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Europa zwischen Toleranz und Verleugnung

Unsere Demokratie steht unter Beschuss – von Extremisten, Populisten und Ideologen. Höchste Zeit, dass die Mitte Haltung zeigt und handelt. Europa Zwischen Toleranz und Selbstverleugnung.
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Pragmatismus verteidigt Welt gegen Extremismen
Foto: Reinhard Bauer
  • Die Freiheit schützt auch ihre Feinde – zu gut?

    In Berlin haben Islamisten eine Gaza-Demonstration gekapert und wieder offen die Einführung eines Gottesstaates und der Scharia gefordert – Eine Forderung, die unter dem Schutz demokratischer Grundrechte laut wurde – und dabei gegen sie gerichtet ist! 

    Unsere Demokratie ist kein Naturgesetz. Sie ist eine gesellschaftliche Errungenschaft – fragil, widersprüchlich, aber kostbar. Doch heute wird sie von verschiedenen Seiten bedroht: Vom Islamismus, der mit dem demokratischen Rechtsstaat unvereinbare Ideale verfolgt. Von rechten wie linken Extremen, die unsere Gesellschaft geiseln – durch Radikalisierung, Fanatisierung und die bewusste Zerstörung von Vertrauen in die Politik. 

    Während Islamisten den Rechtsstaat offen verachten und ein Kalifat errichten wollen, träumen rechtsextreme Nationalisten von einer ethnisch homogenen „Volksgemeinschaft“. Auf der linken Extremposition hingegen wird unter dem Schlagwort „Woke“ eine moralische Deutungshoheit beansprucht – wer ihr nicht folgt, riskiert soziale Ächtung statt demokratischer Debatte. Jüngst etwa in Bozen, wo bei der ersten Pride Parade zahlreiche Free-Palestine-Fahnen gehisst wurden – ein Beispiel dafür, wie ideologische Botschaften subversiv in emanzipatorische Bewegungen eingebracht werden. Eine politische Instrumentalisierung, die nicht nur vom eigentlichen Anliegen ablenkt, sondern auch spaltet.

  • Islamistischer Extremismus – längst kein Randphänomen mehr

    Der islamistische Extremismus ist kein fernes Problem, das sich nur in Einzelfällen äußert – er ist tief in Teilen der europäischen Gesellschaft verankert. Das zeigt sich nicht zuletzt auf öffentlichen Kundgebungen, bei denen immer wieder Free-Palestine-Fahnen gehisst und offen antisemitische Parolen skandiert werden – darunter der Satz „From the river to the sea“, der die Auslöschung Israels impliziert. Was einst undenkbar schien, wird zunehmend normalisiert – und von Teilen der Gesellschaft stillschweigend hingenommen.

    Doch genau hier ist eine klare Grenze zu ziehen: Eine starke Mitte – ob sozial, bürgerlich, konservativ oder liberal – darf solche Umdeutungen demokratischer Grundrechte niemals dulden. Wer das Existenzrecht Israels infrage stellt, wer Hass unter dem Deckmantel politischer Meinungsfreiheit verbreitet, verlässt den Boden unserer Verfassung. Das ist keine Meinung mehr – das ist Demokratieverachtung.

  • Was all diesen Strömungen gemein ist: Sie spalten. Sie destabilisieren. Und sie nähren sich gegenseitig.

  • Der Populismus als Verlustgeschäft: Wie Emotionen die Vernunft überlagern

    Populisten gewinnen keine Wahlen mit besseren Ideen, sondern mit besseren Gefühlen – genauer: mit der Inszenierung von Verlustgefühlen. Der Soziologe Andreas Reckwitz beschreibt den Populismus als „Verlustgeschäft“[1]. Populisten leben von der Erzählung des Kontrollverlusts, des kulturellen Rückgangs, des sozialen Abstiegs. Es geht nicht um reale Verluste, sondern um deren gefühlte Bedrohung.

    Trump hat zwei Wahlen gewonnen, weil er genau diese Ängste in der Bevölkerung ansprach: Angst vor Migration, vor Identitätsverlust. Auch der Brexit war kein rationales Projekt, sondern ein emotionales: Er appellierte an ein angebliches „Zurückholen der Kontrolle“. Heute wissen wir: Der Brexit ist für Großbritannien der GAU – er kostet das Empire jährlich 162 Milliarden Euro[2] – und Verbraucher*innen sind dabei die Leidtragenden, da Grundnahrungsmittel bis zu 3-mal so viel kosten wie vorher.


     

    [1] https://www.suhrkamp.de/buch/andreas-reckwitz-verlust-t-9783518588222

    [2] https://www.zeit.de/wirtschaft/2024-01/london-brexit-kosten-140-milliar…

  • Und in der EU?

