Gesellschaft | Wohnen & Leben

Generation Z auf Wohnungssuche

„Leistbares Wohnen“ und die Abwanderung der klugen Köpfe waren zentrale Schlagworte des letzten Wahlkampfes. Doch wie reagieren auf den gesellschaftlichen Wandel?
Generation Z
Foto: StockSnap auf Pixabay
  • Laut einer Analyse des Arbeitsmarktservice vom vergangenen Mai verlassen rund 1.000 junge Südtiroler unter 30 jährlich das Land. Dieser Trend verstärkt sich und betrifft sowohl Akademiker wie auch andere Fachkräfte. Mit eine Ursache für diese Entwicklung sind nicht nur bessere Jobs, die angeblich im Ausland winken, sondern auch die Wohnsituation in Südtirol und die Erreichbarkeit des Arbeitsplatzes. Dazu gesellt sich eine grundlegender gesellschaftlicher Wandel. Synonym dafür steht die Generation Z, also jene jungen Menschen, die zwischen 1995 und 2005 geboren wurden. Anders als noch vor 30 und 40 Jahren suchen sie nicht nach einem Beruf fürs ganze Leben, einem Partner fürs ganze Leben oder eben auch nach einer Wohnung fürs ganze Leben, sondern die Generation von heute denkt in kürzeren Abschnitten und Zeithorizonten. Zudem ist sie wesentlich mobiler als frühere Generationen: Arbeiten und leben im Ausland stellt heute keine Ausnahme mehr dar, sondern ist mittlerweile eine Selbstverständlichkeit. Wie Stefan Perini, Direktor des Arbeitsförderungsinstituts AFI, erklärt, hat dieser neue Lifestyle auch Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt. Das Resultat dieser höheren Mobilität zeige sich nämlich unter anderem darin, dass ein höherer Bedarf an Mietwohnungen entstanden ist. Während das Eigentum in den Hintergrund rückt, richtet sich der Fokus zunehmend auf eine Bleibe auf Zeit. Diesem allgemeinen Trend folgt allerdings nicht nur Südtirol, sondern ähnlich sieht die Situation auch in unserem Nachbarland Tirol und in den anderen Regionen aus, erklärt der AFI-Direktor. Doch wie  darauf reagieren?

  • Gemeinden als Eigentümer

    Markus Sader vom Verband der Hauseigentümer: „Wir müssen verstärkt auf Mietwohnungen setzen.“ Foto: Privat

    „Wir müssen verstärkt auf Mietwohnungen setzen“, sagt Markus Sader vom Verband der Hauseigentümer. Nachdem Eigentum in der Lebensrealität der Generation Z keine so große Rolle mehr spielt, ziehen junge Menschen, die zudem nicht über die finanziellen Mittel verfügen, die Miete einem Kauf vor. Ein historische Chance, um neuen Raum für Mietwohnungen zu schaffen, hat sich laut Sader mit der Übertragung der Militärareale an das Land bzw. in der Folge an die Gemeinden aufgetan. Die Gemeinden sollten nun nach dem Beispiel Wiens Wohneigentum schaffen und es an die Bürger vermieten. Angebote, wie sie bereits seitens des Wohnbauinstituts, privater Stiftungen und Bezirksgemeinschaften bestehen, könnten dadurch sinnvoll ergänzt werden. Mit jeder Ausweisung einer Bauzone haben die Gemeinden die Möglichkeit, eine bestimmte Quote an den privaten Sektor abzutreten und als Gegenleistung dafür Wohnraum zu erhalten. Fallen 30 bis 40 Prozent des so neu entstandenen Wohnraumes an die Gemeinden, stehe der öffentlichen Verwaltung ein attraktives Mittel zur Verfügung, um gestalterisch einzugreifen. Für beide Seiten – private Investoren wie auch öffentliche Verwaltung – ergebe sich dadurch eine Win-Win-Situation, so Sader. Eine weitere Möglichkeit, zusätzlichen Wohnraum zu schaffen, liege in der Anhebung der Baudichte bzw. im Bauen in die Höhe. Dies sollte vor allem in den Tallagen ermöglicht werden. Bei einem Bau-Index von 4 und einer Grundfläche von 10.000 m2 ergeben sich daraus 40.000 m3, rechnet der Immobilien-Experte vor. Erhält die Gemeinde für den abgetretenen Grund beispielsweise eines Militärareals 40 Prozent des Bauvolumens, sind das immerhin 16.000 m3 oder rund 50 Wohnungen, welche dem Mietwohnmarkt zur Verfügung gestellt werden können.

  • Radikale „Erstwohnungspolitik“

    Stefan Perini, Direktor des Arbeitsförderungsinstituts AFI: „Eine Wohnbaupolitik ist dann gut, wenn sie den geänderten Anforderungen bzw. neuen Lebensstilen der Gesellschaft gerecht wird. Es gibt also noch einiges in Südtirol zu tun.“ Foto: Team K

    Sollten Privatwirtschaft und öffentliche Hand also gemeinsam an einen Strang ziehen?, wie Immobilien-Experte Sader dies vorschlägt, oder letztere das Heft in die Hand nehmen? 

