Bildungsüberfall!
Um die politische Bildung steht es nicht zum Besten in diesem Land – weder in Italien noch in Südtirol, diagnostizierte der Sozialwissenschaftler und Präsident der Sozialgenossenschaft POLITiS Thomas Benedikter erst kürzlich auf salto.bz. Umso erfreulicher waren auch heuer die zahlreichen Veranstaltungen und Aktionen, die seit 23. April im Rahmen der Aktionstage Politische Bildung abgehalten wurden. Seit acht Jahren stellt das Amt für Weiterbildung der Provinz Bozen dank zahlreicher aktiver Bildungsausschüsse im ganzen Land zumindest in diesen Wochen des Jahres ein dichtes und vielfältiges Angebot im ganzen Land zusammen. Eine der interessanten Aktionen der diesjährigen Auflage überraschte die Lananer am Samstag Vormittag beim Broteinkauf: ein sogenannter Bildungsüberfall.
Eine niederschwellige und für jedermann verständliche Art der Weiterbildung, mit der auch jene Bevölkerungsschichten erreicht werden sollen, die sich – in dem Fall - nicht freiwillig in Vorträge oder Ausstellungen zum Thema „100 Jahre Erster Weltkrieg“ begeben. Als Anlass dafür nahm der Bildungsausschuss Lana das 100-jährige Jubiläum der Einführung von Brot- und Lebensmittelkarten in Lana. „So schmeckt der Krieg“, lautet der griffige Name der Aktion, mit der an den 9. Mai 1915 erinnert wird – indem am Samstag Vormittag in den Filialen von drei lokalen Bäckereien Mehlrationen von 200 Gramm verteilt wurden. Also exakt jene Ration, die Nichtselbstversorger in Lana noch bis Jänner 1918 maximal beziehen durften, auch wenn sie mit Fortdauer des Krieges immer seltener in vollem Umfange ausgegeben werden konnte.
Begleitet wurden die Mehlrationen von Informationen zur Brot- und Mehlkarte. Übersichtlich aufgearbeitet auf einer Begleitkarte zu den Mehlsäckchen oder auch auf den Original-Verordnungen, die in allen beteiligten Bäckereien ausgehängt wurden. Wer noch mehr Fragen hatte, konnte sich auch an SchülerInnen einer Mittelschulklasse wenden, die das Projekt begleiteten und gemeinsam mit einem lokalen Foto- und Designkünstler den Vormittag filmisch aufarbeiten. Im Lananer Jugendzentrum wurde darüber hinaus im Rahmen einer „Armen Küche“ ausprobiert, wie weit man mit 200 Gramm Mehl kommt.
Ein Ansatz, auf den man künftig verstärkt zurückgreifen wird, wie Markus Breitenberger ankündigt, der als Berater gleich mehrere Bildungsausschüsse im Burggrafenamt betreut. Sein vielversprechendes Credo: „Bildung soll den klassischen Schulraum verlassen, Bildung gehört auf die Straße und soll Geschichten erzählen.“