„Das ist reine Provokation“
Protest ohne Ende beim Transportunternehmen SAD. Bereits um 9 Uhr morgens marschieren Busfahrer und Gewerkschafter aller Bünde am Donnerstag zu einer gemeinsamen Kundgebung vor dem Südtiroler Landtag auf. „Busfahrer sind keine Roboter“, lautete einer der Slogans, den ein Busfahrer und Familienvater vor sich her trug. Mit Lohnzetteln und Turnusplänen in der Hand versuchten die Fachgewerkschaften die Behauptungen der Unternehmensspitze zu widerlegen, die ihre Klagen erst am Mittwoch Abend als mehr oder weniger gegenstandslos abgetan hatte. „Die Busfahrer sollen aufhören zu jammern, schließlich sind sie im Vergleich zum restlichen Italien mit Nettogehältern von mindestens 1900 Euro ohnehin überbezahlt“, hatte SAD-Generaldirektor Mariano Claudio Vettori verlauten lassen. „Das ist nicht mehr als eine reine Provokation“, widersprachen die Sekretäre der Fachwerkgewerkschaften im ASGB und SGB/Cisl Richard Goller und Pepi Ploner. Gerade einmal auf 1670 Euro netto käme ein Busfahrer in der höchsten Einstufung nach 21 Jahren im Dienst, belegten sie anhand eines Lohnzettels.
Auch bei der Dauer der Turnusse und den oft beklagten nicht-bezahlten Pausen zwischen den Fahrten stehen sich die Behauptungen von Generaldirektion und Angestellten diametral gegenüber. „Von 61.234 Turnussen im Jahr übersteigen nur 5315 die 12 Stunden – und gerade einmal 426 15 Stunden“, argumentiert der SAD-Generaldirektor. Die Pausen innerhalb der Turnusse werden laut Vettori wiederum ohnehin großteils am Unternehmenssitz gemacht, weshalb die Fahrer in der Zeit nach Hause gehen könnten. Wenn nicht, würden sie zumindest teilweise entlohnt – und zwar auch in dem Fall über dem staatlichen Schnitt. „Alles nicht wahr“, sagen die Gewerkschaftsvertreter. Bis zu 5 Stunden müssten sie oft „in der Pampa“ bis zu nächsten Fahrt warten. „Und wenn man sich die Zahlen der Direktion ansieht, wird klar, dass fast jeder 10. Dienst länger als 12 Stunden dauert“, meinte Pepi Ploner.
Für die Gewerkschaften ist klar, dass die Toleranzschwelle nun langsam überschritten ist. Die laufenden Streiks würde sowohl die Fahrgäste als auch das SAD-Personal selbst belasten. Nachdem von der Unternehmensleitung nur Drohungen statt Einsicht und die geforderte neue Gesprächskultur kommen würden, forderten die Arbeitnehmervertreter am Donnerstag vor dem Landtag ein politisches Einschreiten in der Causa. „Die Politik ist schließlich Auftraggeber der SAD und ein großer Teil der Leistungen wird über Steuergelder finanziert“, meinte ASGB-Mann Goller. Umso gefragter sei nun ein politisches Mahnwort in der verfahrenen Situation. „Wir können nur sagen: Unter diesen Arbeitsbedingungen kann auch die Sicherheit der Fahrgäste nicht mehr gewährleistet werden, denn die Fahrer sind müde“, so die Arbeitnehmervertreter.
Enttäuschter Gatterer
Eine Warnung, für die auch SAD-Mehrheitseigentümer Ingemar Gatterer in der Vergangenheit wenig Verständnis gezeigt hatte. Der Pusterer Unternehmer schrieb sich vielmehr in einem offenen Brief seine Entrüstung über die definitive Ablehnung seines PPP-Projekts durch die Landesregierung vom Leib. „Ein gewichtiger Fehler“ sei Kompatscher & Co damit unterlaufen, so Gatterers Kritk. Die Entscheidung für eine alternative Vergabeform für die Konzessionen für außerstädtische Buslinien bringe nicht nur das Risiko von Rekursen mit sich. Gatterer wiederholte auch seine Warnung, dass damit auch in Südtirol der öffentliche Nahverkehr in die Hand internationaler Konzerne zu fallen drohe. In dem Fall hätten die Busfahrern dann tatsächlich Grund zu jammern, unterstrich SAD-Generaldirektor Vettori in seinem Schreiben: Denn diese würden nur den gesamtstaatlichen Tarifvertrag anwenden, womit die Fahrer 300 bis 400 Euro weniger auf ihrem Lohnzettel hätten.“