Ausgezeichnetes Körperwissen

-
Das Thema der Masterarbeit von Nora Pider lautete Let's talk about Menstruation. „Ich habe über Menstruation geschrieben und über die historische Enteignung von Körperwissen und wie sich das aktuelle Empfinden von der Menstruation auswirkt“, erzählt die Siegerin auf Nachfrage von SALTO. Für ihre Arbeit hat sie „menstruierende Personen befragt, wie sie sich in der Menstruation in ihrem Körper erleben.“ Auf die Einreichung zum Lidia-Menapace-Preis hat Pider ihre Mutter gebracht; die meinte, dass die Arbeit ihrer Tochter zum Förderpreis für wissenschaftliche Arbeiten „gut passen“ würde. Pider gab ihrer Mutter recht und reichte ein. Die Sängerin der bekannten Band Anger kämpfe ja ohnehin dafür, „dass das Thema Menstruation aus dem Tabu herauskommt“. Und nun diese Öffentlichkeit!
-
Ein Preis im Namen von Lidia Menapace: Die Vorsitzende der Bewertungskommission Sabine Giunta. Foto: SALTO/HM
Nora Pider wurde bei der heutigen Verleihung auf den ersten Platz gereiht. Die Förderpreise für wissenschaftliche Arbeiten „Lidia Menapace“ prämieren ausgewählte Forschungen aus den Bereichen Politische Bildung, Soziologie, Geschichte, Kunst, Medizin, Architektur, Bildungswissenschaften etc. „Die Studienrichtungen und Themenbereiche der eingereichten wissenschaftlichen Arbeiten der vergangenen über 20 Jahre der Preisverleihung sind so mannigfaltig wie ihre Verfasserinnen“, heißt es in der Aussendung. Eines sei aber allen gemein: „Die Auseinandersetzung mit gesellschaftsrelevanten Themen zu Geschlechterfragen und Chancengleichheit als Beitrag, Denkanstoß und Ansporn für aktuelles und künftiges Handeln.“
Platz 2 und Platz 3: Können sich ebenfalls über Siegergeld freuen: Niccolò Truzzi und Sophie Polig Foto: SALTO/HMDer Sieg ging also an ein in Musik- und Theaterkreisen bekanntes Gesicht: Nora Pider. Die Brixnerin, die an der Universität Wien (Fakultät Gender Studies) studierte, schrieb ihre Masterarbeit über Enteignungsprozesse des Körperwissens und ihre Auswirkungen auf das heutige Verständnis und Empfinden der Menstruation und wird für ihre Arbeit nun mit 3.000 € belohnt. Zum Thema wird sie auch weiterhin Workshops und Informationen anbieten, denn „es ist wichtig“, sagt sie, „dass darüber geredet wird – über Frauen, Gesundheit und über das Thema Menstruation, weil ja mehr als die Hälfte aller Menschen auf der Welt menstruieren.“ Der Bozner Niccolò Truzzi darf sich über 2.500 € freuen. Er hat an der Università degli Studi di Verona studiert und die Jury mit seiner Arbeit Il gender pay gap nel calcio femminile überzeugt. Sophie Polig aus Ratschings belegte Platz 3 mit einer am Management Center Innsbruck – Fakultät Wirtschaft und Gesellschaft gefertigten Arbeit über Soziale Arbeit, die bewegt – Eine qualitative Untersuchung der politischen Praxis von Fachkräften der Sozialen Arbeit im Kontext einer feministischen Frauenbewegung in Südtirol. Für sie winken 2.000 €.
Lidia Menapace: Sie verstand Politik als moralische Verpflichtung, Freiheit und Solidarität zu verteidigen. Foto: upiUnd wer war nochmal Lidia Menapace? Für die jüngeren Südtirolerinnen und Südtiroler und die gegenwärtige Politik sei auf diesem Wege noch einmal erinnert: Lidia Menapace (1924–2020) war eine Intellektuelle, Partisanin, Feministin und Politikerin. Sie gilt als „Grande Dame“ des italienischen Antifaschismus und Feminismus und steht für so ziemlich alles, was derzeit in der Politik nicht abgeht: Menschlichkeit. Menapace war Mitbegründerin der Universität Trient und eine frühe und führende Stimme der Frauen- und Friedensbewegung – nicht nur in Südtirol. 1964 kandidierte Menapace für den Regionalrat Trentino-Südtirol und konnte neben Waltraud Gebert-Deeg als erste Frau in den Südtiroler Landtag einziehen. Von 1965 bis 1969 war sie Landesrätin für soziale Fürsorge und Gesundheit. In Südtirol setzte sie sich für eine offene, nicht ethnisch definierte Gesellschaft ein und kritisierte die Pflicht zur Erklärung der Sprachgruppenzugehörigkeit als Eingriff in die Privatsphäre. Als Vertreterin der Rifondazione Comunista wurde sie 2006 Senatorin und blieb bis ins hohe Alter aktiv für soziale Gerechtigkeit, Pazifismus und Gleichberechtigung. Menapace verstand Politik als moralische Verpflichtung, Freiheit und Solidarität zu verteidigen – wahrlich eine Seltenheit heutzutage.
Weitere Artikel zum Thema
Culture | Bibliophile Fragen„Das ist mir zu unromantisch“
salto.music | Anger / Interview„Wir hatten diesen Gitarrenloop“
Culture | SALTO GesprächLidia, tra fumetto e potere delle parole
Und welche bahnbrechenden…
Und welche bahnbrechenden Erkenntnisse hat Frau Pider nun zum Thema Menstruation beizutragen? Bitte um Aufklärung!