Gesellschaft | Interview

„Ältere können viel für andere tun"

Für Karl Tragust ist es klar: Seniorengenossenschaften sind eine interessante Methode, um einfache soziale Hilfestellungen in Südtirol zu organisieren. Im Gespräch erläutert er, was eine Seniorengenossenschaft ist, und warum sie das soziale Netz stärkt.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
Karl Tragust
Foto: Heiko Schrobewalter
  • SALTO: Wozu braucht Südtirol Seniorengenossenschaften? Was sollen die tun? 

    Karl Tragust: Wenn wir jetzt an das gesamte Wohlfahrtssystem denken, haben wir hier ein sehr großes Potenzial an Menschen, die – nachdem sie nicht mehr berufstätig sind – viel Zeit haben, eigene Bedürfnisse und die Bedürfnisse anderer in gegenseitiger Hilfestellung zu befriedigen. Darin liegt der Sinn der Seniorengenossenschaft. Mit 65 gehören Rentner heute noch nicht zum alten Eisen, sondern sind noch voll fit.

    Das heißt: ältere Menschen helfen sich gegenseitig?

    Das ist der Kern, aber es ist nicht auf ältere Menschen beschränkt. Seniorengenossenschaften in Deutschland setzen sehr stark auf ein Zusammenspiel von Jung und Alt. Und das ist auch sinnvoll, denn ältere Menschen können viel für jüngere tun, ältere Menschen können auch viel für ältere tun und jüngere viel für ältere.

    Zum Beispiel?

    Tragust: Ältere Menschen brauchen manchmal Hilfe bei digitalen Geschichten oder sie kennen sich bei Elektroinstallationen nicht aus. Junge Menschen sind fit, wenn es um Digitalisierung geht, und können helfen. Gleiches gilt für die Elektroinstallationen: hier kann ein erfahrener, älterer Elektroinstallateur bei der Installation behilflich sein. 

  • Zur Person

    Die italienischsprachige Tageszeitung ALTO ADIGE bezeichnete Karl Tragust einst liebevoll als „papà del welfare“. Und dem Sozialen war er denn auch verpflichtet. Von 1993 bis 2011 war er Direktor der Abteilung Soziales des Landes. Im Zentrum seines Wirkens stand für den studierten Juristen die Überwindung des Kategoriendenkens im Sozialbereich. „Soziales steckt in allen Bereichen des menschlichen Lebens und betrifft nicht nur die Schwachen und Hilfsbedürftigen“, pflegt er zu sagen. Seit 2017 ist Tragust in Pension und ist Vorsitzender der Sozialgenossenschaft SOPHIA. Diese hat mit der Finanzierung des Landesamtes für Senioren und Sozialsprengel eine Studie über die Seniorengenossenschaften erstellt und die Genossenschaftsverbände haben mit Unterstützung des Amtes für Genossenschaftswesen einen Leitfaden für Seniorengenossenschaften aufgelegt.

  • Ja schon, aber wo finde ich denn als älterer Mensch den Jungen, der mir dann hilft und wo den erfahrenen älteren Handwerker?

    Hier kommt die Methode „Zeitbank“ ins Spiel.

    Was ist denn das?

    Die Seniorengenossenschaften, die wir in Deutschland besucht haben, sind zum Teil wie Zeitbanken organisiert. Die Mitglieder tauschen Zeit gegen Zeit. Wenn ich der Seniorengenossenschaft beitrete, sage ich, dass ich etwas anbiete, was für andere nützlich sein könnte. Auf diese Weise entsteht gegenseitige Hilfe. Die Zeit, die ich für die Hilfe aufwende, ist dann mein Guthaben an Zeit, das ich für Hilfestellungen, die andere für mich erbringen, habe. Mein Zeitaufwand wird mir durch einen Dienst an mir im gleichen Maße rückerstattet.

    Anders gesagt: ich gebe zwei Stunden Computerunterstützung und habe dann Anspruch auf zwei Stunden Hilfe, wo mir selbst die Kompetenzen fehlen oder wo ich gerade Hilfestellung brauche.

    Genau! Alles ist gleich viel wert. Du gibst zwei Stunden, du bekommst zwei Stunden. So werden Begleitdienste gegen Haushaltsdienste oder Freizeittätigkeit gegen Hilfe beim Kochen getauscht.

    Damit das funktioniert braucht es also eine gute digitale Unterstützung?

    Ja, ein gutes digitales Instrumentarium ist Voraussetzung, aber da gibt es bereits jede Menge, auf die man zurückgreifen kann. 

    Dann liegt also der gesellschaftliche Nutzen von Seniorengenossenschaften im Zugänglichmachen von Kompetenzen und alles für wenig Geld? Nur Zeit muss man eben haben?

