Ein Fall für die Staatsanwaltschaft?
Die Agentur für Bevölkerungsschutz ist das Kompetenzzentrum für den Bereich Naturgefahren und somit zuständig für das Management aller daraus resultierenden Risiken in Südtirol. Dieser Auftrag wird in einer nachhaltigen und vorallem ganzheitlichen Betrachtungsweise ausgeführt – in enger Zusammenarbeit mit anderen öffentlichen Einrichtungen des Landes sowie des Staates, den Freiwilligenorganisationen, den Gemeinden und nicht zuletzt mit den direkt Betroffenen.” So lautet die Selbstbeschreibung der von Landesrat Schuler neu eingerichteten Agentur für Bevölkerungsschutz.
In der Praxis werden aber viele Dinge nicht berücksichtigt, die man eigentlich berücksichtigen müsste, wie etwa ökosystemare Funktionen der Wälder, Stichwort Schutzwald.
Ökologie und ganzheitliche Betrachtung ist der Agentur fremd. Ein Beispiel dafür ist der unsanierte Müllberg im Natura 2000 Gebiet Falschauuer auf dem Gemeindegebiet von Meran.
Im Gewässerökologischen Bericht (Umweltmaßnahme SEHP_LANA_MAS_11.13_P_3) wird die Umgestaltung eines Abschnittes unterhalb der naturbelassenen Teiche im Falschauerbiotop vom Projektanten Thaler behandelt. Im Technischen Bereicht zur Aufwertung des Gewässerlebensraums Falschauer wird vom Gewässerökologen Hecher vorgeschlagen, dass der Marlinger Mühlbach, der in diesem Bereich fließt, in die Gestaltung des Geländes einbezogen werden soll.
Nun liegt aber genau zwischen dem Marlinger Mühlbach und der neu geschaffenen Sumpffläche der unsanierte Müllberg im Natura 2000 Gebiet Falschauer.
Im Strafgesetzbuch ist von der Verschmutzung von “großen oder wichtigen Flächen des Bodens oder des Erdreichs” die Rede. Im Natura 2000 Gebiet Falschauer sind es größere Flächen, in denen der Boden nicht aus natürlichen Sand und Schotter besteht, der von der Falschauer dort abgelagert wurde, sondern aus Ablagerungen von Müll und belastetem Erdreich aus den 1980er und 1990er Jahren. Die Hügel im Mündungsdelta der Falschauer stammen aus Zeiten, als Müll einfach so in der Landschaft zu Bergen aufgetürmt wurde, ohne einen Schutz für das Grundwasser und den Boden.
Beim Bau der Mebo wurde ein Hügel bei der Einfahrt Meran Süd/Industriezone Lana zwischen dem Auwald und der Schnellstrasse aufgeschüttet. Dieser besteht auch aus verseuchtem Erdmaterial, das vom ehemaligen Siliziumwerk in Sinich stammt. Zu dieser Zeit war das Gebiet bereits als Biotop geschützt.
Umfangreiche Revitalisierungen wurden in den letzten Jahren an der Falschauer durchgeführt und in der Studie zur Fluss-und Auenrenaturierung von Prof. Zerbe wird erläutert:”Die Wiederherstellung der natürlichen Flussdynamik ist als häufigstes Renaturierungsziel identifiziert worden. Dieses soll erreicht werden durch naturnah strukturierte Flussbetten mit heterogenen Wassertiefen und -strömungen sowie durch die Gestaltung von strukturreichen Ufern.” Demnach sollen Eingriffe in die Struktur des Flussbettes und der Ufer Überflutungszonen neu schaffen und so die natürliche Gewässer- und Auwalddynamik fördern.
An mehreren Stellen im Natura 2000 Gebiet wurden Eingriffe zur “Aufwertung des Gewässrlebensraums” vorgenommen und die Natur, die sich dort im Laufe der Zeit entwickelt hatte, verändert und zerstört. Die künstlichen Aufschüttungen wurden aber nicht entfernt. Im Natura 2000 Gebiet verhindern dieser Müllberg und die Hügel längs der Mebo, dass sich ein vitaler Auwald und Verlandungsflächen bilden können.
Bei der “Aufwertung des Gewässerlebensraums” und den “Auenrenaturierungen” hat man es verabsäumt, den Müllberg und die Hügel längs der Mebo zu entfernen. Es gibt auch einen Straftatbestand der Unterlassung einer Sanierung. Es drohen ein bis drei Jahre Haft und Geldstrafen von 20.000 bis 80.0000 Euro.
