Kultur | Salto Weekend

Macht_Hungrig - Ein Experiment

Was passiert, wenn man eine Gruppe politisch Interessierter eine Woche lang in einer einsamen Berghütte versammelt? Das Projekt Macht_Hungrig stellt sich vor.
Macht_Hungrig
Foto: Gabriel Pirpamer

Es ist Thema vieler Bücher, Filme und Theaterstücke: Die Entwicklung politischer Systeme innerhalb eines Mikrokosmos. Oft nur unterschwellig angedeutet (etwa in Lars von Triers „Dogville“) arbeiten Künstler seit jeher mit der Idee der unkontrollierbaren, sich selbst immer wieder neu erfindenden Gesellschaft. Drei Südtiroler Studenten planen nun ein ambitioniertes Projekt: Lukas Roner, Florian Andres und Gabriel Pirpamer wollen mit einer Gruppe Politik-affiner Teilnehmer eine eigene Gesellschaft gründen – mitsamt individueller Regierungsform, Wirtschafts- und Sozialsystem. Stattfinden soll das Experiment auf einer abgeschiedenen Hütte am Timmelsjoch und eine Woche lang dauern. Es darf diskutiert, polemisiert, revoltiert und geputscht werden. Dazu gibt es ein abwechslungsreiches Rahmenprogramm. Ob die Regierung funktioniert oder ob eine Gesellschaftsschicht die Überhand gewinnt, hängt allein von den Teilnehmern ab. Salto hat die Köpfe hinter dem Projekt „Macht_Hungrig“ getroffen und einige Fragen gestellt.

Warum habt ihr das Projekt gestartet? Seid ihr Macht_Hungrig?

Lukas Roner: Der Südtiroler Jugendring hatte vor einigen Jahren eine Initiative gestartet, bei der vor allem Kinder und Jugendliche über das Thema Politik aufgeklärt und sensibilisiert wurden. Ich war damals in der vierten Oberschulklasse. Einige Jahre später habe ich den Gedanken, verschiedene politische Systeme spielerisch zu beleuchten, aufgegriffen. Daraus hab ich mit Florian und Gabriel das Projekt mit dem Namen „Macht_Hungrig“ ins Leben gerufen. Wir selbst sind auf spielerischer Ebene „macht-hungrig“, verfolgen aber keine größeren politischen Ziele.

Wer seid ihr? Wer steckt hinter dem Projekt?

Gabriel Pirpamer: Wir sind drei junge Südtiroler, die aktuell alle in Wien studieren, zwei von uns in politischen Fächern. Wir sind weder parteilich organisiert, noch steckt irgendeine Partei hinter dem Projekt. Unabhängig zu sein war uns von Anfang sehr wichtig, wir glauben dass wir nur so unsere Glaubwürdigkeit behalten können.
Florian Andres: Es war uns immer wichtig, dass keine politische Partei dahintersteht, da wir mit diesem Projekt viele verschiedene Ideen und Ansätze zusammenbringen wollen. Jeder soll sich ausprobieren dürfen, egal woher er kommt oder welche Ideen er mitbringt. Das ist der Grundgedanke des Projekts. Man bekommt die Möglichkeit, die eigene politische Überzeugung in der Praxis auszuleben, anstatt sie immer nur zu diskutieren.

Was ist die Zielgruppe?

Roner: Wir wollen bei diesem ersten Pilotprojekt vor allem junge, wahlberechtigte Menschen ansprechen. Man muss also 18 Jahre alt sein, nach oben hin gibt es natürlich keine Grenze. Die Teilnehmer sollten Interesse haben, sich aktiv mit Politik auseinanderzusetzen und eine Vorstellung davon haben, wie Politik aussehen könnte. Sollte dieses erste Pilotprojekt erfolgreich sein, könnte man sich überlegen, „Macht_Hungrig“ auch mit Jüngeren durchzuführen.

Wie sehr fließen eure eigenen politischen Ansichten in das Projekt?

Pirpamer: Unsere eigenen Ansichten sollen im ersten Moment keinen Einfluss auf das Projekt nehmen. Es soll zu Anfang keine eindeutige politische Ausrichtung erkennbar sein. Vielmehr soll die sich im Laufe der Woche entwickeln.
Andres: Ich glaube das ist bei uns wie bei allen anderen. Ich habe meine politischen Ansichten, die ich im tatsächlichen Verlauf des Projekts, sprich in der Ausführung auch versuchen werde, umzusetzen. In die Organisation des Projekts fließt jedoch nichts dergleichen ein. Wir wollen so realitätsnah wie möglich sein, und sehen, wie die unterschiedlichen Einstellungen der Teilnehmer zusammen funktionieren.

Roner: Wir hoffen die Teilnehmer haben persönliche Vorstellungen, wie etwa eine Gesellschaft moralisch oder ideologisch sein soll. Das reicht völlig.

Ihr habt euch für eine abgeschiedene Hütte als Austragungsort des Projekts entschieden. Warum?

Andres: Es geht darum, dass wir eine eigene Gesellschaft gründen. Wir wollen uns vom System, in dem wir leben, abkoppeln und ein völlig neues, eigenes System gründen. Auf einer Hütte sind wir frei in unseren Möglichkeiten und wir werden nicht von äußeren Einflüssen gestört. Wir müssen mit unserer Gruppe eine Gesellschaft gründen, mit all ihren Aspekten, die auf den Rahmen der Hütte heruntergebrochen werden.

Wird jede Meinung, und daraus resultierend, jede Herrschaftsform, die etwa aus einem Putsch heraus entsteht, akzeptiert?

Pirpamer: Ja! Das Projekt zielt auch darauf ab, alle möglichen Regierungsformen auszuprobieren, auch die extremeren, undemokratischen. Würden wir nur die klassische Demokratie, wie wir sie kennen, erlauben, würde das Projekt seinen Zweck verfehlen. Ob eine Diktatur in dem Rahmen funktioniert oder nicht, wir werden es so erfahren.
Roner: Ich hoffe, dass das passiert, was oft in der Geschichte geschehen ist. Nämlich dass die Menschen innerhalb des politischen Systems den Wandel dessen gar nicht so richtig erkennen oder gar verpassen.
Andres: Ich glaube, „Macht_Hungrig“ ist sowohl für Demokratie-Befürworter, als auch für Kritiker ein interessantes Experiment. Hier kann jeder Teilnehmer ausprobieren und feststellen, ob eine bestimmte Regierungsform für ihn geeignet ist, oder ob sie nur in der Theorie verlockend klingt.

Wie soll es nach „Macht_Hungrig“ weitergehen? Gibt es Pläne für die Zukunft?

Roner: Wir alle drei hoffen, dass es ein langwieriges Projekt wird. Wir könnten uns vorstellen,„Macht_Hungrig“ mit unterschiedlichen Gruppen über mehrere Jahre hin weiterzuführen.
Pirpamer: Man könnte das Projekt ausbauen. Mehr Teilnehmer, weniger Teilnehmer, eine andere Location, ausgeklügeltere Systeme (zb. Wirtschaft)...
Andres: Dadurch dass man nur schwer voraussagen kann, wie sich diese erste Woche entwickelt, ist es sehr wichtig, dass es eine intensive Nacharbeit gibt. Erst dann kann man ein Fazit ziehen und schauen, was gut gelaufen ist. Fehler können gegebenenfalls korrigiert werden und unsere Vorgehensweise angepasst werden. Die Dokumentation ist ein wichtiger Schritt, den wir nicht auslassen wollen.

Vielen Dank für das Gespräch!