Kultur | Salto Gespräch

Die stehengebliebene Zeit

Der Schauspieler Thomas Prenn war zur Projektion des Films Hochwald in Bozen. Ein Gespräch über Filme und die Schauspielerei, über Regisseure und wohin er gerne flüchtet.
Thomas Prenn
Foto: BFFB

salto.bz: Mit dem Film „Große Freiheit“ waren Sie vor kurzem beim Festival in Cannes dabei, für die Rolle des Mario im Film „Hochwald“ gab es den österreichischen Filmpreis für die beste männliche Hauptrolle. Alles in allem läuft es beruflich doch ganz gut, oder? 

Thomas Prenn: Ja, ich finde auch, dass es nicht schecht läuft. Das Problem bei meinem Job ist ja leider, dass man gerne glaubt, dass es immer besser laufen sollte. Vor diesem Gefühl versuche ich mich zu hüten. Vor der Unzufriedenheit. Und vor Neid.

Sie meinen den Neid anderer Schauspieler auf Ihre Erfolge?

Nicht nur auf mich bezogen, auch so generell. Man bekommt das irgendwie mit, ja. Vielleicht ist man auch für solche Dinge anfälliger, weil man ständig in dieser Bubble zu tun hat, also vor allem immer mit den Menschen der Branche. Deshalb bin ich auch immer wieder gerne hier, flüchte nach Toblach. Vor allem im Sommer.

Ich spiele eine liebliche Rolle, die etwas Unschuldiges hat, sie schwebt.

Was steht gerade an? Netflix? Tatort? Kino? Theater? 

Bis Juni habe ich in Wien für den Kinofilm Unter der Haut der Stadt mitgewirkt, wo ich erneut eine Hauptrolle spielen durfte. Der Film erzählt vom Wagnis, sich zu verlieben – man kann abheben und schweben, aber man kann eben auch abstürzen. Der Film wird sich wie ein Märchen erzählen. Mit dabei sind Verena Altenberger (A.d.R. Buhlschaft im Jedermann bei den Salzburger Festspielen 2021) und auch Margarethe Tiesel, die vielen aus dem Film Paradies Liebe von Ulrich Seidl bekannt sein wird. Es war ein wunderbarer Dreh, nach einem feinen Drehbuch. Ich spiele eine liebliche Rolle, die etwas Unschuldiges hat, sie schwebt.

Schwebezustände können Sie ja ebenso gut vermitteln wie depressive Unrast. Woher kommt diese Fähigkeit, komplexe und extreme Charaktere, bestimmt und mit Feingefühl zu spielen?

Ich denke das kommt vom Schauen und Beobachten, das ich gerne mache. Ich habe zwar die Ausbildung an der Schauspielschule gemacht, aber da lernt man vor allem das Handwerk und bekommt Klarheit – Dinge die natürlich wichtig sind. Aber dieses Schwebende, dieses Unklare, dieses Ambivalente bei mir kommt wohl auch aus jener Zeit, als ich mit 19 Jahren nach Berlin ging. Ich kannte kaum jemanden und ging sehr viel allein ins Kino. Das war sehr wichtig für mich und ich hatte einfach Lust viele Filme zu schauen.

 

Gibt’s cineastische Schlüsselerlebnisse, die Sie bis heute prägen?

Ein Schlüsselerlebnis war auf jeden Fall der Film Lazzaro Felice von Alice Rohrwacher. Da ging ich aus dem Kino und habe mich ganz anders gefühlt. Ebenso beim Film Burning des südkoreanischen Regisseurs Lee Chang-dong.

Was hat Sie bei diesen Filmen eher beeindruckt. Die schauspielerische Leistung oder der Plot? 

Beides. Aber natürlich beobachte ich die schauspielerischen Leistungen sehr gerne.

Ich habe mir vorgenommen, mir in Zukunft, auch mehr Zeit für mich oder andere schöne Sachen zu nehmen. 

Beim Film „Große Freiheit“ geben Sie die Figur Oskar. Ist dieser Name auch Berufsziel?