    „Bei der Diskussion um leistbaren Wohnraum ist es wichtig, das eigentliche Ziel  nicht aus den Augen zu verlieren“, erklärt Stefan Perini. Dieses sollte darin bestehen, dass das Grundrecht auf Wohnen für jene Menschen, die in Südtirol leben und arbeiten – damit sind nicht nur ausschließlich „Einheimische“ gemeint – gedeckt wird, wofür eine „radikale Erstwohnungspolitik“ nötig sei, so der AFI-Direktor. Zuerst müssten genügend Erstwohnungen geschaffen werden, bevor an den Bau von Zweit- und Ferienwohnungen gedacht wird bzw. müsste diesen ein Riegel vorgeschoben werden. Eine wichtige Rolle könnte dabei dem Wohnbau-Institut WOBI zukommen, das Mietwohnungen ankaufen oder anmieten und anschließend weiter vermieten könnte. 

  • Die Angst der Vermieter

    In Südtirol steht viel privater Wohnraum leer. Als Grund wird unter anderem die Angst der Mieter vor sogenannten Mietnomaden genannt bzw. die Angst vor etwaigen Schäden, auf deren Kosten die Vermieter sitzen bleiben. „Solche Fälle stellen aber die Ausnahme dar“, sagt Markus Sader vom Verband der Hauseigentümer. Anders als in Medienberichten vielfach suggeriert wird, gebe es dabei mit Mietern ausländischer Herkunft sogar wesentlich weniger Probleme. Ganz im Gegenteil: Aus Angst, die Wohnung zu verlieren, würden die Regeln penibel eingehalten und bei etwaigen Beanstandungen versucht, umgehend eine Lösung zu finden. Grundsätzlich sei in den Mietverträgen eine Kaution in Höhe von drei Monatsmieten vorgesehen, die zur Deckung von Schäden herangezogen werden kann.

    Wie Direktor Perini erklärt, scheuten viele Wohnungseigentümer davor zurück, ihre Immobilie zu vermieten – aus Furcht vor unseriösen Mietern, die Schäden an der Wohnung verursachen, ihre Miete nicht bezahlen oder sich weigern, nach einer Kündigung die Wohnung zu verlassen. Insbesondere für Mieter ausländischer Herkunft sei es aufgrund von Vorurteilen schwierig, eine leistbare Wohnung zu finden. Teilweise würden Kautionen in Höhe von bis zu fünf Monatsmieten verlangt. Das WOBI könnte als Garant bzw. „Zwischenmieter“ einspringen, dabei für die Unversehrtheit der Wohnung garantieren wie auch für die pünktliche Überweisung der Mieten sowie für etwaige Schäden haften. Ein weiterer Vorschlag, den das AFI bereits vor einigen Jahren auf den Tisch gelegt hat, sieht ein Bonus-Malus-System vor: Während Leerstände stärker besteuert werden sollten, sollte gleichzeitig bei Vermietungen in Langzeit für eine gewisse Zeit – vorstellbar sei eine Dauer zwischen drei und fünf Jahren – auf die Einhebung der Gemeindeimmobiliensteuer (GIS) verzichtet werden. Grundsätzlich müsse sich die Wohnbaupolitik jedoch an die Realität und die Bedürfnisse der Gesellschaft anpassen. „Viel zu lange wurde der Fokus auf den Erwerb von Eigentum gelegt, aufgrund des gesellschaftlichen Wandels muss sich dieser nun auf den Mietmarkt richten“, so die Forderung Perinis. 

  • Trotzdem stolze Hausbesitzer?

    Für die zunehmende Bedeutung von Mietwohnungen spielt neben der erhöhten Mobilität ein zweiter Faktor eine wichtige Rolle, und zwar die Kostenexplosion auf dem Immobilienmarkt. Wohnungspreise, die je nach Lage im Bereich von mehreren Hunderttausend Euro liegen, sind für junge Menschen, die erst am Beginn ihres Arbeitslebens stehen, nicht zu stemmen. Eine Form des Immobilienerwerbs, die aber auch für die Generation Z zunehmend interessanter wird, stellt der Kauf von „Nacktem Eigentum“ dar, berichtet Immobilien-Experte Markus Sader. Der Verkäufer behält dabei sein lebenslanges Wohn- bzw. Fruchtgenussrecht und verkauft die Liegenschaft zu einem reduzierten Marktwert, der vom Alter des Verkäufers abhängt. Wie Sader erklärt, liege die Höhe üblicherweise bei einem Drittel bis zur Hälfte des Marktwertes. Nach dem Ableben des Eigentümers geht das volle Eigentum der Liegenschaft ohne Bindung an den bloßen Eigentümer über. Einerseits haben Senioren und Rentner dadurch die Möglichkeit, auch im Alter finanziell unabhängig zu sein, und zum anderen stellt dies auch für die Generation Z eine interessante Möglichkeit der Altersvorsorge dar.