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„Hobby, das Kreativität fördert“

In Südtirol ist Cosplay recht neu. Gespräch mit Anna Pintarelli, Cosplayerin und Grafikerin des „Festival dei sogni e del fumetto“ das morgen in der Bozner Messe startet.
Schlüpft in die Rolle einer Anime-Figur: Anna Pintarelli als Masako aus der Serie „Mawaru Penguindrum“, in der es um Pinguine und übernatürliche Kräfte geht.
Foto: Macaria
Schlüpft in die Rolle einer Anime-Figur: Anna Pintarelli als Masako aus der Serie „Mawaru Penguindrum“, in der es um Pinguine und übernatürliche Kräfte geht.
Schlüpft in die Rolle einer Anime-Figur: Anna Pintarelli als Masako aus der Serie „Mawaru Penguindrum“, in der es um Pinguine und übernatürliche Kräfte geht. Foto: Macaria
 
Cosplay ist eine Bewegung, die aus Japan stammt und auch weltweit immer mehr Anklang findet. Der Begriff leitet sich von einem Kofferwort ab, das die Worte „Costume“ (Kostüm) und „play“ (spielen) kombiniert. Gemeint ist der Versuch sich – oft auf Messen oder anderen sozialen Veranstaltungen – einer fiktiven Figur aus Medien, typischerweise der Pop-Kultur wie etwa aus (japanischen) Animationsfilmen (Anime) oder Comics (Manga), aber auch aus Videospielen, sowie anderen Filmen und Serien anzunähern. Neben dem passenden Kostüm gehört dazu zum Teil auch das Einstudieren von Gesten, Posen, Manierismen oder bestimmten Sätzen der gewählten Figur. Wir haben die Boznerin und leidenschaftliche Cosplayerin Anna Pintarelli zu ihrem Hobby gesprochen. Sie ist es auch, die für Grafiken, Maskottchen und Zeichnungen in und um das Festival an diesem Samstag und Sonntag verantwortlich zeichnet.
 
Salto.bz: Frau Pintarelli, wie viel Zeit und Geld stecken in einem Cosplay mit dem Sie zufrieden sind? Setzen Sie sich, bevor es an die Umsetzung geht, ein Limit?
 
Anna Pintarelli: Ich muss da unterscheiden: Im Cosplay gibt es nicht nur Personen, die ihr Kostüm selbst gestalten. Cosplay kann auch von Personen gemacht werden, die, wie es bei mir der Fall ist, es einfach nur lieben in Figuren zu schlüpfen, die einer Vorstellungswelt entspringen, der wir folgen und die uns gefällt. Es kann auch durch Make-Up oder das Nachstellen kleiner Szenen Cosplay gemacht werden. In meinem Fall lasse ich andere, die darauf spezialisiert sind, mein Kostüm anfertigen. Bei mir ist es also mehr eine Frage des Budgets als der Zeit. Die Zeit, die ich investiere ist vergleichsweise gering. Was das Budget anbelangt versuche ich mir Grenzen zu setzen, die dürfen aber nie das schmälern, was ich erreichen will. Da verzichte ich lieber auf die Darstellung einer bestimmten Figur, wenn das zu viel kosten würde, als dass ich etwas anziehe, das mir keine Freude bereitet.
 
Ist für Sie Cosplay mehr eine Form des Eskapismus, der Flucht aus dem Alltag oder steht die Zugehörigkeit zu einer Community mit geteilten Interessen im Vordergrund?
 
Mir gefällt diese Vorstellung nicht, sich durch das Cosplay vom tagtäglichen Leben absondern zu wollen. Die Mehrheit der Cosplayer:innen sind sich bewusst, dass es nicht darum gehen soll, sondern mehr darum einer Gemeinschaft anzugehören. Ich habe bereits 2011 auf „Luca Comics” mit diesem Hobby angefangen, und mir gefällt daran sehr, dass man Gruppen findet, welche zu ein und dem selben „Universum“ gehören. Man vernetzt sich und knüpft auch auf Distanz Freundschaften, da man sich an verschiedenen Orten in Italien wiedersieht und die Freundschaft immer wieder vor Ort auf Veranstaltungen auffrischen kann, wenn man über das gemeinsame Hobby spricht.
 
Hornet, Hollow Knight: Anna Pintarelli
Hornet, Hollow Knight: Anna Pintarelli interpretiert die Käfer-Kriegerin Hornet aus dem Kult-Spiel „Hollow Knight” als sogenannte Gijinka-Version, sprich in menschlicher Abwandlung. Kostüm: Veltunma; Foto: Alex Trojer
 
Auf „Luca Comics” rechnet man mit Cosplay, in der Messe Bozen wohl weniger. Wie jung ist die Cosplay-Szene in der Region und welche Größe hat sie?
 
Die Cosplay Szene im Trentino und in Südtirol ist nicht so groß wie in anderen nahen Regionen, wie etwa im Veneto. Sicherlich ist der Anteil an Personen für die das ein Hobby oder auch ein Beruf ist wesentlich geringer als in anderen Regionen. Das spürt man.
Kürzlich war ich aber auf der Pergine Comics, wo sich viele junge Teilnehmer:innen dem Cosplay-Wettbewerb gestellt haben, was mich für die Zukunft hoffnungsvoll stimmt, dass ein gewisser Widerstand gegen Nischenkultur verschwindet. In meiner Stadt gibt es mehr Schamgefühl wenn es darum geht, offen Cosplay zu tragen. Das nimmt langsam ab. Auf Netflix feiern Serien Erfolge, denen Mangas zu Grunde liegen und Manga und Anime sind auch die am stärksten im Cosplay repräsentierten Felder, auch wenn es nicht darauf beschränkt ist. Es gibt auch Figuren aus Filmen, Videospielen, Comics und manchmal auch aus dem Theater. Viele junge Cosplayer:innen zu sehen lässt mich hoffen für dieses Hobby, das Kreativität fördert und auch helfen kann – wie in meinem Fall – Schüchternheit zu überwinden. Das Cosplay hilft dabei, Seiten an sich zu entdecken, von denen man zuvor nichts wusste, wenn man etwa eine Figur spielt, die ganz anders ist als man selbst.
 
