Gesellschaft | Straftaten

Wer nichts hat, hat nichts zu verlieren

2021 war knapp die Hälfte der Tatverdächtigen ausländisch. ASTAT-Direktor Timon Gärtner und Josef Haspinger von der Vinzenzgemeinschaft ordnen die Zahlen ein.
Bozen, Altstadt
Foto: Andy Odierno
  • Es war ohne Zweifel eines der wichtigsten Themen im Wahlkampf vor den Landtagswahlen am vergangenen 22. Oktober: Gewalt und Diebstahl in unserem Land. Angeführt von der Süd-Tiroler Freiheit (STF) und dem „Tagblatt der Südtiroler” beschäftigten sich Politik und Medien eingehend mit dem Thema. „Nun, diese Unsicherheit ist schon lange nicht mehr nur 'gefühlt'. Sie ist ein hochaktuelles und reales Problem – und zwar in ganz Südtirol”, schreibt die Journalistin Alexandra Aschbacher diesen Sommer in einem Leitartikel des Wochenmagazins ff und fordert die SVP zu einer klaren Linie auf, was innere Sicherheit, Einwanderung und Gewaltdelikte angeht.

    Der im Frühling erschienene ASTAT-Bericht zu angezeigten Straftaten im Jahr 2021 verzeichnet tatsächlich einen Anstieg der Kriminalität in Südtirol: In diesem Jahr haben die Polizeikräfte 14.581 Straftaten bei der Gerichtsbehörde gemeldet, das sind 11, 8 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Zahl der Straftaten je 1.000 Einwohner ist in allen drei untersuchten Gebieten (Bozen 27,3, Trient 22,7 und Italien 35,4) höher als der jeweilige Wert von 2020. Damit habe sich der seit 2017 rückläufige Trend ein Jahr nach Ausbruch der Corona-Pandemie umgekehrt und sei deutlich gestiegen.

    In einem Wahlkampf oder in Debatten kann es passieren, dass nur jene Daten herangezogen werden, die einer Partei am meisten Vorteile bringen. 

    Die häufigste Art von Straftaten waren die Diebstähle mit 39,1 Prozent aller Straftaten und einem Plus von 9,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Auch die Fälle von Raub (+9,1%), Erpressungen (+39,1%), Cyberkriminalität (+24,2%), Computerdelikte (+14,5%) und die Sachbeschädigungen (+24,9%) haben insgesamt zugenommen. Die Drogendelikte sind hingegen weniger geworden (-14,4%). 

    Die sogenannten „Bluttaten“, zu denen vorsätzliche und fahrlässige Tötung, versuchter Mord, Schläge, vorsätzliche Körperverletzung und Sexualverbrechen gehören, verzeichnen 859 Anzeigen und sind im Gegensatz zum Vorjahr um 30,3 Prozent gestiegen. Bei mehr als einem Drittel der 2021 erstatteten Anzeigen konnten innerhalb desselben Jahres Tatverdächtige ermittelt werden. Von diesen waren 6,2 Prozent minderjährig und 47,4 Prozent ausländischer Staatsbürgerschaft.

  • Sven Knoll: „Das ist nicht mehr normal und nicht mehr unser Süd-Tirol!“ Foto: STF

    „Zahlen lügen nicht. Und diese Zahlen zeigen, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Wenn mehr als die Hälfte der Straftaten von Ausländern begangen werden, muss endlich dafür gesorgt werden, dass kriminelle Ausländer sofort abgeschoben und keine weiteren Migranten mehr nach Süd-Tirol gelassen werden“, erklärte Spitzenkandidat und STF-Landtagsabgeordnete Sven Knoll in seinem Wahlkampf. 

    Da Wiederholungstäter nicht gezählt werden, sei von einer hohen Dunkelziffer der ausländischen Straffälligen auszugehen, die über 50 Prozent liegen müsse. Diese Schlussfolgerung dürfte in Zweifel zu ziehen sein, da auch einheimische Tatverdächtige nur einmal gezählt werden, wenn sie mehrere Straftaten verüben. 

  • Timon Gärtner: „Hier muss man vorsichtig sein, ansonsten wird das Bild zu stark in eine Richtung verzerrt.“ Foto: ASTAT

    ASTAT-Direktor Timon Gärtner erklärt: „In Proportion zur Bevölkerung, wo der Ausländeranteil knapp zehn Prozent ausmacht, sind 47,4 Prozent der Tatverdächtigen ein deutlich höherer Wert. Wenn wir das mit den Zahlen vor rund zehn Jahren vergleichen, dann betrug im Jahr 2011 der Ausländeranteil der Tatverdächtigen 43,3 Prozent. In dem Vergleichszeitraum ist dieser Anteil um rund 4 Prozentpunkte gestiegen, das ist ein leichter Anstieg. Aber ebenso der Bevölkerungsanteil der Ausländer ist in diesem Zeitraum leicht gestiegen, wenn auch nicht um 4 Prozentpunkte.“ 

    Wieso im Vergleich ein größerer Teil der Menschen mit ausländischer Staatsbürgerschaft eine Straftat begeht als jene mit inländischer, sei auf mehrere Faktoren zurückzuführen: „Ob jemand kriminell wird oder nicht, hängt stark mit dem Ausbildungsgrad und dem Thema Armut zusammen“, so Gärtner. „Bei geschlechtsspezifischer Gewalt spielen außerdem auch kulturelle Unterschiede eine Rolle.“ 

  • Sicherheitsgefühl

    Was die Sicherheit der Südtiroler betrifft, sei das individuell empfundene Sicherheitsgefühl über die letzten Jahre eher konstant geblieben, so Gärtner. Von 2009 bis 2014 gaben rund 80 Prozent der von ASTAT Befragten an, dass sie sich sehr oder ziemlich sicher fühlen, wenn sie bei Dunkelheit alleine durch die Straßen ihres Wohnviertels gehen. 

