Politik | Rechnungshof

Römische Retourkutsche

Das Bozner Verwaltungsgericht wollten einen besonders brisanten Fall nach Rom abschieben. Der Staatsrat hat jetzt aber entschieden, dass Bozen zuständig ist.
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Foto: upi
Wenn die Kartoffel zu heiß ist, reicht man sie gerne weiter.
Das Bozner Verwaltungsgericht hatte Ende Jänner dieses Jahre genau das getan.
Es ist ein mehr als brisanter Fall in dem es nicht nur um die Südtiroler Gerichtsbarkeit geht, sondern mehr noch um eine Säule der Südtiroler Autonomie. Das Verwaltungsgericht sollte die Frage klären, ob bei der Ernennung der neuen Staatsanwältin am Rechnungshof die Zweisprachigkeitbestimmungen verletzt wurden.
Die politisch überaus heiße Antwort auf diese Frage hat man nicht gegeben. Der Richtersenat hat sich für nicht zuständig erklärt und das Verfahren an das Verwaltungsgericht Latium verwiesen.
Jetzt kommt das Ganze aber als Watschn aus Rom zurück. Denn der Staatsrat hat am Montag verfügt, dass der Fall nach Bozen retourniert werden muss. Nicht Rom sei für die mutmaßliche Verletzung des Südtiroler Autonomiestatutes zuständig, sondern die Bozner Gerstburg.
 

Der Streit

 
Ausgangspunkt des Verfahrens ist die Nachfolge des Staatsanwaltes am Bozner Rechnungshof Robert Schülmers. Das Präsidium des obersten Richterrates des Rechnungshofes schrieb am 9. November 2016 einen Wettbewerb für die Nachfolge aus. Ende November wurde schließlich Daniela Morgante als neue Staatsanwältin am Bozner Rechnungshof ernannt.
Daniela Morgante ist alles andere als die typische Figur für eine Richterkarriere. Die 43jährige Rechtsanwältin aus Rom startete ihre Karriere im Bankenwesen. Nach Arbeitserfahrungen bei der Europäischen Zentralbank in Frankfurt und der Wettbewerbsbehörde bei der Europäischen Kommission in Brüssel, findet sie zuerst bei der italienischen Börsenaufsicht Consob und dann im Bereich Bankenaufsicht der Banca d´ Italia eine Anstellung. Im Dezember 2008 wird Morgante Richterin am Verwaltungsgericht Piemont. Später wechselt sie zum Rechnungshof. Sie ist Richterin am Rechnungshof im Veneto und in Apulien. Dann wird sie stellvertretende Staatsanwältin am Rechnungshof Molise.
 
Daniela Morgante ist aber auch politisch bestens vernetzt. So wird sie 2013 im ersten Kabinett des römischen PD-Bürgermeisters Ignazio Marino zur Finanzstadträtin ernannt. Lange Zeit war Morgante im vergangenen Jahr auch als Assessorin oder Kabinettschefin von Virginia Raggi ernsthaft im Gespräch. Am Ende wird die Karrierefrau, die zwischendurch auch für den italienischen Fussballverband tätig ist, dann die neue Staatsanwältin am Bozner Rechnungshof.
 

Morgantes Achillesferse

 
Doch Daniela Morgante hat ein Problem. Bereits einen Tag nach ihrer Ernennung gräbt der „Fatto quotidiano“ einen brisanten Hintergrund aus. Daniela Morgante, gibt zwar offiziell an, Deutsch zu können, doch sie hat keinerlei Nachweis für ihre Zweisprachigkeit.
Umgehend will der 5-Sterne-Landtagsabgeordenete Paul Köllensperger in der aktuellen Fragestunde des Landtages von der Landesregierung wissen, was man gegen diese eklatante Verletzung des Autonomiestatutes zu unternehmen gedenke. Landeshauptmann Arno Kompatscher verteidigt die Ernennung. Seine Argumentation: In der Stellenausschreibung sei der Zweisprachigkeit als Voraussetzung „vergessen“ worden. Zudem spreche Morgante Deutsch. Spätestens damit wir klar, dass Daniela Morgante nicht nur in der Gunst der römischen, sondern auch der lokalen Regierungsmehrheit liegt.
 

