Bühne | Theater

Feeling blue?

Im Bozner Centro Trevi ist derzeit das Stück „Niloblu“ zu sehen, das thematisch in gewisser Weise an die Ausstellung im oberen Stock anknüpft. Blaues Band ist der Nil.
Niloblu
Foto: Elena Beregoi
  • Zu intimen 50 Minuten, die aus einer guckkastenhaften Bühnensituation ausbrechen laden derzeit Trevi und Stabile mit einer eher ungewöhnlichen Aufführung in italienischer Sprache. Den kleinen, persönlichen Dreiakter, der irgendwo zwischen Stückentwicklung und einer abgeschlossenen Theaterarbeit steht, haben Francesco Ferrara (Regie), Maria Giulia Scarcella (Schauspiel und Interview) und Stefano Lisci (Kamera) zu verantworten. Das Stück wurde als Wandertheater mit drei Stationen in aneinander grenzenden Räumen konzipiert.

    Ausgehend von der Familiengeschichte von Maria Giulia Scarcella, deren Großvater väterlicherseits aus Assuan stammt, wird eine Reihe parabelhafter Kapitel skizziert, die von Kindheitserinnerungen der Hauptdarstellerin zurück an den Anfang des 20. Jahrhunderts geht und dann, noch einmal weiter, in die mythologische Vorvergangenheit des Götterpaares Isis und Osiris. Anfangs, noch vor „Barche nel deserto“, dem ersten Kapitel wird die Kontaktfreudigkeit des Publikums zu Theateraufführungen getestet. Statt allerdings nur die „vierte Wand“ einer üblichen Theateraufführung einzureißen, sucht und findet man dank technischer Mittel eine weitere. Mehr sei hierzu an dieser Stelle nicht verraten, nur, dass man einen schwierigen, aber in diesem Fall ausgesprochen gelungenen Weg gefunden hat, die Videoelemente mit dem Schauspiel des Stückes zu verbinden.

    Auch wenn das Stück mit einer Dauer von unter einer Stunde recht kurz ist, so findet man dennoch Momente um etwa andeutungsweise vorwegzugreifen, oder für wiederkehrende Elemente zu sorgen, die dem Gedankenstrom eine Form geben, welche dafür sorgt, dass sich die Aufführung am Ende wie eine runde Sache anfühlt. Dabei präsentiert man das Stück als ein unfertiges und flunkert das Publikum an, dass die Einleitung bei der Premiere am Dienstagabend nur eine halbe Stunde alt gewesen sei. Glaubhaft ist das bei einer derartig durchkomponiertenAufführung eher nicht. Der Großvater Scarcellas bringt das Stück an den Nil, wo er bis in die 60er im heute vom Nassersee geschwemmten Gebiet gelebt hatte. Den Fortschritt zeigt man dabei so, wie er in den Köpfen der Menschen vor der Jahrtausendwende noch schien: Als unaufhaltsamer Marsch in eine Richtung, der keine Rücksicht auf Verluste nimmt.

  • Niloblu: Wie in der Natur ist Blau im Stück eine seltene Farbe. Hier eine der seltenen Szenen in Blau, am Übergang zu Akt 3. Foto: Elena Beregoi

    Für eine Zusammenfassung von 1880 bis in die 1970er im zweiten, „Le dighe“ betitelten Akt wird aus der Familienerinnerungen als Fragmente zutage fördernden Hauptdarstellerin kurz die Erzählerin einer in Kauf genommenen, erstens menschlichen und zweitens kulturhistorischen Tragödie, bevor das Stück wieder zu seinen emotionalen Wurzeln und persönlichem Bezug zurückfindet. Maria Giulia Scarcella zeigt sich verletzbarer, es geht um nicht weniger als Leben und Nachleben. „Es geht in der Ägyptischen Kunst vor allem darum, den Tod zu überdauern, zumindest mir scheint es so.“, sinniert die Schauspielerin im Spiel und fügt hinzu: „Vielleicht würde mir ein Historiker auch sagen, dass das Blödsinn ist.“

  • Die Verdichtung von Geschichte und Familiärem auf allzu engem Raum wird mit dem Abschlussakt „Niloblu“ zu viel und ein Damm bricht. Es ergießen sich eine Flut poetischer Schlussbilder und es findet sich eine Antwort auf Fragen der Metaphysik, alles ganz rasch, deutungsoffen und gefühlvoll. Nur etwas zu knapp. Einige Parallelismen werden noch miteinander verwoben - wie die Geschichte von Isis zu Osiris und jene des Tempels von Philae - andere Handlungsstränge bleiben offen. Auch wenn die Antwort auf die Frage „Was bleibt?“ dann eine ist, die sehr nach der Schlusszeile von Rilkes „Ich lieb ein pulsierendes Leben“ klingt, so ist es sicher eine Antwort, nach der sich leben lässt. Es hat das Ende etwas von blauer Farbe, die sich in Wasser verläuft, von großer Schönheit mit kurzer Dauer.

  • Antichi Egizi & Niloblu

    Die Ausstellung „Antichi Egizi. Maestri dell’Arte“ kann noch bis 10. Dezember im Bozner Centro Trevi besucht werden. Das Stück „Niloblu“ wird bei freiem Eintritt immer, von Donnerstag bis Samstag, um 18.30 Uhr für bis zu je 25 Personen aufgeführt. Letzter Termin ist der 7. Dezember. Vormerkungen sind erwünscht.