Gesellschaft | Salto-Serie

„Dieser Lockdown ist zum Heulen.“

Die Autorin Reinhilde Feichter hat die Erfahrungen und Gedanken von 50 Menschen zwischen 17 und 89 Jahren zum Lockdown aufgezeichnet. Stimmen aus dem Lockdown. Teil 5.
corona
Foto: upi

Lukas,  66       

 
Ich arbeite in Teilzeit in einem systemrelevanten Beruf und kann also trotz Lockdown aus dem Haus gehen. Deshalb merke ich wenig Unterschied. Soziale Kontakte hab ich bei der Arbeit. Außerdem habe ich 3 gute Freunde, mit denen ich jetzt öfters telefoniere, wenn ich daheim bin.
Ich bin Hobbykoch und manchmal erlaubt es die Arbeitszeit dass ich kochen kann. Sonst kocht meine Frau.
Während des Lockdowns mache ich Spaziergänge nur innerhalb des Gemeindegebietes. Ich pflege meine Hobbys: Ziehharmonika spielen selten, Mundharmonika spielen selten, Keyboard spielen selten, Gitarre spielen täglich.
Ich informiere mich gut über Nachrichten, schaue im Fernsehen Reportagen, Dokumentationen, Berichte.
 

Magdalena, 72        

 
Der Lockdown stört mich überhaupt nicht, weil ich gewohnt bin, allein zu sein. Ich komme mit mir selbst sehr gut zurecht. Ich gehe gerne allein in die Höhen. Ich habe einen Lieblingsplatz hoch über dem Dorf, auf einer Bank, wo ich einen herrlichen Ausblick über die ganze Umgebung habe, das ist mein Paradies.
Ich bin eine Frohnatur, vielleicht deshalb, weil ich eine schwere Krankheit ausgezeichnet überwunden hab. Wenn ich morgens aufwache, turne ich im Bett, mache Radfahren im Liegen mit den Beinen. Um halb neun kommen im RTL Turnübungen, die mache ich mit. Und so bin ich für mein Alter noch sehr beweglich.
Ich koche gesund und gerne. Die Kontakte mit meinen  Geschwistern und Freundinnen pflege ich im Moment nur übers Handy, so, dass einmal ich und einmal eine andere anruft, wir verständigen uns gut, ohne viel auszumachen.
Bei Regenwetter habe ich in meiner Wohnung zu tun, da mache ich Hausarbeiten und putze. Ich fülle die gesammelten Kräuter oder Teearten in Säckchen oder Gläser.
Mir ist wichtig, dass ich am Laufenden bin. Deshalb höre ich viel Radio und schaue auch viel Fernsehen.
Ich finde, wir sollten den Lockdown ernst nehmen und uns schützen, auch die Schwächeren, die nicht so widerstandsfähig sind wie wir.
Ich finde, wir sollten den Lockdown ernst nehmen und uns schützen, auch die Schwächeren, die nicht so widerstandsfähig sind wie wir.
 

Miriam, 19

 
Ja geht´s noch! Der Lockdown ist das Ekelhafteste, was mir bisher untergekommen ist. Ich bin Einzelkind, keine Geschwister, mich trifft´s besonders.
Wenn ich mal ganz depressiv bin, sperr ich mich im Zimmer ein, schmeiß mich aufs Bett und heule. Wenn keine Tränen kommen, dann schau ich mir einen schnulzigen Film auf NETFLIX an, da kann ich dann weinen.
Dieser Lockdown ist zum Heulen.
 
 
Der Lockdown ist das Ekelhafteste, was mir bisher untergekommen ist.
 

Isolde, 45

 
Ich bin Alleinerzieherin eines Sohnes in der Oberschule, dem ich nicht mehr helfen brauche. Ich arbeite von zu Hause aus, in Teilzeit. Im 1. Lockdown habe ich Ruhe, Stille und Vogelgesang genossen. Kochen, backen, putzen war angesagt, (gründlicheren Frühjahrsputz hat die Wohnung noch nicht erlebt!)  Hände waschen, Maske tragen, desinfizieren: ein Vorwand für den Apothekenbesuch in der Nachbargemeinde. Überlegen, was man damit noch verbinden könnte. Im Internet stets nach der neuesten Verordnung und Eigenerklärung suchen, ausdrucken, ausfüllen (ohne Datum, damit man sie bei Bedarf wiederverwenden kann). Statt Macchiato und Ratscher in der Bar gab´s nur mehr Pocket Coffee vor dem Geschäft. Und nun der 2.Lockdown: Inzwischen bin ich mit der Digitalisierung immer weniger auf Kriegsfuß. Ich hab jetzt eine erste Videokonferenz gemacht! Und morgen der erste Antigen Schnelltest. Hoffentlich negativ. Dann wäre eigentlich alles positiv.
 
Hoffentlich ist der Schnelltest negativ. Dann wäre eigentlich alles positiv.
 
 

Jörg, 70          

    
Weil Lockdown ist, kann ich es mir leisten, sehr lange zu schlafen, das finde ich herrlich!
Auch frühstücke ich dann extrem langsam und mit Genuss. Dann pack ich den Rucksack, geb eine Flasche selbstgemachten Saft hinein und los geht’s, den Berg hinauf. Ich gehe an viele Orte, die meine Freundin noch nicht kennt, alles zu fuß. Wir gehen beide gerne zu fuß.
Wenn Regenwetter ist, hab ich im Keller viel zu tun und zu basteln. Ich habe schon geweißelt, angestrichen und Möbel renoviert.
Wenn abends im Fernsehen eine Show mit Hansi Hinterseer oder Florian Silbereisen kommt, dann tanze ich mit meiner Freundin. Früher waren wir dreimal pro Woche aus zu tanzen. Aber jetzt geht das nicht mehr.
Dennoch muss ich sagen, dass ich den Lockdown gut finde, sonst hätten wir jetzt Sodom und Gomorra. Ich würde jedem, der den Test verweigert, den Job verweigern!
 

