Gesellschaft | Autonomiekonvent

Gottloses Südtirol?

Der Bischof will die “christlich-abendländischen Wurzeln” im Autonomiestatut festgehalten wissen: “Ohne Bekenntnis zu biblischen Grundwerten kein Überleben.”
Statue
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Sollen die “christlich-abendländischen Wurzeln” im Schlussdokument des Autonomiekonvents festgeschrieben werden? Um diese Frage ist ein regelrechter Glaubenskrieg entbrannt. Die Mitglieder des Konvents der 33 sind uneins. Nun hat sich auch der Bischof in die Diskussion eingeschaltet – was für Unverständnis sorgt.

Welche Wurzeln?

Am 19. Mai präsentierte Christoph Perathoner dem Konvent seinen Entwurf für eine Präambel des Autonomiestatutes. Zum ersten Mal soll das Statut, ähnlich wie Verfassungen, ein solches Vorwort erhalten – “fast wie eine Erklärung von uns Südtirolern, die da sagen: Das ist unser Grundgesetz, das ist unsere Verfassung; das ist das, was unsere Autonomie, dem Minderheitenschutz, aber auch dem Zusammenleben zugrunde liegt”, so Perathoner. Beginnen soll die Präambel, die das Schlussdokument des Konvents anführen soll, so: “Wir, die deutsche, italienische und ladinische Sprachgruppe in Südtirol.” Gefolgt von den Worten “im Bewusstsein unserer christlich-abendländischen Wurzeln”.

Großes Lob und Zustimmung einerseits, Bedenken und offene Kritik andererseits gab es von den Konventsmitgliedern für diesen Zusatz. Was hat ein religiöses Bekenntnis in einer politischen Grundsatzerklärung zu suchen, fragten etwa die Rechtswissenschaftlerin Esther Happacher und der Grüne Landtagsabgeordnete Riccardo Dello Sbarba. Und Maurizio Vezzali, ehemaliger Landtagsabgeordneter von Forza Italia meinte: “Mich stört eine derartige Einleitung in der Prämbel gerade unter dem Gesichtspunkt der Trennung zwischen Staat und Kirche.”
Andere im Konvent, insbesondere Vertreter der deutschen Sprachgruppe, waren hingegen der Meinung, dass der Hinweis auf die “christlich-abendländischen Wurzeln” sehr wohl ins Autonomiestatut gehöre. Darunter Altlandeshauptmann Luis Durnwalder “Es kann doch niemand leugnen, dass diese Werte unser Grenzland geprägt haben. Ihr braucht ja nur durchs Land zu gehen! Wenn Ihr die ganzen Kirchen, die ganzen Sitten und Gebräuche, die Sagenwelt und Geschichte seht, dann hat all das mit der christlich-abendländischen Kultur zu tun. Da können wir sagen, was wir wollen. Ich kann nicht sagen: ‘Das hat der Islam gemacht’.
“Der Staat mag zwar laizistisch sein, aber das Volk nicht. Das Volk ist vorwiegend christlich. Deswegen können wir das schon hineintun”, zeigte sich auch Heinold Rottensteiner überzeugt, der für das Forum der 100 im Konvent sitzt.
Am 26. Mai ging die Diskussion weiter, die Fronten blieben jedoch bis zuletzt verhärtet.

Ohne Bibel keine Demokratie?

Für neuen Zündstoff sorgt nun ein Appell von Bischof Ivo Muser. Der höchste Kirchenvertreter im Land wendet sich mit einem einseitigen Schreiben an den Konvent. Darin bittet er “eindringlich, den Bezug zu den christlich-abendländischen Werten in das Dokument aufzunehmen”. Damit werde, so Muser, “die Bedeutung der Religion für das Zusammenleben der Menschen unterstrichen”.
“Eine Gesellschaft, die die religiöse Dimension ganz in die Privatsphäre drängt, wird notgedrungen zu einer Gesellschaft ohne Gott und damit zu einer Gesellschaft, deren Werte und Grundsätze kein verbindendes und verbindliches Fundament mehr haben”, warnt der Bischof.

Ohne ein Bekenntnis zu biblischen Grundwerten könne keine Gesellschaft leben, schreibt Muser weiter: “Gerade die Demokratie lebt von Werten, die sie mit ihren eigenen Möglichkeiten und Instrumenten allein nicht begründen oder erhalten kann. So kann zum Beispiel die unantastbare Würde jeder menschlichen Person nicht zu einem Gegenstand einer demokratischen Abstimmung gemacht werden. Aus diesen Gründen gehört das Bekenntnis zu den christlich-abendländischen Wurzeln in die Präambel des Schlussdokumentes des ‘Konvents der 33’ hinein.”

Unchristlicher Vorstoß?

Es sind diese letzten mahnenden Worte des Bischofs, die in Rom für Entsetzen sorgen. Dort hat der Kammerabgeordnete Florian Kronbichler den bischöflichen Aufruf an den Konvent vernommen und meint irritiert: “Eine Demokratie, die ihre Werte nicht mit den eigenen Möglichkeiten erhalten kann, eingeschlossen den Wert von der Unantastbarkeit der Würde des Menschen, hat sich aufgegeben. Und sie kann diese Werte auch nicht, jedenfalls nicht länger, einseitig auf ‘christlich-abendländische Wurzeln’ gründen.”

Der Vorstoß von Bischof Muser sei zwar dahingehend nachzuvollziehen, als dass “es das Recht der Ortskirche und nach ihrem Selbstverständnis Pflicht (ist), dafür zu sorgen, dass christliche Werte auch im öffentlichen Leben des Landes Erwähnung und Pflege finden”, so Kronbichler weiter. Allerdings gebe es Südtiroler, “die nicht christlich sein wollen und abendländisch schon gar nicht sind”. Diese Menschen müssten sich sicher sein können, dass ihre Werte von einem laizistischen Land Südtirol geschützt werden, betont Kronbichler. Sie hingegen im Schlussdokument des Autonomiekonvents an “christlich-abendländische Wurzeln” zu gemahnen, sei “in einem christlichen Sinn unchristlich”, tadelt Kronbichler.