Kultur | Film und Performance

Schuldig? Unschuldig?

Mit einem Film und einer Performance sucht Magdalena Mitterhofer im Kollektiv mit anderen Künstler*innen und Schauspieler*innen nach Antworten auf Schuldfragen.
Confessional: Magdalena Mitterhofer
Foto: Luca Guadagnini (Museion)
  • Seit Ende März ist er zu sehen. Und bis zum 1. September besteht noch die Möglichkeit. Der Kurzfilm Corte (2024) der 1994 in Südtirol geborenen Regisseurin Magdalena Mitterhofer läuft als Kunstfilm im Rahmen der Museion-Ausstellung Renaissance in Bozen – vor einem Betstuhl, der als Nachbau vom Drehort stammt. Mitterhofer hat ihren Debütfilm im Villaggio Eni in Borca di Cadore unweit von Belluno und Cortina gedreht, einem Touristenwohndorf aus den 1950er Jahren. In ihren Arbeiten erforscht Mitterhofer gerne ortsspezifische Beziehungen und lässt – so auch in Corte – in einem architektonisch interessanten Ensemble ihre (gemeinsam mit Co-Autor Richard Gersch verfasste) Geschichte mit sozialpolitischem Inhalt spielen. 
     

    Wie war das früher im Beichtstuhl, wie ist das beispielsweise im Bezug auf Cancel Culture?


    Der Villaggio Eni entstand zwischen 1952 und 1962 nach einer Idee von Enrico Mattei (1906-1962), einer auch in Südtirol, insbesondere im hintersten Antholzertal, nicht unbekannten historischen Persönlichkeit. 
    Den Entwurf für das Eni-Dorf hatte Mattei seinerzeit dem Architekten Edoardo Gellner (1909-2004) anvertraut, einem italienischen Architekten österreichischer Herkunft, der neben dem bekannten Wohndorf auch das Agip-Motel für die Olympischen Winterspiele 1956 in Cortina d’Ampezzo entwarf. Die touristische Einrichtung war ursprünglich für die Mitarbeiter von Eni und deren Familien gedacht, als unternehmerische Strategie (gekoppelt mit der sozialen Aufgabe) für das persönliche Wohlergehen der Mitarbeiter, um eine Spaltung zwischen den sozialen Schichten zu überwinden. Sein Architekt wählte das Gebiet um den Monte Antelao, und es wurden auch andere Architekten eingeladen, sich architektonisch am touristischen Wohnbauprojekt (180 Einfamilienhäuser) zu beteiligen. Die Kirche beispielsweise stammt aus der Tuschefeder des Architekten Carlo Scarpa (1906-1978). Bis Anfang der 1990er Jahre wurden die Gebäude von Eni genutzt. 1992 wurden das Wohndorf zunächst stillgelegt und die Gebäude in den folgenden Jahren verkauft. Das größte Gebäude des Komplexes, die Kolonie, befindet sich aktuell leider noch immer in einem Zustand der Verlassenheit und wird gelegentlich für Kunstprojekte genutzt.

  • In der Eni-Kolonie: Lokalaugenschein im Villaggio Eni für den Film "Corte" Foto: Martina Kreuzer
  • „Eine Freundin von mir wusste von ein paar Möbelstücken aus dem Haus von Enrico Mattei am Antholzersee, die dann durch Verkauf in Antholz und Olang gelandet waren“, erzählt Magdalena Mitterhofer. Über die Mattei-Mobiliar-Geschichte und ihr Interesse für die besondere Architektur Cortinas und des nahegelegenen Borca di Cadore, kam sie vor über zehn Jahren zum ersten Mal zum Villaggio Eni, ohne jedoch zu wissen, dass sie einige Jahre später inmitten dieses architekturhistorischen Juwels ihren ersten Film drehen würde. 

  • Magdalena Mitterhofer: Bei den Dreharbeiten zum Film "Corte". Im Film ist neben Thomas Prenn auch Katia Fellin dabei. Foto: Marvin Hesse

    Eine Kirchenbank aus der Kapelle der Kolonie ließ Magdalena Mitterhofer für die Ausstellung in Bozen nachbauen und stellte sie vor die Leinwand. „Das Objekt hat mir einfach gefallen“, erzählt sie, „als Symbol, weil es im Film unter anderem auch um Schuldzuweisungen geht.“ In Corte (die Festivalpremiere folgt noch) lässt sie eine Gruppe von jungen Menschen auf einen älteren Intellektuellen treffen. Trotz Wechselseitigkeit läuft am Anfang alles recht harmonisch, es wird getrunken, gelacht und getanzt. Bis der von Thomas Prenn verkörperten Figur ein Missgeschick passiert. Wer ist schuld? Wie damit umgehen? 
    Mit ähnlichen Fragen beschäftigt sich auch die Performance von Magdalena Mitterhofer gemeinsam mit Shade Théret, die sie am 25. Juli im Rahmen von Bolzano Danza Tanz Bozen im Museion zur Aufführung bringen wird. Ihr Projekt Confessional ist vom italienischen Avantgarde-Theater der 1960/70er Jahre inspiriert, auch vom Geist der Kulturgrößen Giuliano Vasilicò und Pier Paolo Pasolini. Essenzielle Fragen der Performance werden sein: Welche Bedeutung hat die Beichte? Welche Alternativen dazu bietet die heutige Gesellschaft? Wie definieren wir Schuld? 
    Außerdem: „Wie war das früher im Beichtstuhl, wie ist das beispielsweise im Bezug auf Cancel Culture heute?“ fragt Mitterhofer. Und: „Wie geht man mit Menschen um, die einen Fehler gemacht haben?“ Antworten zeigt sie im Film und am 25. Juli gemeinsam mit Shade Théret im Museion.

  • Confessional: Magdalena Mitterhofer (2024), Video, Beichtstuhl, Zeichnungen Foto: Luca Guadagnini (Museion)
  • Zu Enrico Mattei im Antholzertal demnächst mehr auf SALTO