Erster Europäischer Mauerfall
"Angespannte Situation in Serbien: Nach stundenlanger Durchsuchung und Kontrolle an der serbischen Grenze sind die Busse - samt allen friedlichen Revolutionären und dem Werkzeug - wieder unterwegs. Die serbische Polizei eskortiert die Busse mit mehreren Einsatzfahrzeugen und weigerte sich zunächst Pausen zu ermöglichen." So lautet eine der jüngsten Meldungen des Zentrums für Politische Schönheit auf ihrer facebook-Seite. Seit Samstag, 8. November sind sie unterwegs, rund 100 Personen in 3 Bussen Richtung Bulgarien. Sie alle wollen dabei sein beim Abriss der illegal EU-Außengrenzen, ausgerüstet mit Bolzenschneidern und anderem Werkzeug wollen sie heute, am 25. Jahrestag des Mauerfalls, andere neue Grenzen niederreißen.
Europa feiert den Fall der Mauer und betreibt – als hätte die Geschichte nichts mit der Wirklichkeit zu tun – die eigene Selbsteinmauerung auf hohem Niveau und unter Hochdruck. Die neuen Stacheldrahtmauern Bulgariens und Griechenlands wurden rechtswidrig unter Bruch des internationalen Völkerrechts auf europäischen Boden gebaut. Damit sich das Unrecht nicht festsetzt, ist es wichtig, es jetzt wieder abzureißen! Nicht durch die Politik, sondern durch den Druck einer mutigen Zivilgesellschaft wurde die innerdeutsche Mauer porös, die 28 Jahre lang als unüberwindlich galt.
Der deutsche Menschenrechtsaktivist Philipp Ruch und seine Mitstreiter haben die Aktion als "Erinnerungsoffensive" ins Leben gerufen, sie propagieren eine andere Art von Gedenkkultur, die mehr als bloßes kollektives Erinnern sein soll. Der Tagesspiegel stellt in seinem Artikel genau diese Frage: "Kann das Gedenken 2014 noch so aussehen wie 1999, zehn Jahre nach dem Mauerfall. Sollen die fallenden Dominosteine von 2009 lediglich gegen aufsteigende Luftballons ausgetauscht werden? Braucht eine Demokratie nicht gerade das zivilgesellschaftliche Engagement für jene, die keine Lobby haben? Wie können im Zeitalter von Facebook und eingespieltem Parteiensystem neue Fragen aus historischem Anlass gestellt werden?"
Natürlich steht die Aktion von Ruch und seinen Kollgen auch im Kreuzfeuer der Kritik: Dass sie die Gedenkkreuze für die Mauertoten in Berlin-Mitte aus ihren Halterungen brachen und an den Sperranlagen Bulgariens wieder aufstellen wollen, hat eine lebhafte Debatte ausgelöst. Man dürfe die Opfer der deutsch-deutschen Grenze nicht auf diese Weise missbrauchen.
Doch keine Aktion ohne Provokation: Die neuen Mauern müssen weg, sagen die Aktivisten vom Zentrum für Politische Schönheit, die humanistischen Werte Europas müssen heute an seinen Außenmauern verteidigt werden, in Melilla, Griechenland und Bulgarien, wo sich jede Nacht Hunderte von Flüchtlingen gegen die aufgetürmten Stacheldrahtzäune werfen. Ob die Aktion gelingt, kann man auf der facebook-Seite des Zentrums verfolgen.