Spielt in der Region und Italien die Sexualisierung von Cosplay eine Rolle oder ist dieses Problem eher außerhalb anzutreffen?
 
Ich denke, das Problem ist auf die gleiche Weise präsent, wie wenn ein Mann ans Meer fährt und sich von einer Frau angezogen fühlt, die er am Strand sieht. Wenn er sie sexualisieren möchte, dann wird er das machen, unabhängig davon, was für einen Bikini oder Badeanzug sie trägt. Wegen bestimmter Ereignisse in der Vergangenheit ist es mir wichtig zu betonen, dass es nicht die Kleidung ist, die jemanden dazu bringt übergriffig zu werden. Nicht alle Figuren in Mangas oder Animes sind gleich sexualisiert, das Panorama ist da ein sehr weites. Wenn eine Figur so geschaffen ist oder sie jemand auf diese Weise interpretieren möchte, dann ist das sein volles Recht, meiner Meinung nach. Und wenn das dann jemand böswillig auffassen möchte, dann geht das von dieser Person aus. Deshalb wird beim Cosplay immer wieder an „Cosplay is not Consent“ (Cosplay ist keine Zustimmung zu sexuellen Handlungen) erinnert. Wenn ich für ein Cosplay wenig anhabe, dann heißt das nicht, dass jemand die Hand ausstrecken darf um mich zu berühren. Die Grenzen sollten in jedem Kontext dieselben sein.
 
Schaut man auf Ihrem Twitter Profil vorbei, dann ist dort in letzter Zeit die Anime-Serie „Utena. Revolutionary Girl“ von 1999 sehr stark präsent, die unter den Animes als ein Meilenstein in Sachen LGBTQ-Repräsentanz gilt. Was ist für Sie ansprechend an dieser Serie?
 
Es ist ein Anime, den ich, auch wenn er ein gewisses Alter hat, erst vor recht kurzer Zeit über „Steven Universe“, ein anderes, jüngeres Werk, entdeckt habe, in dem LGBTQ-Thematiken unter anderem auch eine große Rolle spielen und zu dem ich auch sehr gern Cosplay mache. Da einige Szenen in Steven Universe an „Utena“ angelehnt sind und mir eine Freundin die Serie wärmstens empfohlen hat, hatte ich Lust mir sie anzusehen. Ich habe mich in die Serie verliebt, da sie eine Botschaft der Toleranz hat, die ich vollen Herzens teile. Es gefällt mir zu etwas dazu zu gehören, das es aktuell ganz stark braucht.
 
Eclipsa, Star vs. the forces of evil: Anna Pintarelli
Eclipsa, „Star vs. The Forces Of Evil“: Die Boznerin als Cartoon Figur, die Rosen und Heavy Metal mag. Foto: Martina Brui
 
Repräsentanz von People of Color gibt es in Mangas und Anime recht wenig. Sind PoC dennoch in der Cosplay-Community vertreten und wie offen und inklusiv ist diese?
 
Ich denke, alle können Teil der Cosplay Szene sein. Wir dürfen uns Cosplay nicht als eine Welt vorstellen, die nur aus schönen weißen Menschen besteht, denen Cartoons gefallen. Leider gibt es oft unter einigen Posts intollerante Kommentare. Es gibt aber viele People of Color im Cosplay etwa auch auf TicToc, wo sie gerade deshalb bekannt geworden sind, weil sie in Rollen schlüpfen, die nicht dieselbe Hautfarbe haben wie sie. Genau diese Charakteristik wird ihre Eigenheit. Sie sind wunderschön und unglaublich talentiert darin, sich zu schminken und ich folge einigen auch sehr gern online. Ich denke, von Ausnahmen abgesehen, ist Cosplay eine Welt, die für Inklusivität steht.
 
Letzte Frage: Für welches Cosplay haben Sie sich beim „Festival dei Sogni e del Fumetto“ entschieden und aus welchem Grund?
 
Ich werde eine Figur aus einem Manga und Anime, „Chainsaw Man“ als Cosplay mitbringen. Es handelt sich bei der Serie um eine der erfolgreichsten der letzten Zeit. Ich habe mich im Speziellen für diese Figur entschieden, weil ich mich zusammen mit einer Cosplayerin auf der Pergine Comics gefragt habe: Warum nicht eine kleine Gruppe von Cosplayer:innen bilden, die dasselbe machen? Ich weiß nicht, ob es klappen wird, man wird sehen. Wir haben es jedenfalls über eine Cosplay-Gruppe geteilt und hoffen, dass wir Menschen finden, die mitmachen.
 
Info:
 
„Festival dei Sogni e del Fumetto“ Homepage: https://www.festivaldeisogniedelfumetto.it/
„Festival dei Sogni e del Fumetto“ Facebook-Event: https://www.facebook.com/festivaldeisogniedelfumetto
 
Festival der Träume und der Comics
Die offizielle Grafik zum Festival „Festival der Träume und der Comics“ hat die Boznerin gestaltet: Unter Cosplayer:innen ist die Dichte kreativer Personen hoch. Grafik/Zeichnung: Anna Pintarelli