    Genau das hat große Auswirkungen auf das Gemeinwesen. Für die allgemeine Wohlfahrt wird das sehr wichtig. Wir wissen, dass wegen der Zunahme an älteren Menschen der Bedarf an Sozialdiensten, Pflegediensten und Gesundheitsdiensten stark steigen wird. Über Seniorengenossenschaften nutzen wir ein großes Potenzial an gegenseitigen Hilfeleistungen, die einfach in uns drinnen sind, sie müssen nur aktiviert werden. Das Gemeinwesen muss sich also organisieren, um diese Hilfepotenziale, die es in einer Gesellschaft einfach so gibt, freizusetzen. 

    Und immer alles zum Nulltarif?

    Neben Austausch von Zeit gegen Zeit organisiert die Seniorengenossenschaft auch freiwillige Leistungen und in Deutschland auch Leistungen gegen eine geringe monetäre Entschädigung. Die Leistungen sind Begleitdienste, Haushaltshilfe, niederschwellige Betreuungsdienste, Freizeitaktivitäten, alles Dinge, die man in guter Nachbarschaft seit jeher macht. Hier wird sie systematisch betrieben und wird zum Pfeiler des Gemeinwesens und der lokalen Wohlfahrt. 

    Südtirol braucht also Seniorengenossenschaften. Wer soll die gründen? Wer soll da mitmachen?

    Sozialdienste, Sprengel, Vereine, Verbände, Seniorengewerkschaften, Privatpersonen. Alle, denen daran gelegen ist, einfache soziale Dienstleistungen zu erbringen, Freizeit und Kultur anzubieten und vorhandene Aktivitäten zu bündeln. Die Menschen im Kondominium, in der Nachbarschaft, im Dorf, im Stadtviertel sind bereit aufeinander zuzugehen, nur muss es organisiert werden und die Seniorengenossenschaft ist die geeignete Organisationsform dafür, sie bringt alles unter einem Dach zusammen und kann die Bedürfnisse einer lokalen Gemeinschaft gut abdecken.

    Interessierte Menschen und bestehende Akteure könnten sich also zu einer Seniorengenossenschaft zusammenschließen. Wer finanziert denn dann die hoffentlich entstehenden Seniorengenossenschaften?

    Die Genossenschaft sorgt dafür, dass eine Infrastruktur entsteht und gepflegt wird, die das Erbringen von Hilfeleistungen nach dem Prinzip der Gegenseitigkeit möglich macht. Das Abstellen von Personal für diese Tätigkeit, ist ja schon mal eine ganze Menge.

    Ja, aber Geld braucht man immer. Woher soll das kommen?

    Die Mitglieder der Genossenschaft bringen selbst das Genossenschaftskapital ein. Zudem sind wir in der glücklichen Lage seit 2022 ein Landesgesetz, das Landesgesetz 12/22 zur Förderung und Unterstützung des aktiven Alterns in Südtirol, zu haben, dass sich die Förderung des „aktiven Alterns“ auf die Fahnen geschrieben hat. Seniorengenossenschaften können finanziert werden, denn das Gesetz will die aktive Teilnahme und Einbindung von Seniorinnen und Senioren fördern. 

    Seniorengenossenschaften leisten genau dies? 

    Seniorengenossenschaften leisten genau dies. Mit einem relativ überschaubaren finanziellen Aufwand könnte man gegenseitige solidarische Selbsthilfe stärken und sozialen Reichtum schaffen.

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Josef Fulterer Mo., 10.06.2024 - 06:20

Als Erstes wäre die gegenwärtige NEO-LIBERALE UMVERTEILUNG + das BEFEUERN der WIRTSCHAFT (die immer beim MELKEN ist, das FÜTTERN aber den LOHN-SKAFEN + den vielen Tätigkeiten ohne Bezahlung überlässt / erwartet / aufzwingt) -g r ü n d l i c h- zu überlegen + "gerechter zu -s t r u k t u i e r e n."
Weiters sollte die Pensionierungs-Altersgrenze "mit 65 überlegt werden (viele Menschen könnten mit ihrer Erfahrung + ihrem Wissen, noch wertvolle Arbeit leisten + die Tätigkeit abgestuft mit dem gesundheitlichen Befinden auslaufen lassen)" + dringendst "von den Bestrafungs-Steuern für das weiter-Arbeiten zu befreien!"

Mo., 10.06.2024 - 06:20 Permalink
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Josef Fulterer Mo., 10.06.2024 - 06:33

Viel zu viele nützliche Tätigkeiten, werden von der übertrieben -w u c h e r n d e n- BÜROKRATIE bereits erstickt, vor sie leben beginnen können!

Mo., 10.06.2024 - 06:33 Permalink