Der Rekurs

 
Um die Schülmers Nachfolge bewarb sich aber auch die stellvertretende Staatsanwältin am Bozner Rechnungshof Alessia Di Gregorio. Di Gregorio hat den Zweisprachigkeitsnachweis A und spricht Deutsch.
Alessia Di Gregorio hat deshalb gegen die Morgante-Ernennung vor dem Verwaltungsgericht Bozen rekurriert. Sie wird im Verfahren von der römischen Anwältin Michela Reggio d´Aci und ihrer Bozner Kollegin Renate Holzeisen vertreten.
 „Nach den geltenden Bestimmungen muss ein Staatsanwalt am Rechnungshof einen Zweisprachigkeitsnachweis besitzen“, ist sich Renate Holzeisen sicher. Die Anwältin verweist darauf, dass selbst in der Wettbewerbsausschreibung auf das Autonomiestatut und die entsprechenden Durchführungsbestimmungen Bezug genommen wird. Die Gegenseite argumentiert: Das Autonomiestatut sehe die Zweisprachigkeit im Verfahren und im Umgang des Amtes mit dem Bürger vor. Diese sei gegeben.
 

Rom hin und zurück

 
Als Ende Jänner vor dem Verwaltungsgericht Bozen der Rekurs Di Gregorios behandelt wird, gilt es zuerst zu klären, ob das Bozner Verwaltungsgericht zuständig ist oder nicht.
Dabei stehen sich bei den Prozessparteien zwei Meinungen gegenüber. "In einem Verwaltungsverfahren liegt die Zuständigkeit bei jenem Gericht, das dort zuständig ist, wo die angefochtene Maßnahme ihre Wirkung tut“, sagt die Bozner Anwältin Renate Holzeisen. Staatsadvokat Guido Denicolo sieht das anderes: „Es wurde eine Maßnahme angefochten, die in Rom erlassen wurde, deshalb liegt die Zuständigkeit eindeutig dort.
Das Richterkollegium Terenzio Del Gaudio, Lorena Pantozzi Lerjefors (Berichterstatterin), Peter Michaeler und Margit Falk Ebner schließen sich der Rechtsmeinung der Staatsadvokat und der Morgante-Verteidigung an. Am 26. Jänner 2017 verfügen sie die Nichtzuständigkeit des Bozner Verwaltungsgerichts und die Übertragung des Falles an das Verwaltungsgericht Latium.
Gegen diese Verfügung rekurrierte Alessia Di Gregorio aber beim Staatsrat in Rom. Am 4. Mai fand die Verhandlung statt und am Montag wurde das Urteil hinterlegt. Nach Auffassung der Höchstrichter im Verwaltungsrecht ist sehr wohl das Bozner Verwaltungsgericht zuständig. Die Begründung: Da es sich um die Anwendung der autonomierechtlichen Bestimmungen zur Garantie der Zweisprachigkeit handelt, sei Bozen und nicht Rom zuständig. Brisantes Detail: Verfasser des Urteils ist der Südtiroler Staatsrat Bernhard Lageder.
Demnach kommt die Kartoffel aus Rom nach Bozen zurück.
Nur ist sie jetzt noch etwas heißer.
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Profil für Benutzer △rtim post
△rtim post Di., 09.05.2017 - 10:59

Jede Reinigungskraft im öffentlichen Dienst braucht einen Zweisprachigkeitsnachweis. Aber für unseren LH ist es offensichtlich ganz in normal, wenn die Staatsanwältin am Rechnungshof - Bozen - keinen braucht.
Dabei wird bereits heute, das Recht auf die eigene Muttersprache im Umgang des Amtes mit dem Bürger tagtäglich verletzt.

Di., 09.05.2017 - 10:59 Permalink