    In der EU funktionieren die Mechanismen ähnlich: Migranten werden von der „Rechten“ pauschal als Gefahr dargestellt und „Remigration“ als Lösung präsentiert. Doch die Realität ist viel komplexer. Ja, es gibt Probleme. Der Islamismus ist z.B. eine reale Bedrohung. Er muss klar benannt und nicht bagatellisiert werden. Doch auch die andere Seite des Spektrums missbraucht Ängste, um die Demokratie auszuhöhlen: Nationalisten stilisieren sich zu Rettern des Abendlands und hetzen gegen Andersdenkende, gegen „die da oben“, gegen Vielfalt. Populismus kennt keine Verantwortung – nur Empörung. Und die trifft meist „die anderen“. 
    Doch es geht auch anders.

  • Foto: Reinhard Bauer Gemini
  • Europas Versprechen: Vielfalt durch Recht, Freiheit durch Ordnung

    Europa ist mehr als ein Kontinent- die EU ist ein Friedensprojekt. Die europäische Integration hat aus jahrhundertelanger Feindschaft Zusammenarbeit gemacht. Dieses Projekt verdient nicht nur Verteidigung – es verdient Begeisterung. Der Populismus und Extremismen greifen dieses Projekt von innen heraus an. In praktisch allen Ländern der EU und auf verschiedenen Ebenen.

    Das italienische Recht kennt klare Grenzen gegen Extremismus: Art. 21 der Verfassung schützt die Meinungsfreiheit, verbietet aber Angriffe auf die öffentliche Ordnung. Art. 270-bis des Strafgesetzbuches stellt die Beteiligung an subversiven Bewegungen unter Strafe – auch islamistische. In Deutschland gilt das Prinzip der „wehrhaften Demokratie“ (§§ 129 ff. StGB, Art. 20 Abs. 4 GG). 

    Die Instrumente sind da – sie müssen angewendet werden. Und daran scheitern wir derzeit!

  • Polarisierung als Gefahr: Wenn die Mitte zerfällt

    Der Kern des Problems liegt in der zunehmenden Polarisierung. Wenn politische Diskussionen nur noch zwischen links und rechts, „Woke“ und „Autoritär“, „Gutmenschen“ und „Rechtspopulisten“ geführt werden, bleibt kein Raum für Zwischentöne – und damit auch kein Raum für Lösungen.

    Die politische Mitte schrumpft. Nicht, weil sie keine Werte hätte, sondern weil sie nicht mehr gehört wird. Weil sie nicht zuspitzt, sondern abwägt. Weil sie nicht schreit, sondern nach Lösungen sucht. In dieser Leerstelle agieren Populisten. Sie ersetzen Komplexität durch einfache Antworten – und gefährden damit genau die Institutionen, die uns stabil durch Krisen tragen könnten.

    Der Populismus als Nährboden des Extremismus normalisiert die radikale Sprache, delegitimiert Institutionen und schafft Feindbilder. So wird Polarisierung zum Einfallstor für Demokratieverachtung. Der Populismus ebnet den Weg – der Extremismus überschreitet die Grenze.

  • Die Lösung: Pragmatismus statt Ideologie

    Die großen Aufgaben unserer Zeit – Migration, Integration, soziale Gerechtigkeit, Klimaschutz, Biodiversität – lassen sich nicht ideologisch lösen. Sie verlangen konkrete Maßnahmen - keine Parolen. Solche Maßnahmen sind weder „rechts“ noch „links“ – sie sind notwendig. Die Lösung liegt nicht im linken oder rechten Lager, und schon gar nicht in Extremismen. Sie liegt in der Rückbesinnung auf das Gemeinsame – durch realistische, aber entschlossene Politik.

  • Foto: rb
  • Was wir alle tun können: Demokratie braucht Haltung

    Demokratie beginnt im Alltag – in der Art, wie wir über unsere Gesellschaft und die Politik reden: ob wir differenzieren oder nur empören. 


    Wer Argumente statt Parolen unterstützt und Kompromisse als Stärke erkennt, stärkt unsere Demokratie.
     

    Europa braucht keine Helden, sondern Menschen mit Haltung – die nicht Angst schüren, sondern gestalten. Europa scheitert nicht an seinen Feinden – sondern nur, wenn die Mitte schweigt.

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Karl Gudauner Fr., 11.07.2025 - 15:44

Die Abwicklung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, kulturellen und ethischen Errungenschaften sowie Gemeinwohlorientierung und ökologischer Verantwortung ist in vollem Gang. Big Tech und Big Finance ist es recht, wenn Extremisten sie dabei unterstützen, die Grundpfeiler der Gesellschaft zu destabilisieren, selbst wenn deren Ziele den eigenen Interessen zuwiderlaufen. Die Hintermänner sind der Überzeugung, dass sie nach der Etablierung der neuen (Un-)Ordnung die Extremisten, so wie es nach jeder Revolution passiert ist, problemlos verräumen können.

Fr., 11.07.2025 - 15:44 Permalink