Gesellschaft | Klimawandel

Das Tabu der Alpenvereine

Ja zu alpinem Wintersport, Nein zu neuen Skigebieten – die seien eine “massive Bedrohung für die Alpen”, sagen Deutscher, Österreichischer und Südtiroler Alpenverein.
Skifahren am Kronplatz
Foto: Othmar Seehauser

Die Wetter- und Pistenverhältnisse hätten zu Beginn der heurigen Skisaison besser nicht sein können. Umgeben von tiefverschneiten Landschaften und unter strahlend blauem Himmel haben am Wochenende viele Skigebiete im Land den Betrieb aufgenommen. Doch die Idylle ist trügerisch. Forscher warnen schon seit langem: Falls es nicht gelingt, den Klimawandel aufzuhalten und klimaschädliche Emissionen zu stoppen, werden die Alpen bald ohne Schnee dastehen – mit Folgen nicht nur für die lokale Umwelt, sondern auch für den Wintersport. Laut dem Schweizer Institut für Schnee- und Lawinenforschung wird die Schneedecke in den Alpen durch den Klimawandel um bis zu 70 Prozent abnehmen und nur noch Skigebiete über 2.500 Höhenmetern genug Naturschnee für Wintersport haben. Auch die Skisaison dürfte bis Ende des Jahrhunderts einen halben bis einen Monat später beginnen als heute

Wie soll der alpine Skisport der Zukunft aussehen? Die Frage beschäftigt in Zeiten von Klimawandel, Artensterben und Overtourism nicht nur Forscher, Wirtschafts- und Tourismustreibende. Sondern auch die Alpenvereine. “Als große gesellschaftliche Akteure mit viel einschlägiger Erfahrung sehen wir uns in der Pflicht, unseren Standpunkt in diese Debatte einzubringen”, heißt es in einer gemeinsamen Aussendung von Deutschem Alpenverein (DAV), Österreichischem Alpenverein (ÖAV) und Alpenverein Südtirol (AVS). Dieser lautet: “Wir bekennen uns zum alpinen Wintersport – stellen uns aber gegen den Wettlauf um immer größere Skigebiete.”

 

Ja zu Bestehendem, Nein zu Neuem

 

Der Skisport sei historisch und kulturell im Alpenraum tief verwurzelt, und spiele auch eine sportlich wichtige Rolle – entsprechend stellten die Skigebiete “einen bedeutenden Pfeiler im breiten touristischen Angebot der Alpen” dar, schicken die DAV, ÖAV und AVS voraus. Auch gehöre zu einer tragfähigen Zukunft des alpinen Wintersports in den Alpen “zweifelsfrei der Erhalt und die Modernisierung von Skigebieten innerhalb der bestehenden Grenzen”.
Allerdings stellen sich die Alpenvereine gegen den Wettlauf um immer mehr Pistenkilometer und immer größere Skigebiete und Zusammenschlüsse. “Insbesondere sind wir gegen so genannte Erweiterungen, die Neuerschließungen gleich kommen, und fordern einen Erschließungsstopp für unerschlossene Geländekammern sowie einen umfassenden Gletscherschutz. Denn dabei geht ein rar gewordenes Gut für immer verloren: intakte Naturlandschaft. Die Alpen sind bereits jetzt das mit großem Abstand am intensivsten genutzte Hochgebirge der Welt”, betonen DAV, ÖAV und AVS.

Wie erst jüngst die Gesamttiroler Heimatpfleger, ziehen auch die Alpenvereine zwei aktuelle Beispiele heran, die sie als “massive Bedrohung für den einzigartigen Natur- und Kulturraum, der die Alpen sind”, sehen.

Zum einen der geplante Zusammenschluss der Pitztaler und Ötztaler Gletscherskigebiete, mit dem – dank 64 Hektar neuer Pistenfläche, drei neuen Gondelbahnen und einem neuen Seilbahnzentrum – “eine gänzlich ursprüngliche und intakte Hochgebirgslandschaft zugunsten des Massentourismus endgültig zerstört werden würde”, so die Alpenvereine.
Zum anderen der geplante grenzübergreifende skitechnische Zusammenschluss Langtaufers-Kaunertal im Obervinschgau. “Im weitgehend naturbelassenen Melagtal soll ein komplett neues Skigebiet aus dem Boden gestampft werden”, erinnern die Alpenvereine. Trotz negativer Umweltgutachten hat sich die Südtiroler Landesregierung bislang zu keiner Entscheidung durchgerungen. Für die Alpenvereine aber ist klar: “Neuerschließungen in Zeiten der Klimaerwärmung sind ein Tabu.”