Nicht gerade das Bernsteinzimmer
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Es soll Rolling Stones-Verehrer (pardon, fasst hätte ich geschrieben: Fans) geben, die ihren Idolen um die halbe Welt nachreisen, nur um sie einmal auf der Bühne zu erleben. Früher rettete ein aufblasbarer Penis die meist seelenlosen Auftritte, heute muss eine Lightshow herhalten. Wer davon immer noch nicht genug hat, schaut sich die Stones im Museum an; seit einem guten Jahrzehnt auch an einem Ort, in dem man eine solche Einrichtung nicht unbedingt erwarten würde: in der Kleinstadt Lüchow im ostniedersächsischen Wendland.
Als letzte Etappe, bevor es ins kleinste Hochgebirge der Welt geht, in die Tatra, bietet sich Stará Ľubovňa an.
Noch weiter nach Osten und noch tiefer in die Provinz geht es, will man sich an eine andere wahrhaft mystische Rolling Stones-Erinnerungsstätte begeben: Ähnlich dem zwischen Kołobrzeg und Kaliningrad (für die älteren Leser: Kol- und Königsberg) seit dem Untergang des Nazireichs vermuteten, auf den To-Do-Listen von Gurus und Glücksrittern, ewig Gestrigen und eifrigen Geldquellenabschöpfern bis heute ganz oben stehenden Bernsteinzimmer schlummerte auch das Jagger-Zimmer lange vor sich hin – bis es der Schreiber dieser Zeilen auf einer seiner Irrfahrten durch slowakische Bergwälder unversehens entdeckte. Und das kam so:
Als letzte Etappe, bevor es ins kleinste Hochgebirge der Welt geht, in die Tatra, bietet sich Stará Ľubovňa an. Der Ort ist um die Hälfte größer als Lüchow (wen’s interessiert: 15.500 Einwohner zu 9.500), dafür mindestens doppelt so langweilig. Immerhin gibt es Ausreißer nach oben: Während meines Besuchs in der einzigen nach 22 Uhr geöffneten Kneipe gab jemand aus der Gästeschar, des Deutschen eigentlich nicht mächtig, Zehn kleine Jägermeister der Toten Hosen, die eigentlich niemals so werden wollten wie die Stones, zum Besten, und das, um das Adverb ein drittes Mal zu bemühen, eigentlich ganz gut, zumal spontan und a capella. Aber ich schweife ab … -
Stará Ľubovňa liegt mindestens so malerisch vor den Bergen wie Lüchow flach im Wendland, ist aber mehr Verheißung als Augenweide. Eine der Verheißungen beispielsweise ist der untere Teil der Fußgängerzone. Sie zu erreichen wird, von oben, von Norden kommend, durch die Hauptdurchgangsstraße erschwert. Das Hindernis ist – da wären wir wieder beim Adverb – eigentlich kaum vorhanden, zumal die Fahrbahnbreite architekturbedingt (es gibt an dieser Stelle ein paar schöne Gebäude) keine drei Meter beträgt. Wer nun die verführerische Passage ohne grünes Signal auf sich nehmen möchte, sollte wissen, dass kurz hinter dem rettenden Straßenufer ein Polizist lauert, der einem für den Verkehrsfrevel zehn Euro abnimmt; zumindest wenn man zur Minderheit der Roma oder auch der Touristen gehört.
Hat man es jedoch geschafft, andere diesen Fehler begehen zu lassen, bietet sich nach geglückter Querung die Gelegenheit, unbeschwert in das leicht vergammelte Flair des Námestie Svatá Mikuláša, des zentralen Platzes von Stará Ľubovňa, abzutauchen. Leider gibt es auch, und jetzt nähern wir uns wieder dem Jagger-Zimmer, Ausreißer nach unten.
...wie hätte ein Keith Richards nach überstandenem Konzert den verwinkelten Weg in die dritte Etage finden sollen...
Einer davon ist das Hotel U Jeleňa, keine hundert Meter entfernt. Der erste Anblick jagt dem Begaffer ähnliche Schauer über den Rücken wie dem Verkehrsdelinquenten die Erscheinung einer polizeiuniformierten Sphinx nach begangener Ordnungswidrigkeit. Wurde hier Hostel gedreht? Joking apart, ganz so gruselig wie der ebenfalls in der Slowakei angesiedelte Schauplatz mehrerer Torture Porns ist es nun wieder auch nicht. Doch hat das Ungetüm definitiv schon bessere Zeiten gesehen, wenn auch lange vor der Zeit, als die Stones in Bratislava aufgetreten sind.
Die Wartezeit, bis sich im U Jeleňa jemand durchs verschlungene Treppenhaus herunter an die Rezeption bequemt, überbrückt man am besten mit dem Studium der gar nicht mal so uninteressant ausstaffierten Wände. Und dann – bam! – flasht es plötzlich vor dem zu nicht allzu fortgeschrittener Tageszeit noch nicht allzu getrübten Betrachterauge auf: das Schild mit der Aufschrift, man mag es kaum glauben: Jagger-Zimmer!!!
