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Wirtschaftsfaktor Gras

Eine Studie der Bozner Wirtschaftsuni belegt, dass die Legalisierung von Marihuana die Attraktivität einer Region deutlich erhöht. Das zeigt sich am Beispiel Colorado.
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Foto: upi
Steven Stillmann drängt sich keineswegs in den Vordergrund. „Das Projekt begann als Masterarbeit für Diego“, sagt der amerikanisch-neuseeländischen Ökonomen, der seit 2016 an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften an der Freien Universität Bozen lehrt. Diego Zambasi hat bei Stillmann eine Masterarbeit verfasst, die für eine Wirtschaftsfakultät wohl eher ungewöhnlich sein dürfte. Der Titel: „Ein Land im Marihuana-Rausch: Legalisierung und ihre Auswirkungen auf Zuzug, Steuereinnahmen, Wohnungspreise.“
Stillmann weiter: „Er interessierte sich für das Thema und fragte, ob ich sein Vorgesetzter sein würde. Er hat dabei so gute Arbeit geleistet, dass ich vorgeschlagen habe, dass wir zusammenarbeiten, um daraus einen wissenschaftlichen Artikel zu machen. Wir wollten wissen, ob die Leute die Legalisierung für eine gute Sache halten oder nicht.
Aus der Masterarbeit entstand dann eine gemeinsame Studie, die weit über die Landesgrenzen auf internationales Interesse stößt.
 

Beispiel Colorado

 
Einer der Forschungsschwerpunkte von Steven Stillmann ist die Migration in seinen verschiedensten Ausformungen. Dazu muss man wissen, dass nicht nur in den USA die Ein- und Abwanderung ein allgemein anerkannter ökonomisch-gesellschaftlicher Gradmesser für die Attraktivität der einzelnen Bundesstaaten ist. Eine ähnliche Situation findet man auch in der Schweiz, wo die verschiedenen Kantone etwa durch unterschiedliche Steuerlasten bei der Niederlassung von Unternehmen und einkommensstarken Bürgern konkurrieren.
 
 
Das Duo Stillmann-Zambasi hat jetzt diese demografische Entwicklung mit der Legalisierung der leichten Drogen in Zusammenhang gestellt. Das eindeutige Ergebnis dabei: Die Freigabe von Marihuana führt nicht nur ökonomisch zu großen Standortvorteilen.
Die Studie zeigt das exemplarisch am US-Bundesstaat Colorado auf. Colorado ist ein Vorreiter im Bereich der Legalisierung von Marihuana. Bereit im Jahr 2000 wurde dort das  medizinisches Marihuana legalisiert und 2012 zog man mit einer Legalisierung von Marihuana für den allgemeinen Genuss (recreational marijuana) nach.
Die Studie geht dabei am Beispiel Colorados einer Reihe von Fragen nach. Welche Auswirkungen ökonomischer Natur hat eine solch bahnbrechende Gesetzesänderung? Welche Bevölkerungsströme innerhalb der USA werden ausgelöst? Welche Konsequenzen hat die Legalisierung für den Marihuana-Konsum bei der Erhebung direkter und indirekter Steuern und für das Sozialfürsorgesystem?
 

Die Methode

 
Steven Stillmann und Diego Zambiasi untersuchten die Ein- und Auswanderung nach oder aus Colorado im Vergleich zur Migration in anderen Bundesstaaten, die Marihuana nicht legalisiert hatten. Dabei verwendeten sie die synthetische Kontrollmethodik, einen ökonometrischen Ansatz, der abschätzt, was an einem Ort alternativ geschehen wäre, hätte die Veränderung (in diesem Fall die Legalisierung von Marihuana) nicht stattgefunden.
Ökonometriker nennen dies die „kontrafaktische Situation". Ausgewählt wurde eine optimale Kombination von Staaten, die vor 2017 kein Marihuana legalisiert hatten und die am besten mit Colorado vor der Legalisierung übereinstimmt, und zwar entlang einer Reihe von Faktoren wie Ein- und Auswanderungszahlen, Einkommen, Bevölkerung, Altersverteilung, Beschäftigungsraten, Berufszusammensetzung, Pro-Kopf-Steuereinnahmen, monatliche Wohnkosten, Durchschnittstemperatur und Wahlverhalten.
Die Forscher können dann die Ein- und Auswanderungsraten in dieser "kontrafaktischen" oder alternativen Realitätsversion von Colorado nach der Legalisierung von Marihuana untersuchen und sie mit den tatsächlichen Ein- und Auswanderungsraten in Colorado in diesem Zeitraum vergleichen. Wenn zum Beispiel die Einwanderungsrate nach der Legalisierung im realen Colorado höher ist als in der geschätzten alternativen Realität Colorado, dann würde man schlussfolgern, dass die Legalisierung höhere Einwanderungsraten verursacht hat".
 

Höhere Zuwanderung, weniger Selbstmorde

 
Gefunden haben die beiden Forscher dabei aussagekräftige Belege dafür, dass potenzielle Migranten legalisiertes Marihuana als positive Annehmlichkeit betrachten.
 
 
Von 2005 bis 2009 wanderten alljährlich durchschnittlich 187.600 Menschen nach Colorado ein. Zwischen 2010 und 2013 stieg die Zuwanderung in Colorado im Vergleich zur kontrafaktischen Situation um 21.372 Personen pro Jahr (plus 11,4 Prozent), verglichen mit dem, was in einer kontrafaktischen Berechnung vorhergesagt worden war. Nach der vollständigen Legalisierung im Jahr 2013 nahm die Zuwanderung um weitere 14.087 Personen pro Jahr zu, was einen weiteren Anstieg um 7,5 Prozent bedeutet. „Da wir keine Auswirkungen auf die Abwanderung feststellen konnten, bedeutet dies, dass die Legalisierung von Marihuana die Bevölkerung Colorados bis 2015 um 3,2 Prozent erhöht hat“, so Stillman.
All diese Zahlen stimmen mit früheren Untersuchungen überein, die positive Auswirkungen der Legalisierung wie einen Rückgang von Selbstmorden unter Jugendlichen, von Verkehrsunfällen und der Kriminalität festgestellt haben. Da legales Marihuana besteuert wird, beschert es den Staaten beträchtliche Mehreinnahmen. „Hinzu kommt, dass Einzelpersonen von Staaten mit steigenden Einnahmen angezogen werden“, so die Autoren. „Insgesamt deuten unsere Ergebnisse darauf hin, dass die Bewegung zur Legalisierung von Marihuana in den USA direkte Folgen auf die Verteilung der US-Bevölkerung hat.“
 
Die gesamte Studie finden Sie hier: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/ecin.12832
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Salto User
Manfred Gasser Mo., 08.06.2020 - 16:27

Mir fehlen hier einige, für mich, sehr wichtige Daten:
die Auswirkung der Legalisierung auf die Kleinkriminalität, da müsste es doch sicher auch sehr grosse Auswirkungen haben.
Die Auswirkungen auf die psychisch-physische Gesundheit der Gesellschaft, da der Rückgang der Selbstmorde alleine nicht sehr aussagekräftig ist.
Vielleicht habe ich es ja überlesen, auf jeden Fall habe ich nichts gefunden.
Ansonsten bin ich total dafür, solange Alkohol legal und frei erhältlich ist , sollte auch bei anderen, oft genug leichteren Drogen der Kriminalisierung der Konsumenten ein Ende gesetzt werden.

Mo., 08.06.2020 - 16:27 Permalink