Recht auf Stadt
Was ist A place to B(z)?
Wir sind eine Gruppe junger Studierender aus Bozen und wir fordern unser Recht auf die Teilnahme an der Stadtgestaltung aktiv ein. Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht ungenutzte Flächen der Gemeinschaft zur Verfügung zu stellen. Unser Hauptprojekt ist das seit Jahrzenten brach liegende Bahnhofsareal in unmittelbarer Nähe zum Zentrum. Dort unterstützen wir die Entstehung eines Ortes für die Gemeinschaft, der für alle offen und erreichbar ist.
"Recht auf Stadt"
Diesen Grundsatz schrieb der Philosoph und Soziologe Henri Lefebvre bereits 1968 in seinem Werk „Le Droit à la Ville“, seitdem wurde er unzählige Male in Publikationen aufgegriffen und ist zum Schlachtruf vieler Bürgerbewegungen geworden. Doch was genau bedeutet es ein Recht auf die Stadt zu haben?
Das Recht auf die Stadt, so beschreibt es der Wirtschaftsgeograph David Harvey, ist weit mehr als nur die Möglichkeit des Einzelnen auf Zugang zu öffentlichen Plätzen. Vielmehr geht es um das Recht aktiv an der Gestaltung unserer Städte teilzunehmen.
Doch diese Teilnahme wurde und wird über die Zeit immer schwieriger. In den letzten Jahrzehnten können wir beobachten, wie sich unsere Städte weltweit zunehmend ähneln. Große Bauprojekte werden, ohne Rücksprache mit den Bürger:innen beschlossen, von nicht-ortsansässigen oder teils ausländischen Geldgebern finanziert und ohne großen Respekt vor den bestehenden Stadtstrukturen in die Städte zementiert. Die Investoren dieser Projekte sehen sie als Spekulationsobjekte, mit denen sie vor allem eines machen wollen – viel Geld. Sie selbst haben ihren Sitz meist weit entfernt von den Projekten und damit auch von deren Risiken. Es sind die Anwohner, die am meisten zu verlieren haben, sollte etwas schief gehen. Gleichzeitig haben die Anwohner auch am wenigsten Macht, die Orte in ihren Städten, an denen sie die meiste Zeit verbringen, zu gestalten. Mehr noch, durch Gentrifizierung und einseitige Stadtplanung werden diese Gemeinschaften auseinandergerissen, da sich viele Menschen die steigenden Mieten nicht mehr leisten können und wegziehen müssen. Der Fokus vieler Stadtregierungen gleicht dem einer Firma, die vor allem kurzfristigen Profit im Auge hat. Die Innenstädte verlieren ihr Leben, sie existieren nur noch für Touristen und Gutverdiener. Es gibt kaum noch Orte, an denen man verweilen kann, ohne Geld auszugeben. Alles wird reguliert und ist von Verordnungen und Verboten bestimmt.
Eigentlich spiegelt die Gestaltung einer Stadt die Werte ihrer Gesellschaft wider. Ihr Aufbau zeigt welche Art von sozialen Bindungen wir haben, wie unser Bezug zu Natur und Freiräumen ist, wie wir Technologien nutzen und wie unser Lebensstil strukturiert ist. Doch diese Verbindung ist in ein Ungleichgewicht geraten: die Wünsche der einfachen Bürgerinnen und Bürger, der Anwohnenden, der Menschen mit geringem Einkommen, der sozial Benachteiligten, der Menschen mit Migrationshintergrund, der Studierenden und vor allem der Jugend finden sich in den Städten kaum wieder.
Du hast ein Recht auf die Stadt!
Dieses Recht ist ein Recht die Stadt so zu gestalten, dass sie unsere Werte als Gesellschaft widerspiegelt. Es ist ein Recht, das Gemeinschaft über den Individualismus des konsumorientierten Innenstadt-Lifestyle stellt. Es ist ein Recht, das es uns erlaubt kreativ in unseren Nachbarschaften tätig zu werden und Projekte zu erschaffen, die der Stadt erst ihren Charakter verleihen. Dort wo es aktive Gemeinschaften zwischen den Bürgern gibt, wo ein gelebtes Vertrauen zwischen Nachbarn herrscht und es Freiräume für die Entwicklung spontaner Verbindungen im Alltag gibt, dort wird eine Stadt erst richtig lebenswert. David Harvey beschreibt das Recht auf die Stadt als eines der wertvollsten und doch am meisten vernachlässigten Menschenrechte.
Lasst uns also beginnen erneut von diesem Recht Gebrauch zu machen und erinnern wir auch unsere Stadtregierungen daran dieses Recht ernst zu nehmen. Die Arten der Teilhabe können so verschieden sein wie die Nachbarschaften und Bürger selbst, manche sind altbekannt andere werden erst noch entwickelt. Ob real in Form von Straßenfesten, Flohmärkten, Stadtgärten, Festivals, Spiel- und Sportstätten, Freiluftkinos, Parkbänken, Street Art Ausstellungen, Spaziergängen oder Picknicks, die Arten Gemeinschaft in den öffentlichen Raum zu bringen sind nur durch die eigene Kreativität beschränkt. Auch digital kann viel erreicht werden, durch den Aufbau einer Onlinepräsenz, auf Sozialen Netzwerken oder per Website, wird das Vernetzten untereinander in der Stadt oder auch mit Organisationen und Bewegungen in anderen Städten erleichtert. Zudem bietet dies eine unabhängige Plattform, um Menschen über Aktionen zu informieren und Transparenz zu schaffen. Doch muss es nicht nur bei diesen Freizeitveranstaltungen bleiben. In erster Linie erschaffen sie eine Gemeinschaft und vertiefen das Zusammengehörigkeitsgefühl, doch sind auch diese Events und Installationen bereits zutiefst politisch. Politisch aktiv werden, bedeutet nämlich für die Gemeinschaft aktiv werden, sich der Wünsche und Bedürfnisse anzunehmen und Verbesserungen und Lösungen herbeizuführen. Das Recht auf Teilhabe an der Stadt sollte daher auch nicht vor politischen Institutionen halt machen. Wir müssen unsere eigene Lobby werden, um Druck aufzubauen und unsere Wünsche und Bedürfnisse umgesetzt zu sehen. Mit einer starken Gemeinschaft kann man durch Bürgerbegehren, Petitionen, der Teilnahme an Stadtrats- und Stadtviertelratssitzungen oder gezielter Öffentlichkeitsarbeit viel erreichen. Lasst uns die Stadt nicht den Investoren überlassen, sondern selbst als für alle offene Gemeinschaft gestalterisch tätig werden und die Stadt nach den Bedürfnissen von uns als Bürgern formen.