Gesellschaft | LGBT

Homophobe Handschrift?

Ist der Beitritt des Landes zum Netzwerk gegen Diskrimierung eine “politische Alibiaktion”? Der Landeshauptmann kontert: “Wir sind beigetreten und stehen dazu.”
Regenbogen
Foto: Pixabay

Es ist eine kurze, harmlos scheinende Pressemitteilung der Landespresseagentur (LPA). Beim Durchlesen sind sich die Grünen sicher: “Hier zeigt sich wieder einmal die Diskrepanz zwischen den Regierungspartnern.” Dem Landeshauptmann hingegen entlockt die entbrannte Polemik ein hörbares Durchschnaufen – gefolgt vom Kommentar: “Ich verstehe dieses Theater nicht.” Die Grünen hingegen wollen in den wenigen Zeilen der Pressemitteilung “klar die homophobe Handschrift der Lega” erkennen.

Dabei geht die Botschaft der Pressemitteilung, die am Donnerstag Vormittag versandt wird, eigentlich in die völlig entgegengesetzte Richtung: “Die Landesregierung hat beschlossen, dem gesamtstaatlichen Netzwerk RE.A.DY beizutreten, das gegen Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität eintritt.”

 

Ist Südtirol nicht ready?

 

Das Antidiskriminierungsnetzwerk RE.A.DY wurde 2006 auf Betreiben der Gemeinden Turin und Rom errichtet, “um vorbildliche Maßnahmen zum Schutz vor Diskriminierung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgendern (LSBT) zu fördern. Dem Netzwerk gehören mittlerweile italienweit viele öffentliche Verwaltungen an, darunter auch das Trentino und die Gemeinden Bozen, Meran, Brixen und Eppan. Mit dem Beitritt zum Netzwerk verpflichtet sich das Land dazu, Rechte, Chancengleichheit und Bedürfnisse von LGBT mitzudenken und mit zu berücksichtigen”. So steht es, ganz nüchtern, in der deutschen Fassung der LPA-Meldung.

Auch die italienische Version, die am Donnerstag um 11.20 Uhr lanciert wird, enthält dieselbe Botschaft – “È stata recentemente approvata da parte della Giunta provinciale, su proposta del presidente, Arno Kompatscher, l’adesione alla Rete nazionale delle pubbliche amministrazioni anti discriminazioni per orientamento sessuale e identità di genere (RE.A.DY)” – und fällt sogar noch etwas ausführlicher aus. Neben einem Zitat von Kompatscher erfährt man auch, dass sich das Land mit dem Beitritt zu RE.A.DY verpflichtet, Homosexuelle, Transsexuelle und Transgender-Personen dabei zu unterstützen, zu gleichen Rechten, wie sie für alle selbstverständlich sein sollten, zu gelangen.

Dieser Passus wird in einer zweiten Fassung der italienischen LPA-Meldung Stunden später gelöscht. Der Beitritt sei rein symbolischer und nicht formaler Art. Das bestätigt Landeshauptmannstellvertreter Giuliano Vettorato (Lega) am Freitag Morgen in der italienischen Presse. Das Land werde sicherlich keine Schritte in diese Richtung setzen, und sich keinesfalls “in Gender-Projekten oder Ähnlichem” engagieren, so Vettorato.

 

 

“Politische Alibiaktion”

 

“Schlimm! Dank der Lega ist der Beitritt an das Netzwerk RE.A.DY nur ‘symbolisch’ und ‘ohne konkrete Maßnahmen’. Die Lega widersetzt sich, wie schon im Trentino und jetzt in Südtirol, nicht nur der Gleichstellung, sondern auch der Bekämpfung des Bullyings. Herr Landeshauptmann, helfen Sie uns, unsere Jugendlichen vor homophoben Beleidigungen zu schützen!” Diesen Appell lanciert Andreas Unterkircher nach der Lektüre von Vettoratos Aussagen auf Facebook. Der Centaurus-Präsident hatte Arno Kompatscher um den Beitritt des Landes zu RE.A.DY ersucht.