Daniela, 46        

 
Meine Kinder sind aus dem Haus beim Studieren in Innsbruck und leben zum Glück ihr eigenes Leben! 
Ich bin so beschäftigt, dass ich vom Lockdown noch nicht viel gespürt habe. Ich unterrichte in der Grundschule und zurzeit geht es bei uns sehr stressig zu mit Präsenzunterricht, Fernunterricht und Videokonferenzen.
Nichtdestotrotz beschäftige ich mich in meiner Freizeit mit sinnvollen Tätigkeiten wie Turnen, Ziehharmonika spielen, Telefonieren mit Freundinnen und Familienangehörigen, Surfen im Internet, Spaziergänge bei schönem Wetter. Ab und zu finde ich auch Zeit, mir über NETFLIX einen Film anzugucken.
Natürlich darf das Kulinarische nicht fehlen. Es wird gekocht und gebacken!
Ich genieße eigentlich den Lockdown, weil ich nicht mehr dauernd den Zwang verspüre, irgendwohin zu fahren und neue Sachen zu sehen und zu erleben.
 
 
Ich würde jedem, der den Test verweigert, den Job verweigern!
 

Sepp, 89

 
Viele haben nur zu jammern, dass alles so schlimm ist und dass so etwas kein Leben mehr ist und dass das mit dem Lockdown und mit den Masken lebensgefährlich ist. 
Ich habe die Kriegszeiten überlebt, wir sind nicht verhungert, aber Gutes haben wir auch nicht gehabt.
Und jetzt haben wir so einen Wohlstand wie noch nie, da sollte man zufrieden sein. Man muss Geduld haben. Die Situation wird sich schon wieder bessern. Seit ich am Leben bin, hat es viel Auf und Ab gegeben. Es wird sich auch diesmal wieder einrenken.
Ich lese täglich Tageszeitung und Dolomiten um mich zu informieren, auch die FF. Ich schaue  auch die Tagesschau.
Man muss Geduld haben. Die Situation wird sich schon wieder bessern.
Die Eltern sollten gescheiter sein als die Kinder. Sie sollten ein gutes Beispiel geben und ihnen vorleben, dass sie Hoffnung haben. Dann nehmen es die Kinder locker. Aber wenn die Eltern nur über die Maßnahmen schimpfen und nur schlecht aufgelegt sind, dann ist kein Wunder, dass auch die Kinder Probleme bekommen.
Wichtig ist es, den Humor trotz allem beizubehalten. Ich mache viele Späße und Scherze mit meinen Enkeln.
 

Ferdinand, 33

 
Jetzt im Lockdown widme ich als arbeitsloser Freiberufler meiner Partnerin und meiner kleinen Tochter viel Zeit. Zudem gibt es rund ums Haus immer was zu tun: Kochen (natürlich gesund, abwechslungsreich und lecker), Backen, Vorräte einkochen, putzen, kleine Renovierungsarbeiten durchführen, Brennholz machen, Gemüsegarten und Rasen pflegen, Dekoration und Spielzeug basteln (Handarbeiten mit Holz oder Naturmaterialien). Und abends wird meistens noch Buch gelesen, gesungen und musiziert.
Natürlich haben wir Computer, Smartphone, schnelles Internet, e-Book, Fernseher.
Freundschaften pflege ich telefonisch oder über Mail und Whats App. Sobald als möglich trifft man sich auch wieder im Freien mit Freunden und Bekannten u macht eine Runde am Tauferer Boden und in umliegenden Wäldern. 
Wichtige Info an alle: Biblio 24 bietet jede Menge interessante Lektüre für e-Book Reader zum Ausleihen an!
 
 
 
Wenn man sosehr mit Leben und Tod konfrontiert ist, hat man in der Freizeit kein Bedürfnis mehr nach Action.
 

Siegfried, 69

 
Ich bin im März an Covid erkrankt, auch meine Frau. Unsere Tochter hat es aus dem Krankenhaus eingeschleppt, sie hat uns angesteckt. Ich bin damals 14 Tage gelegen und es ist mir sehr schlecht gegangen. Der Arzt hat gesagt, wenn die Atemprobleme länger anhalten, müssen sie mich im Krankenhaus intubieren. Zum Glück ist es wieder aufwärts gegangen. Ich hatte einige Zeit keinen Geschmackssinn und keinen Geruchssinn mehr. Inzwischen geht es mir wieder gut und ich kann nicht genug danken, dass ich wieder gesund bin.
Ich möchte allen sagen, es ist nicht zu spaßen! Und ich will euch raten, euch an die Maßnahmen zu halten und auch zum Test zu gehen. Lieber ein Wattestäbchen in die Nase als einen Schlauch in der Lunge.
 

Angelika, 54

 
Ich arbeite in einem Altersheim auf der Covid- Station. Bevor ich hinein komme, muss ich mich bis auf die Unterwäsche ausziehen und Kleidung, Dokumente, Geldtasche, meine Trinkflasche und Smartphone in einem eigenen Schrank verwahren. