Gesellschaft | Die Macht der Sprache

Sprache verbindet?

Ich gestehe gern, dass ich der Gleichberechtigung in der Sprache bis vor kurzem eher geringe Bedeutung beimaß. Hin und wieder flackerte zwar das eine oder andere Zweifelchen auf, ob sie nicht doch wichtiger sein könnte, als ich dachte. Dieser Satz hier zum Beispiel ist doch recht vielsagend: „Alle Menschen können Papst werden“. Im Großen und Ganzen aber stand ich diesem Thema zwar keineswegs gleichgültig, aber nicht wirklich überzeugt gegenüber. Vielmehr hielt ich es eher mit Jan Fleischhauer von Spiegel online, und fand es im Zweifelsfalle wichtiger, „die reale Ordnung der Dinge zu ändern“.
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Bersaglio Google Streetview, 2020
Foto: Privat

Doch dann kamen „Salto.bz“, die Uni Leipzig und nicht zuletzt Benno Kusstatscher. Was Benno angeht, faszinierte mich die Erkenntnis, dass es (junge) Männer zu geben scheint, denen die sprachliche Gleichstellung der Frau ein größeres Anliegen ist als so mancher Frau. In der Hauptsache aber schüttelte mich die Erkenntnis, welche Sprengkraft Sprache doch hat. Logisch: Wie alles, hat auch das Prinzip „Sprache verbindet“ sein Gegenteil. Wir hier in Südtirol wissen das ja im Übrigen am allerbesten. Jedenfalls ließen mich die unwilligen bis harschen und harschesten Reaktionen auf den letzten Absatz in meinem Beitrag „Guten Tag, Herr Professorin“ aufhorchen und Habachtstellung einnehmen. Denn es macht schon nachdenklich, dass die „Frau Professor“ für die Herr.Schaften keineswegs ein Problem ist, der „Herr Professorin“ aber gänzlich abartig, so sehr, dass sich sogar ein aufgeschlossener und durchaus emanzipierter junger Mann „veralbert fühlen würde“, wenn er übermorgen mit „Herr Doktorin“ angeredet würde. Ist da was?

Quotensprech? Ja mei!

Wenige Tage nach jenem Spiegel-Artikel, der das Ganze ins Rollen gebracht hatte, stolperte ich in „Die Zeit“ über ein Interview mit dem Linguisten Horst Simon, der sich seinen Studierenden schon seit langem gern als „Linguistin“ vorstellt. Auf die Frage der Journalistin, ob denn das feministische „Quotendeutsch“ nicht die Sprache verhunze, antwortet der sympathische Sprachwissenschaftler mit einem handfesten „Ja mei!“  und erzählt, dass er „als Sprachwissenschaftlerin (…)“. An dieser Stelle im Interview hat’s mich in der Lektüre regelrecht „hergschräpft“, wie’s hier bei uns so schön plastisch heißt. Schob sich doch die Frau in der „Sprachwissenschaftlerin“ so etwas von penetrant vor mein geistiges Auge, dass ich richtig erschrak darüber, umso mehr, als ich ja sehr gut wusste, dass die Sprachwissenschaftlerin, die da von sich sprach, ein Mann ist.

So also, sagte ich mir, so sieht’s also aus mit der realen Ordnung der Dinge, und vielleicht hat er ja Recht, der Benno.

Jetzt aber! Konstruktiv!

Die Sache ist ja eh interessant und so leistete ich Benno’s expliziter Aufforderung, mit dem Jammern aufzuhören und „den Hintern hochzukriegen“ in Sachen sprachlicher Gleichstellung, sehr gern Folge. In manchen Dingen sind Benno und ich uns eh durchaus schon einig: Binnen-I und Konsorten „nerven“ und sind – besonders, aber keineswegs nur im gesprochenen Deutsch - eine eher unpräzise, halbherzige Lösung; unter gar keinen Umständen wird weiterhin je das generische Femininum an die Stelle des generischen Maskulinums treten, eher noch geht ein Kamel durchs Nadelöhr. Gut, dass es das auch gar nicht muss, geht es doch um Gerechtigkeit und Gleichstellung und keineswegs um „aufrechnen“ oder gar Gleichschaltung. Es geht schlicht darum, (auch) sprachlich alle Menschen, welchem Geschlecht sie auch angehören mögen, zu würdigen und anzuerkennen, sie aus dem Dunkel ihrer Geschichte ans Licht der Moderne zu heben.

Im Sinne also des Balls, den Benno mir zuwarf, nahm ich seinen letzten und sehr schönen Text über das tirolerische Wesen zum Anlass und versuchte, ihn im Lichte der jüngst gewonnen Erkenntnisse und Verständnisse und natürlich der Aufgabe, die Benno mir gestellt hatte, geschlechterGerecht umzuarbeiten. Dabei zeigte sich, dass

·         Bennos Vorschlag, verstärkt auf das Neutrum zu setzen, mich nicht fürchterlich inspiriert.  Ein Neutrum ist halt eben ein solches, irgendwie weder Fleisch noch Fisch und also eher nicht sehr sexy (ha!);

·         die allgegenwärtigen „man“ und „jemand“ ziemlich leicht umschifft werden können. Ich denke sogar, ihnen wird eher über sehr kurz als über lang das Schicksal des untergegangenen „Fräulein“ beschieden sein. Ich wüsste nicht, wer sich darüber grämen sollte;

·         ein paar „Stolpersteine“ hin und wieder wohl durchaus nützlich sind, im Sinne des „Innehaltens“ und der „Bewusstmachung“, und dass uns die aufgeschlosseneren unter den Männern ein paar solche wohl auch genehmigen werden, im Sinne der Augenhöhe. Allzu viele Stolperer sollten es aber auch wieder nicht sein, denn die Gefahr, dass die kreative Komponente der Sprache untergeht und pingeliger Beamtensprech uns letztendlich zu grauem Lesen verdonnert, ist m. E. gar groß.

Jedenfalls, am Ende der Arbeit über Bennos schönem Text (dem ich auf diese Weise ziemlich nahe gekommen bin und übrigens einmal mehr feststellte, dass Frankreich und Slovenien immer noch nicht zu seinem und aller anderen Kern- oder auch nur Alpinien gehören, warum bloß?) hätte ich das Problem für mich und vielleicht auch für Benno folgendermaßen an-gelöst und hoffe, dass ich mich anhand des letzten Absatzes aus „Was ist das, ein Tiroler?"  veranschaulichen kann:

Und dann weiß ich, was den Tirolerin ausmacht: es sind diese Widersprüche tief im Herzen, dieses Ringen zwischen Nostalgie und Moderne, zwischen Opfer und Leader, zwischen Knecht und Bäuerin, zwischen IG-L und 150km/h, zwischen Nordwand und Hintergrat. Eben diese Widersprüche, die wir alle in uns tragen. Da können wir zögerlichen Tirolerinnen schon stolz drauf sein, aber nur, wenn wir immer diesen einen Schritt nach vorne gehen, oder halt den einen Salto. Wenn wir diesen und die nächsten Schritte als menschliche Wesen, als alpenländische Europäerinnen und ein bissl als Tiroler gehen, na, was kann da noch schiefgehen?

Und damit gebe ich den Ball wieder zurück, an Benno :-)