Zwischen Wahlkampf und Realität

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Claudio Durigon, Unterstaatssekretär für Arbeit, kündigte in einem Interview mit der Zeitung „La Repubblica“ an, dass künftig 64 Beitragsjahre ausreichen sollen, um die Rente in Anspruch nehmen zu können. Unklar bleibt allerdings, was aus der viel diskutierten „Quote 41“ geworden ist. Sollte diese jemals eingeführt werden, so sehen die letzten Diskussionen vor, die gesamte Rente nach dem beitragsbezogenen System zu berechnen, was das Modell wenig attraktiv macht. Ob es tatsächlich eines Tages dazu kommen wird, bleibt zudem äußerst fraglich. Fakt ist, dass das Fornero-Gesetz trotz zahlreicher Ankündigungen weiterhin gilt und sogar verschärft wurde. Die Regierungsarbeit erweist sich erneut als viel schwieriger als manche Wahlkampfversprechen. Der fehlende Realismus und die mangelnde Besonnenheit der Politik gefährden letztlich aber die Glaubwürdigkeit der Institutionen sowie der Demokratie.
Die Möglichkeit, mit 64 Jahren in Rente gehen zu können, ist keine neue Idee. Dies war bereits 2012 im Fornero-Gesetz vorgesehen. Damals reichten 64 Jahre, 20 Beitragsjahre sowie eine Rente in Höhe des 2,8-Fachen des Sozialgeldes. Heute gilt diese Regelung nur noch für Arbeitnehmer im rein beitragsbezogenen System, wobei ein Mindestalter von 64 Jahren, 20 Beitragsjahren und eine Rente in Höhe von mindestens dem Dreifachen der Sozialrente (im Jahr 2025 etwa 1.616 Euro monatlich) erforderlich sind. Für Frauen mit Kindern liegt die Schwelle etwas niedriger. Ab 2030 wird die Grenze auf das 3,2-Fache angehoben – ein Niveau, das für viele heutige Arbeitnehmer utopisch ist. Zudem bleibt die Rente bis zum Erreichen der Altersrente (67 Jahre) auf das Fünffache der Mindestrente begrenzt.
Neu eingeführt wurde die Möglichkeit, eine Zusatzrente mit der staatlichen Rente zu kombinieren, um die Ansprüche für die Rente zu erfüllen. Dafür müssen jedoch mindestens 25 Beitragsjahre vorliegen und es dürfen keine weiteren Arbeitseinkünfte erzielt werden. Eine Ausnahme sind Gelegenheitsarbeiten bis maximal 5.000 Euro jährlich. Hier ist besondere Vorsicht geboten, da bei Verstößen hohe Geldstrafen in Höhe eines Jahresrentenbetrags drohen. Ab 2030 steigt die Mindestbeitragszeit für diese Kombination auf 30 Jahre, wodurch die Option für viele in den nächsten Jahren kaum praktikabel sein dürfte.
Offen bleibt auch, ob die für 2027 geplante Anpassung des Rentenalters an die Lebenserwartung ausgesetzt wird. Dies hängt maßgeblich von den verfügbaren Finanzmitteln ab, die jedoch knapp sind. Ein weiterer Vorschlag sieht vor, den Renteneintritt mit 64 Jahren auf alle Arbeitnehmer, einschließlich derjenigen im gemischten System, auszuweiten. Ob dies zu finanzieren ist, muss abgewartet werden. Zwangsmaßnahmen hinsichtlich der Abfertigungen sind hingegen nicht vertretbar. Gegen Investitionen in zukünftige Rentenleistungen auf freiwilliger Basis ist wenig auszusetzen. Für andere Maßnahmen muss die Zustimmung der einzelnen Arbeitnehmer eingeholt werden, denn schließlich handelt es sich um deren eigenes Geld.
Positiv zu vermerken ist, dass das Rentensystem in Italien laut dem Präsidenten der INPS stabil ist. Dies sollte jedoch vor dem Hintergrund der Überalterung der Bevölkerung und der schwindenden Kaufkraft der Arbeitnehmer differenziert betrachtet werden. Die Diskussion allein auf die Nachhaltigkeit der Renten zu reduzieren, greift zu kurz, denn es handelt sich vielmehr um ein weitreichendes soziales Problem. Früher wurde die Abfertigung oft für vermögensbildende Anschaffungen genutzt, heute jedoch wird sie für den Lebensunterhalt zukünftiger Rentner benötigt. Dies sollte für die Politik Anlass sein, die Einkommensverluste der Familien genauer zu hinterfragen. Ebenso widersprüchlich ist es, einerseits zur Investition in Zusatzrenten aufzurufen und gleichzeitig zu befürchten, dass die Übertragung vom Teilen der Gelder des TFR Fonds des INPS an Zusatzrentenfonds die Konten des Renteninstitutes und des Staates belasten würde.
Eine unumstößliche Tatsache ist, dass die Zahl der Beschäftigten steigen muss, um die Stabilität des Rentensystems langfristig zu sichern. Prekäre Arbeitsverhältnisse belasten besonders junge Menschen und deren zukünftige Rentenansprüche. Zwar hat die Regierung angekündigt, Praktika zu begrenzen und jungen Beschäftigten feste Arbeitsverträge zu garantieren – umgesetzt wurde davon bisher jedoch nichts. Positiv hervorzuheben ist hingegen die geplante Aufklärungskampagne der INPS an Universitäten und Schulen zum Thema Sozialversicherung, deren Umsetzung jedoch dringend folgen muss.
Nicht zuletzt bleibt die Beteiligung an der Zusatzrente ein zentraler Punkt, mit dem sich die Gewerkschaften seit Langem befassen. Zuletzt wurden hierzu interessante Vorschläge einer parlamentarischen Kommission vorgelegt. Fakt ist, dass lediglich 19 % der unter 35-Jährigen eine Zusatzrente besitzen, was angesichts einer möglichen zukünftigen Zusammenlegung mit der staatlichen Rente ein Problem darstellt.
Angesichts der zahlreich vor jeder Haushaltsdebatte geäußerten Meinungen von Politikern und Parteien ist es an der Zeit, endlich zu handeln. Ein Dialog mit den Sozialpartnern ist unerlässlich, um die nötigen Reformen zu konkretisieren. Dies ist umso dringlicher, da die Renten aus den Beiträgen von Arbeitnehmern und Unternehmen gespeist werden. Von kurzatmigen Maßnahmen, die lediglich bestehende Lücken schließen, müssen wir uns endlich verabschieden. Arbeitnehmer und Rentner benötigen ein stabiles, langfristig orientiertes System, um ihr Leben verlässlich planen zu können.Ein Beitrag von Alfred Ebner
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