Kultur | Minderheitenschutz

Sardischer Knoten

Bei der Konferenz von ELEN (European Language Equality Network) wurde mit Nachdruck die Ratifizierung der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen gefordert. Umsonst?
Konferenz
Foto: SALTO
  • „Ich spreche leider kein Englisch und auch kein Sardisch“, begann Elisabetta Schirru in italienischer Sprache ihren Redebeitrag am Samstag im Palazzo der Region in Cagliari, bei der internationalen ELEN-Konferenz für Minderheitensprachen. Schirrù ist die Verantwortliche für die sardische Sprache, die öffentlichen Einrichtungen für Minderheitensprachen auf Sardinien, den Unterricht des Sardischen in den Schulen, sowie die anderen Minderheitensprachen – L'Alguer und Tabarchino – auf der Insel. Viele Vertreter und Vertreterinnen der Konferenz hat die Tatsache der mangelnden Sardisch-Kenntnisse von Schirru überrascht, waren sie doch angereist, um gemeinsam (und über Sardinien) von der italienischen Politik endlich die Ratifizierung der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen (ECRML) zu fordern. Italien hat die Charta zwar im Jahr 2000 mitgetragen, sie aber – wie Frankreich – nicht ratifiziert. 

  • Europäisches Netzwerk: Experten und Expertinnen aus Wales, dem Baskenland, Katalonien und Galicien. Foto: SALTO
  • Über eine Videoschaltung war kurz auch die Politikerin (und ladinische Minderheitenvertreterin in Rom) Elena Testor dabei. Die Unternehmerin kandidierte 2013 im Wahlkreis Trentino-Alto Adige für die Partei Lega Nord, schaffte den Einzug als Kammerabgeordnete nicht und wechselte 2018 zu Forza Italia. Nachdem ihr nun der Wahlerfolg (zur Senatorin) gelungen war, wechselte sie nur zwei Jahre später erneut zur Lega von Matteo Salvini. In ihrer Rede für ELEN gab sich Testor bedeckt, meinte, dass zwar an der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen grundsätzlich gearbeitet werde, sie aber nichts Konkretes sagen könne. 
     

    Die Ratifizierung der Europäischen Charta der Minderheitensprachen zum Schutz der nicht-offiziellen Sprachen trat 1998 in Kraft, ist aber bis heute noch nicht Teil der italienischen Gesetzgebung. 


    Einmal mehr wurde deutlich, in welchem Dilemma sich das Gros der italienischen Rechtsparteien in Sachen Minderheitenschutz und Sprachenvielfalt befindet, bzw. positioniert – einerseits die Haltung der Lega, als vermeintlich autonomiefreundlich, anderseits die ablehnende Haltung bei Fratelli d’Italia. Vielleicht könnte hier sogar Südtirol vermitteln, bei den so guten politischen Beziehungen zu Giorgia Meloni nach Rom?

  • Grande Nation: Vertreter und Vertreterinnen aus der Bretagne, dem Elsass, Okzitanien berichteten über die Situation in Frankreich. Foto: SALTO
  • Mit dem Antrag aus Cagliari der Nichtregierungsorganisation ELEN sollen weniger gesprochene Sprachen in Europa gefördert, geschützt oder aufgewertet werden. Zum ersten Mal fand die Generalversammlung in Italien statt – in Anwesenheit von Delegierten aus 174 Organisationen, die in ihrer Funktion 50 Sprachen vertreten, die in 25 Staaten der Europäischen Union gesprochen werden.
    Bei der ELEN-Sitzung wurden außerdem die neuen Mitglieder (Universität Warschau, Universität Posen, Zentrum für samische Studien an der Universität Nord und eine irische Nichtregierungsorganisation) begrüßt. Im Vorfeld der Versammlung, die im Rahmen des BABEL-Filmfestivals abgehalten wurde, fanden mehrere Diskussionen statt, eine zum Sardischen, und eine weitere über die Verbreitung von Minderheitensprachen im Fernsehen, wobei unter anderem der lokale RAI-Direktor Paolo Mazzucato zur Berichterstattung aus Südtiroler (Minderheiten-)Sicht berichtete.