Politik | Sanität

Zerzers Doppelfehler

Im Erdbeben um die unrechtmäßige Ernennung von 52 Primaren verschweigt man ein wesentliches Detail. 20 Primare wurden erst nach der Korrektur falsch ernannt.
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Foto: Othmar Seehauser
Es ist ein gut gehütetes Geheimnis. Eingeweiht sind an der Spitze des Sanitätsbetriebes nur wenige.
Es geht um das „Erbeben in Südtirols Spitälern“ (Dolomiten). Die Geschichte ist seit rund einer Woche bekannt. Auf der Grundlage  von Urteilen des Verfassungsgerichtes und des Oberlandesgerichtes Trient müssen 52 Primare, deren Ernennung oder Verlängerung nicht rechtmäßig erfolgt ist, um ihre Stelle bangen. Sie bleiben zwar geschäftsführend im Amt, doch ihre Stellen müssen nach Ablauf ihres Vertrages neu ausgeschrieben werden.
Es ist die Folge eines hausgemachten Südtiroler „Pasticcio“, der noch durch eine besondere Duftnote gewürzt wird, die man bisher offiziell lieber verschweigt.
 

Südtiroler Sonderweg

 
Staatsweit gibt es bei der Ernennung der Primare eine klare Regelung. Nach Ausschreibung der Wettbewerbe prüft eine Kommission die Kandidatinnen und Kandidaten. Die Mitglieder dieser Kommission stammen zum Teil aus dem betreffenden Sanitätsbetrieb, und zum Teil sind es externe Fachleute. Wobei die Mehrheit der Kommissionsmitglieder von außerhalb kommen muss.
 
 
In Südtirol wird nur Primar, wer der Sanitätsführung genehm ist.
 
Diese Kommission erstellt dann eine Rangliste der Kandidatinnen und Kandidaten, und der Generaldirektor kann jemand aus den drei Erstgereihten zum Primar ernennen. Überspringt er dabei den oder die Erstgereihte/n muss er diese Ernennung zudem begründen.
Beide Bestimmungen zielen darauf ab, die Inzucht und die politischen Mauscheleien bei den Ernennungen in den Krankenhäusern zumindest einzudämmen.
In Südtirol hingegen hat man sich für den völlig entgegengesetzten Weg entschieden. Nach dem Landesgesetz Nr. 4 aus dem Jahr 2017 ist die Prüfungskommission ausschließlich mit Fachleuten aus dem Sanitätsbetrieb zusammengesetzt. Zudem erstellt die Kommission am Ende nicht eine Rangordnung, sondern nur eine Liste der Geeigneten.
Aus dieser Liste kann der Generaldirektor des Sanitätsbetriebes dann die Primaria oder den Primar auswählen, ohne die Wahl begründen zu müssen. Zudem steht dem zuständigen Bezirksdirektor ein Vorschlagsrecht zu.
In der Realität heißt das: In Südtirol wird nur Primar, wer der Sanitätsführung genehm ist.
 

Die Korrektur

 
Doch der Bozner Kardiologe Corrado Carbucicchio klagte vor dem Arbeitsgericht gegen seine Nichternennung zum Primar. Das Oberlandesgericht Trient gibt im Mai dem Kläger recht und spricht ihm 37.950 Euro an Schadenersatz sowie - bis zur Neuausschreibung der Stelle - monatlich 3450 Euro zu.
 
 
 
 
In diesem Verfahren kommen aber auch die verschiedenen gesetzlichen Bestimmungen zur Sprachem und das Arbeitsgericht ruft das Verfassungsgericht an. Dieses Höchstgericht kommt am 7. Juni 2022 zum Schluss, dass das Südtiroler Verfahren in diesen Punkten verfassungswidrig ist.
Weil dieses Urteil sich bereits abgezeichnet hat, reagierte die Politik schon vorher. Bereits am 13. September 2021 wird per Dekret des Landeshauptmannes der Ernennungsmodus und die Zusammensetzung der Auswahlkommission abgeändert und den staatlichen Grundsätzen angepasst. Damit schien das Problem gelöst.
 

20 weitere Fehler

 
Zwischen dem 11. Mai 2017 und 13. September 2021 wurden im Südtiroler Sanitätsbetrieb 32 Primariate nach dem vom Verfassungsgericht kassierten Bestimmungen ernannt oder verlängert. Warum aber spricht man jetzt von 52 Betroffenen?
 
 
 
 
Die Antwort darauf ist einfach. Es gibt auch 20 Primare, die nach dem 13. September 2021 ernannt oder verlängert wurden. Sie wurden zwar nach dem neuen Modus ernannt, so wie er im Dekret des Landeshauptmann festgelegt ist, ihre Ernennung ist aber dennoch unrechtmäßig erfolgt.
Der Grund: Der Generaldirektor Florian Zerzer hat sich bei der Ernennung der drei Erstgereihten zwar an die neuen Regeln gehalten, doch die Zusammensetzung der Auswahlkommission wurde substanziell nicht korrigiert.
Er und seine Ämter haben damit die Erdstöße in der Südtiroler Sanität noch einmal deutlich verstärkt.
Nur soll das niemand mitbekommen.