Umwelt | Gastbeitrag

Der Countdown läuft

Nur noch für kurze Zeit hat die Menschheit die Chance, eine Klimakatastrophe zu verhindern. Was jeder und jede Einzelne dazu beitragen kann.
Klimawandel
Foto: Pixabay

Letzten Montag erschien der langersehnte Sonderbericht des Weltklimarates IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change). Der Bericht, welcher von 91 weltweit führenden Klimaforschern verfasst wurde, beschreibt, was nötig ist, damit sich die globale Erwärmung noch auf 1.5°C gegenüber vorindustriellen Zeiten begrenzen lässt. Kurzgefasst: globale CO2 Emissionen müssen dafür bis 2030 im Vergleich zu 2010 Werten um 45% gesenkt werden und bis zum Jahre 2050 auf null gebracht werden. Ja, sie haben richtig gelesen: Laut diesem Bericht verbleiben uns 12 Jahre um globale CO2 Emissionen auf fast die Hälfte zu reduzieren, wenn wir den schlimmsten Konsequenzen des Klimawandels entgegenwirken wollen. Debra Roberts, eine der beteiligten Forscherinnen an diesem Bericht, deklarierte diesbezüglich: "The next few years are probably the most important ones in our history".

Eingeführt wurde das 1.5°C Ziel im Pariser Klimaabkommen, das bis zum heutigen Zeitpunkt von 181 Nationen unterzeichnet wurde. Das Klimaabkommen sieht vor, die Erderwärmung bis 2100 auf 2°C und möglichst gar 1.5°C gegenüber vorindustriellen Temperaturen zu begrenzen. Jedoch beinhaltet das Abkommen keinerlei rechtliche Verpflichtungen zu Emissionsreduktionen von Seiten der unterzeichneten Staaten und die bisher genannten freiwilligen nationalen Beiträge reichen bei weitem nicht aus, um dieses Ziel zu erreichen. Es wurde ein globaler Fond zur Finanzierung von effizienteren Technologien erstellt, aber es ist bei weitem noch nicht klar, ob die nationalen Beiträge zur Finanzierung dieser Investitionen ausreichen werden.

Lasst uns den Mut finden, Teil der Lösung zu sein, sodass wir den nächsten Generationen mit reinem Gewissen sagen können, dass wir unser Bestes gegeben haben.

Die globalen Temperaturen weltweit sind bereits um durchschnittlich 1°C gestiegen und ohne rapide Massnahmen werden wir eine Erhöhung von 1.5°C schon im Zeitraum 2030 - 2052 erreichen. Dies hätte allerdings katastrophale Konsequenzen für die gesamte Weltbevölkerung. Extreme Wetterereignisse wie Hitzewellen, Starkniederschläge und Überschwemmungen würden stärker und häufiger und auch Dürren würden vielerorts zunehmen und an Stärke gewinnen, berichtet der IPCC. Zu guter Letzt verstärkt die globale Erwärmung das Risiko von sogenannten Kipppunkten im Klimasystem. Dabei können beispielsweise Methangase aus auftauenden Permafrostböden zu weiterer Erwärmung und damit zu positiven Rückkopplungen führen.

Klar ist: Eine Überschreitung dieser Grenze hätte unkontrollierbare Folgen. Der Countdown läuft. 

Der Weltklimarat zeigt sich jedoch hoffnungsvoll. Die im Bericht enthaltenen Klimamodelle zeigen, dass das 1.5°C Ziel erreicht werden kann, sofern rapide, systemübergreifende Transitionen in allen industriellen Sektoren in den nächsten 12 Jahren erfolgen, wie zum Beispiel in den Energie-, Infrastruktur-, Transport- und Agrarsektoren. 

Dies erfordert allerdings enorme Investitionen in jährlicher Milliardenhöhe. Außerdem beinhaltet das IPCC Modell des Übergangs zu einer 1.5°C-Zukunft die massive Anwendung von negativen Emissionstechnologien, nämlich Technologien, die Kohlenstoffdioxid aus der Atmosphäre entziehen. Diese Technologien, auch als geoengineering bekannt, und deren potentiell grosse Risiken, unterliegen jedoch noch vielen wissenschaftlichen Unsicherheiten und sind zum jetzigen Standpunkt noch zu teuer, um auf globaler Ebene angewendet zu werden.

Klar ist: Eine Überschreitung dieser Grenze hätte unkontrollierbare Folgen. Der Countdown läuft. 

Angesichts der hohen Risiken die geoengineering Technologien mit sich bringen und die zurzeit nicht vorhandenen Finanzierungsquellen für deren globale Anwendung, zeigt sich ein grosser Teil der Forschungsgemeinschaft jedoch weniger optimistisch. Jene Forscher plädieren den Fokus von Effizienz bestärkt auf Suffizienz zu setzen. Während systematische Effizienzoptimierungen der industriellen Sektoren nötig sind, müssen diese mit Veränderungen des Konsumverhaltens einhergehen. Ansonsten riskiert man dem Jevons Paradox, auch «rebound-effect» genannt, zur Falle zu kommen. Erhöhte technologische Effizienz führt nämlich dazu, dass Preise sinken, was wiederum zu erhöhtem Konsum führt. Um diesen Kreis zu brechen, muss eine Reduzierung des Konsums jedes Einzelnen stattfinden. Und genau hier liegt unsere Verantwortung als Gesellschaft und die Möglichkeit der Klimakrise entgegenzuwirken. Einfache Alternativen sind zum Beispiel weniger Fleisch konsumieren, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit fahren statt mit dem Auto, mit dem Zug in den Urlaub statt mit dem Flugzeug und allgemein weniger Konsumgüter kaufen. Das sind alle Aktionen, die kollektiv grosse Veränderungen hervorbringen.

Ja, sie haben richtig gelesen: Laut diesem Bericht verbleiben uns 12 Jahre um globale CO2 Emissionen auf fast die Hälfte zu reduzieren, wenn wir den schlimmsten Konsequenzen des Klimawandels entgegenwirken wollen.

So berichtet auch der IPCC, dass präzedenzlose Veränderungen in allen Bereichen der Gesellschaft nötig sind, und das mit sofortigem Start, um das Ziel zu erreichen und Risiken möglichst zu beschränken. 

Wenn sich jeder einzelne von uns also fragt, was sein oder ihr Beitrag in den nächsten zwölf Jahren sein kann, dann lautet die Antwort: Denken wir darüber nach was alles auf dem Spiel steht. Denken wir über das eigene Konsumverhalten nach und konsumieren weniger. Reflektieren wir über die kulturellen Normen, die uns auf einen homo consumens beschränken, die Konsum zu einer identitätsbildenden Aktivität machen.  Reflektieren wir über die institutionellen Strukturen und ob diese dem Ernst der Lage entsprechend handeln. Wählen wir politische Parteien, die konkrete Klimapolitik in ihrem Programm haben. Seien wir alle Mitgestalter dieser Veränderung. 

Die Herausforderung, die uns bevorsteht, wird dieses und die darauffolgenden Jahrhunderte zutiefst beeinflussen. Lasst uns dennoch den Mut finden, Teil der Lösung zu sein, sodass wir den nächsten Generationen mit reinem Gewissen sagen können, dass wir unser Bestes gegeben haben.