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Foto: Universität Wien / Joseph Krpelan
Gesellschaft | Radarfallen

Eigentor

Wie Radarfallen jahrelang illegal zum Einsatz kamen und Gemeinden daraus Profit schlugen.

Den Autofahrern unter Ihnen dürfte folgende Situation bekannt sein: Landstraße, kein Verkehr, der Fuß will einfach nicht vom Gaspedal – und schon ist es passiert: die Radarfalle. Ihr Nummernschild wurde eben mal abgelichtet. In diesen Tagen können Südtirols Bleifüße etwas entspannter bleiben. Denn wie alles gewissen Vorschriften unterliegt, müssen auch Beamte beim Anbringen von Radargeräten einige Regeln befolgen. Und damit hatten die Südtiroler Gemeinden ihre Probleme. Das Anbringen von Radargeräten ist per Gesetz geregelt. Seit 2009 durch die „Direttiva Maroni”. Jeder Autofahrer muss über die Geschwindigkeitskontrollen informiert werden: Radargeräte müssen sichtbar angebracht werden. Sieben Radargeräte sind in Südtirol zwischen Brenner und Salurn fest installiert. Waren. Denn alle Fixradare wurden kürzlich entfernt. Zur Freude der Autofahrer, zum Ärger der Gemeinden.

Mindestsichtweite: 80 Meter

„Natürlich muss jeder Autofahrer die Straßenverkehrsordnung einhalten, egal ob Radarkontrollen stattfinden oder nicht”, sagt der Geschäftsführer der Verbraucherzentrale Walter Andreaus, „diese müssen dann aber auch richtig durchgeführt werden. Bei den mobilen Radarfallen kann man ebenfalls von einigen Verstößen ausgehen”, so Andreaus. Vor allem ein Punkt in der “Direttiva Maroni” werde häufig außer Acht gelassen: Die Mindestsichtweite muss 80 Meter betragen. Warum wusste das allerdings niemand in der Gemeinde Truden, als diese ihre Geräte hinter einer Baumreihe anbrachte? „Ganz einfach”, erklärt der Trudener Bürgermeister Edmund Lanziner, „die Radargeräte wurden 2006 aufgestellt.” Also 3 Jahre vor dem Erlass der „Direttiva Maroni”. „Der betreffende Straßenabschnitt wurde, wie vorgeschrieben, vom Regierungskommissariat genehmigt”, fügt Lanziner hinzu.

Nicht versteckt gewesen

In Truden war man sich in diesen Jahren also keiner Unstimmigkeit bewusst. Einem Autofahrer aus Mantua wurde aber trotzdem vor dem Bozner Landesgericht Recht zugesprochen. Der Grund: Eine unüberlegte Vermutung des Bürgermeisters. „Wahrscheinlich hat der Richter aufgrund einer meiner Aussagen zum Standort entschieden”, befürchtet Edmund Lanziner, „ich sagte damals, dass man die Radarfalle leicht aus 30 Metern sehe, deswegen wurde sie auch an dieser Stelle aufgestellt. Ich bin ja aber auch kein Geometer”. Die Radarfalle sei aber auch nicht versteckt gewesen, betont Lanziner. Etwas reuevoll gibt er zu: „Es war schon ein Eigentor von mir”.

Keine Chance für Fahrer

Laut „Corriere dell’Alto Adige” fordere der Anwalt des Mantuaner Autofahrers, dass „alle Strafen, die in den Jahren 2006 bis 2009 ausgestellt wurden, gelöscht werden” sollen. „Gar nicht so einfach”, heißt es bei der Verbraucherzentrale. Zwar gebe es italienweit „letztens mehrere Urteile bezüglich Radarfallen”, trotzdem bräuchten sich geblitzte Fahrer keine allzu großen Hoffnungen machen. „Nach der Begleichung einer Strafe, ist es sehr schiwierig  Geld zurückzubekommen”, erklärt der Geschäftsführer der Verbraucherzentrale, „jetzt müssen einige Fälle erst überprüft werden”. In Truden sieht man einer drohenden Rekurswelle gelassen entgegen. „90 Prozent der Strafen aus diesen drei Jahren wurden bezahlt, da bekommt niemand mehr Geld zurück”, versichert der Trudener Bürgermeister, „und von etwa hundert Rekursen werden eh nur zehn angenommen”.

Im Unklaren gelassen

„Wenn man in Italien etwas verbrochen hat, heißt das noch lange nicht, dass man auch schuldig ist”, stellt Trudens Erster Bürger fest. Wenn man zu schnell fahre, das Radargerät aber falsch aufgestellt worden sei, spiele das dann keine Rolle. Mit solchen Aussagen kann sich Walter Andreaus nicht anfreunden. Er spricht bereits von „Rechtsverdrehung”. „Wenn wir nur noch auf Meinungen hören, befinden wir uns bald in keinem Rechtsstaat mehr”, findet Andreaus. Überhaupt sei ein Regelverstoß seitens einer Gemeinde viel schwerwiegender als der eines Normalbürgers, beteuert er, „der einfache Bürger werde bei Verordnungen oftmals im Unklaren gelassen”. Und deshalb habe die Gemeinde eine zusätzliche Verpflichtung.