Die Grünen fordern indes “ein klares Bekenntnis der Landesregierung zum Antidiskriminierungsnetzwerk RE.A.DY” und sprechen von einer “politischen Alibiaktion”. “Dieses Netzwerk lebt von konkreten Aktionen und nicht von fadenscheinigen Lippenbekenntnissen”, so die Grünen Co-Sprecher Felix von Wohlgemuth und Marlene Pernstich in einer Aussendung. “Dieser kleine aber feine Unterschied in den Pressemitteilungen zeigt uns wieder einmal die Diskrepanz zwischen den Regierungspartnern. Darin ist klar die homophobe Handschrift der Lega zu erkennen, die sich gegen einen formalen Beitritt zum Netzwerk stellt.” Auch aus dem PD kommt Kritik, Diego Laratta, der in der Jugendorganisation des PD tätig ist, schreibt auf Facebook von einer “beschämenden Kehrtwende der Landesregierung”.

 

“100 Prozent beigetreten”

 

“Wir sind beigetreten, ohne Wenn und Aber. Und wir stehen dazu.” Unmissverständlicher könnten die Worte von Arno Kompatscher nicht ausfallen. “Ich habe in der Landesregierung den Vorschlag unterbreitet, erklärt, was RE.A.DY ist und es gab allgemeines Kopfnicken”, erinnert sich der Landeshauptmann. Weil keinerlei Einwände gekommen seien, sei das entsprechend im Sitzungsprotokoll vermerkt worden und er habe daraufhin ein Schreiben an RE.A.DY verfasst: “Hiermit darf ich Ihnen mitteilen, dass das Land Südtirol im Sinn hat, beizutreten.”

“Wir sind beigetreten – und zwar nicht teilweise oder zu 90 Prozent – und wollen damit ein Signal senden”, wiederholt Kompatscher. Von einer “politischen Alibiaktion”, wie sie ihm die Grünen vorwerfen, will er nichts wissen: “Ich verstehe die Grünen langsam nicht mehr: Jedes Mal wenn es etwas gibt, was sie inhaltlich befürworten, sagen sie sinngemäß ‘Aber nein, es darf nicht sein, das eine SVP-geführte Regierung das tut; das passt uns jetzt nicht, deshalb ist es nur Alibi’.”

 

“Das einzige Misservständnis war, glaube ich”, fährt der Landeshauptmann fort, “dass aufgrund des ‘approvato’ im italienischen Text nach dem Beschluss gefragt wurde. Den gibt es aber nicht. Bei solchen Dingen machen wir nie einen Beschluss. Beitritte oder Schirmherrschaften werden immer nur im Protokoll vermerkt. Ich glaube, das war der einzige Punkt, wo Landeshauptmannstellvertreter Vettorato einen Präzisierungsbedarf gesehen hat – der aus meiner Sicht dann wiederum zu einem Missverständnis geführt hat. Insofern ist der Beitritt ein symbolischer Akt – weil es keinen Beschluss gibt. Es ist ein Zeichen, das das Land setzt. So habe ich es auch in der Landesregierung erklärt: Wir setzen ein Zeichen gegen Diskriminierung.”

Die Frage, ob dem Beitritt auch Taten bzw. konkrete Initiativen vonseiten des Landes folgen werden, beantwortet Kompatscher so: “Teil dieses Netzwerks ist, das öffentliche Verwaltungen klar Position beziehen. Wer dort beitritt, sagt, er bekennt sich zur Haltung der Nichtdiskriminierung. Als Landeshauptmann habe ich das schon öfters gemacht. Darüber hinaus gibt es einen jährlichen Bericht, in dem festgehalten wird, was gemacht worden ist, ob es Initiativen, Überzeugungs- oder Aufklärungsarbeit, Sensibilisierung gegeben hat. Da haben wir gesagt, da sind wir gerne dabei. Die Landesregierung hat klar Position bezogen.”