Politik | Wahl in Österreich

Die wunderbare Sebastian-Kurz Show

Der 31-jährige Außenminister könnte bald Kanzler von Österreich werden: Was das für das Land bedeutet weiß niemand. Eine Annäherung.
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Kurz
Foto: upi

Sebastian Kurz ist schwer zu fassen. Von allen wurde er unterschätzt: Bei seinem Antritt als Integrationsstaatssekretär mit 24 Jahren warteten Medienvertreter und Beobachter nur auf einen Fehler. Der kam nicht. Auch als er im zarten Alter von 27 Jahren als Außenminister angelobt wurde, prophezeite man dem Studienabbrecher peinliche Ausrutscher auf dem glatten internationale Parkett der Diplomatie. Auch sie bleiben aus. Mittlerweile sind Spott und Häme über das Alter des konservativen Politikers verstummt. Im Gegenteil der Großteil der österreichischen Medienlandschaft liegt dem nunmehr 31-jährigen Außenminister förmlich zu Füßen. In Umfragen ist er seit langem der weitaus beliebteste Politiker und jede Attacke der erfahrenen politischen Gegner scheint an ihm abzuprallen. Doch was ist das Geheimnis des Erfolges von Sebastian Kurz?

Seine politische Agenda lässt sich nur in zwei Worten zusammenfassen: Sebastian Kurz.

Dass politische Inhalte und Visionen für den jungen Wiener der Eigen-PR in jedem Fall untergeordnet werden, ist für jeden aufmerksamen Beobachter klar erkennbar. Daher verwundert es umso mehr, warum Kurz in der ÖVP aber auch weit darüber hinaus wie ein schwarzer Messias gefeiert wird. 

Dank seines großen rhetorischen Talents und der gezielten Medienstrategie seines Teams, die nichts dem Zufall überlässt, schafft er es wie wenige Politiker glaubwürdig und konsequent zu wirken, auch wenn er in manchen Bereichen seine Haltung innerhalb weniger Jahre um 180 Grad gedreht hat, wie bei der Integrationspolitik - Stichwort Burkaverbot. 2014 hatte sich der Außenminister noch klar gegen ein Verbot der Vollverschleierung ausgesprochen, 2016 setzte er das Verbot durch.

Trotzdem gelingt es Kurz im Gegensatz zu den meisten anderen Politikern als glaubwürdig wahrgenommen zu werden. Anderes Kunststück: Vor wenigen Wochen härtere Strafen für Gewalttäter zu fordern und dafür Beifall zu ernten. Dabei besetzt seine eigene Partei seit Jahren das Justizministerium und hat erst vergangenes Jahr eine Strafrechtsreform zur Verschärfung von Gewaltdelikten beschlossen. 

Sein größtes Talent ist wohl das analytische Gespür für Themen und Stimmungen. Dabei erfindet er nichts neu, sondern nimmt Dinge auf, die bereits am Horizont erkennbar sind. So geschehen bei der Flüchtlingspolitik, wo Kurz als erster eine Wende in der Einwanderungspolitik forderte und zunächst Kritik erntete. Mittlerweile wird seine Haltung von der Mehrheit geteilt. Ebenso bei der Kritik an den NGOs, die im Mittelmeer Flüchtlinge retten. Kurz erntete viel Kritik, als er die zuvor von der EU-Grenzschutzagentur Frontex bereits geäußerte Kritik der Rettungseinsätze bewusst in provokanter Form (er sprach von „NGO-Wahnsinn“) übernahm. Auch mit seiner scharfen Haltung gegenüber der Türkei stand er zunächst allein da, heute fordert sogar der sozialdemokratische deutsche Kanzlerkandidat Martin Schulz einen Abbruch der Beitrittsverhandlungen.

