausgeartet, dass die Bevölkerung nun in zwei gleich große Teile gespalten ist, wie es auch das Wahlergebnis widerspiegelt.
50:50 mit einem leichten Überhang für Ihr Lager...
Genau. Das ist natürlich nun mit einer großen Herausforderung verbunden. Die Menschen müssen nun wirklich versuchen, all ihre persönlichen Vorlieben und Abneigungen zurückzustecken und für die Sache zu kämpfen.
Doch was spaltet das Dorf nun letztendlich, immer noch die alte Geschichte der beiden Fraktionen?
Es geht auch um eine Gleichbehandlung der Bürgerinnen und Bürger. Doch viel mehr noch geht es laut meinem Gefühl um Machterhaltung um jeden Preis, für das sich dann bestimmte Familien zusammenschließen. Es geht also nicht um die Sache, sondern um einen politischen Machmechanismus, der auf persönlicher Ebene ausgetragen wird. Und dementsprechend ist es auch schwierig Sachpolitik zu machen, weil immer etwas anderes in den Vordergrund rückt.
Das scheint ja nun dem Kommissar gelungen zu sein. Man hört, unter ihm ist endlich etwas weitergegangen in der Verwaltung, weil er eben unbeeindruckt von diesen Konflikten blieb.
Unbeeindruckt war er zum Schluss auch nicht mehr, aber zumindest nicht beeinflusst.
Doch zumindest von außen ist der Eindruck entstanden, dass Sie die letzte Regierung gestürzt haben, Frau Kofler.
Ich sehe das anders, auch wenn durch meinen fehlenden Konsens die Mehrheit nicht mehr gegeben war. Es geht letztendlich in einem Ausschuss um Vertrauen, und das hatte ich nicht mehr aufgrund mehrerer Fälle, die sich zugetragen haben und die ich auch mit externer Expertenhilfe überprüft habe.
Und jetzt wollen Sie sich in diese Schlangegrube begeben und wieder Vertrauen bzw. Einigkeit herstellen?
Ja, das Zusammenleben ist sicherlich eine Herzensangelegenheit für mich, der Einsatz für Gleichbehandlung, Ehrlichkeit und Klarheit. Mir geht es vor allem um Sachpolitik...
Doch wie groß ist die Chance, Sachpolitik machen zu können? Schließlich gelt die drei nächstgewählten Männer nach Ihnen alle als Ihre Konkurrenten...
Ja, genau.
Holen Sie die nun dennoch in den vierköpfigen Ausschuss und suchen Sie sich Mitstreiter, die Ihnen gut gesonnen sind?
Das werden wir jetzt verhandeln. Aus meiner Sicht ist die Priorität nun, dass die Vertreter im Rat die Bereitschaft haben zusammenzuarbeiten. Doch wenn alle drei Kandidaten, die auf mich auf der Liste folgen, aus derselben Gruppierung kommen, dann wäre es schlimm, wenn nur diese Gruppierung die Chance hätte, in die Regierung zu kommen. Da ginge schließlich die Vielfalt verloren, ich möchte, dass die Bevölkerung zu 360 Grad vertreten ist statt nur zu einem kleinen Teil. Das garantiert auch ein demokratisches Kräftegleichgewicht und einen Ausgleich.
Sie haben nun 30 Tage Zeit, einen Ausschuss zu bilden. Wie hoch schätzen Sie die Chancen ein, dass das gelingt?
Entweder es gelingt mir, das Problem zu lösen, ansonsten erbt es eben mein Nachfolger oder meine Nachfolgerin. Weil da kommt man nicht vorbei, das müssen wir hier aufarbeiten.
Doch im schlimmsten Fall werden in 30 Tagen erneut Neuwahlen ausgerufen?
Genau. Aber hoffen wir nicht, denn das Problem würde sich zeitlich nur verlagern.
... zuerst Leute "absageln"
... zuerst Leute "absageln" und dann an den Zusammenhalt und die Zusammenarbeit aller appellieren ... Stelle ich mir zumindest schwierig vor ...
Aber da ist mittlerweile schon die ganze Situation irgendwie pervertiert: zwei Dörfer, die nicht zusammen sein wollen, mit einer Partei, die sich untereinander bekämpfen muss, denn sobald sich eine neue Partei etabliert, wird von Bozen aus so lange interveniert, bis alles wieder in SVP-Hand ist ... Was soll unter diesen Umständen für eine Sachpolitik herauskommen???