Auf meine Frage, ob ich mir das Zimmer einmal ansehen dürfe, rückte der Rezeptionist bereitwillig den Schlüssel heraus und von seiner kulanten (oder doch eher indifferenten?) Haltung auch dann keinen Fingerbreit ab, als ich präzisierte, ich wolle mir nicht irgendein Zimmer anschauen, sondern dasjenige, das auf einem hölzernen Hinweisschild, auf ein oberes Stockwerk deutend, werbend angepriesen wurde.
In der Nacht träumte ich vom Besuch eines Stones-Konzerts, 1982 in Köln...
Zuvor hatte ich mich noch erkundigt, ob die Stones jemals in dem Hotel abgestiegen waren. Entweder wurde meine Frage nicht verstanden oder ihre Antwort zwecks Offensichtlichkeit a priori verworfen, denn wie hätte ein Keith Richards nach überstandenem Konzert den verwinkelten Weg in die dritte Etage finden sollen, selbst bevor ihm nach unfreiwilligem Schlaf im Palmenhain eine herabfallende Kokosnuss endgültig die Orientierung vernebelt hatte?
Das Jagger-Zimmer (Lüchow kann aufatmen!) war dann auch eine einzige Enttäuschung. Nachdem ich erwartungsvoll den Schlüssel gedreht und der Tür einen kräftigen Stoß gegeben hatte, prangte mir eine Devotionaliensammlung entgegen, die den Stones nun wirklich nicht gerecht wurde. Der Name des Hotels hätte mich misstrauisch machen sollen – jelen bedeutet Hirsch – und so starrten mir von der Wand nicht etwa die Konterfeis noch nicht übermäßig gealterter, in realen und imaginierten Rockjugenden heraufbeschworener Helden, sondern die behörnten Köpfe Dutzender frühzeitig aus dem Leben geschiedener Damhirsche und Rehböcke an.
Ich wählte dann doch ein anderes Zimmer. In der Nacht träumte ich vom Besuch eines Stones-Konzerts, 1982 in Köln, das eigentlich (schon wieder dieses Adverb; ich verspreche, es künftig nicht mehr zu benutzen, wie ich auch versprochen habe, mir die Stones nicht mehr anzuschauen) zum Vergessen war.
Blieb mir noch, mich vom Hotelpersonal zu verabschieden. Dies geschah nicht ohne ein Gefühl der Dankbarkeit. Hat mir der Aufenthalt im U Jeleňa doch eine neue Aufgabe beschert: Ich bin jetzt auf der Suche nach dem Richards-Zimmer.Lesereise Ralf Höller12.09.2024
Die Bauernkriege 1525/26
Pressekonferenz
Pressekonferenz mit Autor Ralf Höller mit Begrüßung durch Rossella Ioppi.
Ort: Staatsarchiv Bozen | Armando-Diaz-Straße 8, 39100 Bozen
Zeit: 11:00 Uhr12.09.2024
Die Bauernkriege 1525/26
Buchpräsentation und Gespräch
Buchpräsentation und Gespräch mit Autor Ralf Höller.
Begrüßung der Teßmann durch Johannes Andresen und Martha Verdorfer, stellvertretende Vorsitzende der Michael-Gaismair-Gesellschaft
Moderation: Roland Sila, Leiter der Bibliothek des Ferdinandeums
In Zusammenarbeit mit dem Südtiroler Landesarchiv und dem Tiroler Geschichtsverein Bozen.
Ort: Landesbibliothek „Dr. Friedrich Teßmann“ | A.-Diaz-Straße 8, 39100 Bozen
Zeit: 20:00 Uhr13.09.2024
Die Bauernkriege 1525/26
Buchpräsentation und Gespräch
Autor Ralf Höller im Gespräch mit Hans Heiss; in Zusammenarbeit mit heimatBrixen
Ort: Stadtbibliothek Brixen | Domplatz 4, 39042 Brixen
Zeit: 19:00 Uhr18.09.2024
Die Bauernkriege 1525/26
Buchpräsentation und Gespräch
Autor Ralf Höller im Gespräch mit Andreas Oberhofer
Ort: Stadtbibliothek Bruneck | Enrico-Fermi-Straße 6, 39031 Bruneck
Zeit: 18:30 Uhr19.09.2024
Die Bauernkriege 1525/26
Buchpräsentation und Gespräch
Autor Ralf Höller im Gespräch mit Leopold Steurer und Mirko Frainer, Special Guests: Christine Perri und Evi Unterthiner - teatroZAPPAtheater
Moderation: Sonja Steger
Ort: Ost West Club Est Ovest (Ex-Bersaglio) | Schwimmbadstraße 2A, 39012 Meran
Zeit: 19:30 UhrWeitere Artikel zum Thema
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