Dazu kommt eine für Einzelkämpfer wie ihn ungewöhnlich hohe soziale Fähigkeit. Jedem Gesprächspartner, ob Unternehmensboss oder Friseurin gelingt es Kurz, das Gefühl zu vermitteln, dass er auf Augenhöhe zuhört und sich wirklich interessiert was der/die andere zu sagen hat. Hinzu kommt sein geschickter Umgang mit den Journalisten der wichtigsten (Boulevard)-Medien des Landes. Nachdem alle von einem Jung-ÖVP-Politiker (Stichwort Geil-o-mobil) eine arroganten Schnösel erwartet hatten, löste auch sein betont bescheidenes, lockeres Auftreten - er fliegt nur Economy-Class - in „Kronenzeitung“ und Co. unzählige Jubelartikel aus. Mittlerweile trommelt die mächtige „Krone“, die zunächst durchaus Sympathien für den roten Kanzler Christian Kern gezeigt hattte, im Wahlkampf gänzlich unverhohlen für eine „Kurz-Wende“. 

Wie akribisch geplant sein politischer Aufstieg von Anfang an geplant war, zeigte sich nach dem Rücktritt von ÖVP-Parteichef Reinhold Mitterlehner. Während die Mehrheit der Beobachter sich „überrascht“ über dem Rückzug zeigte und argumentierte die Übernahme komme für den seit langem Auserkorenen Kronprinzen Sebastian Kurz strategisch zu früh, zog dieser bereits seinen fixfertigen Plan zur Umgestaltung der Volkspartei aus der Schublade. Alles war perfekt vorbereitet, weshalb Zweifel berechtigt sind, ob der geschickte Strippenzieher den Zeitpunkt nicht exakt so vorgesehen hatte: Nur wenige Tage nach dem „überraschenden“ Handtuch-Werfen Mitterlehners ging bereits die Webseite im neuen türkisen Design der innerhalb kurzer Zeit übernommenen ÖVP online.

Zum Teil zurecht wird Kurz also als großes politisches Ausnahmetalent gefeiert. Gemeint ist damit aber offenbar nichts anderes als ein gewiefter Taktiker, der seine Fähigkeit geschickt zugunsten seiner Person und damit meist auch zugunsten seiner Partei einsetzt. Was aber bedeutet das für das Land, wo sind seine politischen Visionen für die Zukunft Europas oder Österreichs? Sie sind nicht bekannt, keiner kann wirklich sagen, in welche Richtung das Land nach der Angelobung des gehen wird.

Vom flammenden Pro-Europäer zum nationalen Polterer, vom konstruktiven Integrationspolitiker zum Rechtsaußeneinpeitscher, alle diese widersprüchlichen Gesichter hat Kurz uns bereits gezeigt. Gegenüber dem türkischen Präsidenten Erdogan gibt er sich als Verfechter von Rechtsstaat und Demokratie, bei den rechtsnationalen Regierungen in Ungarn und Polen scheinen ihn autokratische Tendenzen nicht zu stören. Im Wahlkampf spielt er geschickt auf der nationalistischen Klaviatur und ist dafür bereit, auch langjährige gute Beziehungen zu Nachbarländern wie Italien zu schädigen.

Dass ihm bei seinem fulminanten Aufstieg Richtung Kanzleramt jedes Mittel recht ist, zeigt besonders anschaulich die frisierte Studie über islamische Kindergärten in Wien. Wie die Wiener Stadtzeitung „Falter“ im Sommer aufdeckte, wurden Teile der vielzitierten Studie eines Religionswissenschaftler von Mitarbeitern des Außenministeriums inhaltlich umgeschrieben, Formulierungen verschärft, sodass ein deutlich negativeres Bild der Einrichtungen entstand. Positive Anmerkungen über die muslimischen Eltern und Pädagogen wurden gestrichen und dahingehend geändert, dass diese eine Abgrenzung der Kinder von der Mehrheitsgesellschaft wollten. Bewusst wurden also Tatsachen verdreht, um eine negative Grundstimmung gegen Muslime in Österreich zu schüren.

Allein dies zeigt, dass dieser Mann auf dem Weg zu Macht bereit ist, Grenzen zu überschreiten, die  das Land und seine Gesellschaft langfristig schädigen könnten. Düstere Zeiten kommen auf Österreich zu!