Ha, nicht wirklich, so wie man das meinen möchte. Die Welt jenseits des großen Meeres ist mir noch unbekannt. Ich war noch nie in den USA. Vor kurzem in Cannes aber, da saß Matt Damon im Kino hinter mir. Und ich war in der Premiere von Sean Penn. Das hat schon etwas Eigenartiges. Die sind ja so was wie die Helden meiner Jugend. Da begegnet man diesen Stars und auch seiner Jugend. 

Und das Theater? Sie sind noch beim Badischen Staatstheater in Karlsruhe?

Ich hatte im Februar 2019 meine letzte Theatervorstellung. Dann kam Corona. Im Moment hab ich in Sachen Schauspielerei am Theater nicht wirklich einen festen Plan. 

Zurück zum Film: Welche Regiehinweise haben Sie rückblickend am meisten geprägt? 

Beim letzten Film war das der Regisseur Chris Raiber, der ist wie ein Dirigent und führt regelrecht musikalisch durch das Bild. Auch an einen Hinweis von der Regisseurin Evi Romen bei Hochwald kann ich mich gut erinnern. Sie meinte nämlich: „Sag diesen Satz so, wie wenn du ihn als Thomas sagen würdest.“

Und wie sind Ihre Erinnerungen an Regisseur Volker Schlöndorff, und an die Dreharbeiten zum Film „Der namenlose Tag“? 

Das war eine glückliche Begegnung. Das war ja noch während meiner Ausbildung und gleichzeitig auch meine erste Rolle für das deutsche Fernsehen. Ich hatte zwar nur vier Drehtage bei diesem Film, aber Volker Schlöndorff war wirklich sehr aufmerksam und entgegenkommend, erzählte mir von früher und nahm sich viel Zeit.

Hat er Ihnen auch von den Dreharbeiten zu „Übernachtung in Tirol“ erzählt, einen Film den er Anfang der 1970er Jahre in Südtirol gedreht hat?

Nein. Das wußte ich nicht. Darüber haben wir nicht geredet…

Interessant ist, dass die Hauptdarstellerin dieses Films, seine damalige Frau Margarethe von Trotta, in diesen Jahren zum Regie-Fach wechselt. Könnten auch Sie sich das einmal vorstellen, auf der anderen Seite der Kamera zu stehen?

Der Gedanke war da, ja. Aber auch der Gedanke, dass diese Aufgabe wohl viel zu groß für mich wäre. Aber die Lust zu bestimmen, welchen Weg ein Film nimmt, die ist da. Vielleicht ergibt sich irgendwann etwas.

 

Sie sind – wie man in Südtirol sagt – ein „Buggler“, das ist zwar noch kein Workaholic, aber immerhin ein Mensch der sehr viel arbeitet...

Manchmal schon, ja. Ich bin aber auch gut im Nichts tun. Man muss in meiner Branche echt aufpassen, dass es nicht zu viel wird. Ich habe mir vorgenommen, mir in Zukunft, auch mehr Zeit für mich oder andere schöne Sachen zu nehmen. 

Das unruhige Berufsleben als Schauspieler kompensieren Sie an Ihrem Heimatort Toblach?

Die Berge der Dolomiten sind tatsächlich die beste Kulisse. Ich bin gerne hier, weniger im Winter, vielmehr hingegen im Sommer, zum Klettern, Tischtennisspielen mit meinem kleinen Bruder oder einfach in den Wald zu gehen.

In die Hochwälder?

Ja, aber nicht um dort Pilze zu sammeln. Ich sehe sie nicht, oder will sie nicht sehen.

Bleiben wir noch kurz im/bei Hochwald. Die Rolle des Mario – so sagt man – wäre Ihnen irgendwie auf den Leib geschrieben worden. Stimmt das?

Na ja, das weiß ich nicht genau. Was man hingegen sagen kann, es war sehr viel Arbeit um diese Rolle zu spielen.

Gibt es Typisches der Hochwald-Figur Mario, das sich auch bei Thomas Prenn findet? 

Das Nachhausekommen an Feiertagen, und das Treffen alter Freunde. Man wird dabei zurückgeworfen in eine ursprüngliche Rolle, die eben ein paar Jahre zurückliegt und gleichgeblieben ist. Man hat dann den Eindruck, die Zeit wäre stehengeblieben. Ich genieße das auch.