Der WWF Bozen hat eine “segnalazione per danni ambientali al Sito Natura 2000 Biotopo Delta del Valsura” an das Umweltministerium in Rom und die Europäische Kommission geschickt. Ein Natura 2000 Gebiet ist nämlich ein Gebiet von gemeinschaftlichem Interesse, ein Naturschutzgebiet für alle Bürger Europas. Das Amt für Landschaftsökologie weist in der Antwort auf die Überprüfung der Wasserqualtität und hydrogeologische Untersuchungen hin, nach welchen der unsanierte Müllberg nur einen beschränkten Einfluss auf die Umwelt hat. Es kommt aber zu Einträgen von Schadstoffen, welche aufgrund der Bodenbeschaffenheit und des unterirdischen Durchflusses stark verdünnt werden und wodurch nur geringe Mengen an Schadstoffen tatsächlich messbar sind.
Das Amt für Landschaftsökologie weist im Antwortschreiben an den WWF auch darauf hin, dass der Müllberg inzwischen zugewachsen ist. Die Robinien und Brombeeren auf diesen Flächen im Natura 2000 Gebiet sind scheinbar erhaltenswert, während vitaler Auwald an der Falschauer gerodet wurde. Die Rodung von Auwald stellt einen Verstoß gegen die FFH-Richtlinie dar und wäre einklagbar.
Auf die Hügel längs der Mebo wird vom Amt für Landschaftsöklogie nicht eingegangen und dieses Areal wurde und wird auch nicht untersucht oder überwacht. Im oberen Bereich des Natura 2000 Gebietes wurde Auwald revitalisiert bzw. gerodet, im unteren Bereich bei der Mündung der Falschauer in die Etsch wurden hingegen keine “Auenrenaturierungen” durchgeführt. Die Hügel dort hätten einer Renaturierung, im Klartext des Wegbaggerns, bedurft.
Der Dachverband für Natur-und Umweltschutz wurde über das Revitalisierungsdisaster an der Falschauer als einer der ersten informiert. Dieser reagierte mit einer Petition gegen die Rodung von Wäldern, der Forderung nach einem Gewässersschutzplan usw.
Andreas Riedl, der Geschäftsführer des Dachverbandes für Natur-und Umweltschutz, wurde zu den neuen Strafgesetzen zur Umweltverschmutzung und Umweltkriminalität interviewt. Im WIKU vom 22. Juli 2015 sagte er, dass ihm beim Erlass solcher Gesetzte oft der didaktische Aspekt fehle und es Aufgabe der Richter sei, die Fälle richtig einzuschätzen.
Von seiten Südtiroler Natur-und Umweltschutzvereine sind noch keine Fälle an die Gerichte herangetragen worden und der Dachverband für Natur-und Umweltschutz behandelt nur “Verfahrensfehler” und legt Rekurse ein. Die einzelnen Naturschutzvereine sind mit dem Zählen von Arten und Didaktik beschäftigt und auch die Arbeitsgemeinschaft für Vogelschutz-und Vogelkunde, welche die Patenschaft für das Natura 2000 Gebiet Falschauer hat, beschränkt sich vor allem auf das Erfassen von Vogelbeobachtungen.
Grundsätzlich gehört es auch nicht zu den Aufgaben von Naturschutzvereinen, Maßnahmen zum Schutz von Arten, Lebensräumen und Ökosystemen zu ergreifen. Die Zuständigkeit hierfür liegt bei der Autonomen Provinz Bozen und den zuständigen Abteilungen. Was die Verbesserung des öklogischen Zustands an Fließgewässern angeht, fließen direkt oder indirekt viele Millionen Euro jährlich in die Kassen der Abteilung Wasserschutzbauten.
Im Sinne der Wasserrahmenrichtlinie, welche eine Verbesserung des ökologischen Zustands zum Ziel hat, wäre die Entfernung des Müllbergs und der unnatürlichen Hügel eine geeignete Maßnahme zur Aufwertung des Gewässerlebensraums gewesen. Es wäre primäre Aufgabe der Abteilung Wasserschutzbauten gewesen, für die Entfernung des Müllberges zu sorgen, da diese mit der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie in Südtirol beauftragt ist und zahlreiche Arbeiten im Natura 2000 Gebiet durchgeführt hat.
Die Einrichtung der neuen Agentur für Bevölkerungsschutz durch Landesrat Schuler hat auch mit dem unsanierten Müllberg in der Falschauer zu tun. Die Oberhoheit der Wildbachverbauung über Südtirols Bäche und den ökologischen Zustand der Gewässer bringt für die Abteilung auch Gefahren mit sich, wenn etwa die Staatsanwaltschaft fragen würde, warum auf den Flächen des unsanierten Müllberges und auf den Hügeln längs der Mebo kein vitaler Auwald gedeiht.