    Wir können in Europa nicht alle aufnehmen.

    „Im Jahr 2015 gab es einen starken Einbruch auf etwa 65 Prozent, das dürfte auf die Terroranschläge im Jänner auf Charlie Hebdo und im November in Bataclan in Paris zurückzuführen sein. Die Terrorakte des ‚Islamischen Staats‘ (IS) in Europa beeinflussten auch das Sicherheitsgefühl in Südtirol“, sagt Gärtner. In den darauffolgenden Jahren stieg das Sicherheitsgefühl bei rund 75 Prozent der Südtiroler wieder auf „sehr oder ziemlich sicher“ an, wobei Frauen sich etwas weniger sicher fühlen als Männer. 

  • Das Sicherheitsgefühl: Laut Befragung fühlen sich rund 75 Prozent der Menschen hierzulande auch bei Dunkelheit auf der Straße sicher. Foto: ASTAT
  • „Da das Thema, wie im Wahlkampf auch zu beobachten war, sehr wichtig ist, führen wir eine vertiefende Analyse zur Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger durch. Diese italienweite Befragung startete bereits letztes Jahr und wir werten gerade die Südtiroler Ergebnisse aus“, so ASTAT-Direktor Gärtner. Der Politik empfiehlt er, den vorliegenden ASTAT-Bericht zu Kriminalität in einem Gesamtbild zu bewerten. „Etwa muss auch die Befragung zum Sicherheitsgefühl berücksichtigt werden, um das Phänomen besser zu verstehen. In einem Wahlkampf oder in Debatten kann es passieren, dass nur jene Daten herangezogen werden, die einer Partei am meisten Vorteile bringen. Hier muss man vorsichtig sein, ansonsten wird das Bild zu stark in eine Richtung verzerrt.“ 

  • Stimmungsmache?

    Josef Haspinger: „Wir können in Europa nicht alle aufnehmen, das zeigt sich auch bereits in Deutschland, wo die Kosten für die Unterbringung von Flüchtlingen in Milliardenhöhe steigen.“ Foto: privat

    Szenenwechsel: Seit April dieses Jahres führt die Südtiroler Vinzenzgemeinschaft in der Bozner Kapuzinergasse ein Hygienezentrum für Obdachlose und von Armut Betroffene. Ihr Präsident, Josef Haspinger, kennt die Menschen, reicht ihnen ein frisches Handtuch für die Dusche, kommt ins Gespräch. Er will sich von pauschalen Urteilen distanzieren und wählt seine Worte mit Bedacht. „Unter den Ausländern gibt es einige wenige Aggressive – alleine dadurch aber richtet sich das gesellschaftliche Klima gegen sie. Dass die Politik das ausschlachtet, ist für mich die unterste Stufe und bei populistischen Parteien in Südtirol und quer durch Europa zu beobachten.“ 

    Damit mache man vor allem in ländlichen Gebieten Südtirols Stimmung, wo der Anteil der ausländischen Bevölkerung mit wenigen Ausnahmegemeinden wie Franzensfeste oder Salurn im Vergleich zu urbanen Gebieten laut ASTAT geringer ist. „Natürlich gibt es auch bei den Menschen mit ausländischer Staatsbürgerschaft schwarze Schafe, die gibt es aber auch unter unseren Leuten. Deshalb schenke ich solchen Statistiken zur Kriminalität nicht viel Beachtung. Ausländer werden viel leichter von der Polizei aufgegriffen als die großen Männer in der Politik, die sich auch nicht immer an die Gesetze halten“, sagt Haspinger. 

  • Trotzdem stimmt er rechten Parteien in der Forderung zu, dass die Migrationspolitik geändert werden müsse. Es sei wichtig, den Menschen in ihren Herkunftsländern vor Ort bereits Perspektiven zu schaffen. „Auch hier sind viele auf öffentliche Unterstützung angewiesen, da sie in bestimmten Sektoren wie dem Tourismus nur befristete Verträge erhalten und sehr schlecht bezahlt werden. Auch die Landwirtschaft ist betroffen, doch in diesem Sektor ist es für die Finanzpolizei leichter kontrollierbar. Natürlich müssen sie die Sprache lernen und sich auch mit unserer Kultur auseinandersetzen, aber das nimmt mehr Zeit in Anspruch als nur ein paar Jahre“, so Haspinger. 

    „Wir können in Europa nicht alle aufnehmen, das zeigt sich auch bereits in Deutschland, wo die Kosten für die Unterbringung von Flüchtlingen in Milliardenhöhe steigen. Umso wichtiger ist es deshalb, in die Entwicklungszusammenarbeit zu investieren, damit vor Ort in den Herkunftsländern vor allem durch Bildung und Arbeitsmöglichkeiten Perspektiven geschaffen werden. Dabei mag der Vorwurf stimmen, dass es bei der Vergabe von Entwicklungsgeldern zu Korruption kommt, aber korrupt sind wir auch“, erklärt der Präsident der Vinzenzgemeinschaft.  

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Josef Fulterer Fr., 10.11.2023 - 05:45

Die gegen Ausländer Gift + Galle verteilende Schnatter-Düchse S V E N , hat damit zur großen Freude der Urmamma Klotz bei den letzten Wahlen gepunktet.
E R wird auch weiterhin im Landtag die Diskussionen damit vergiften, wenn E S die EHREN-werten Kolegen dulden.

Fr., 10.11.2023 - 05:45 Permalink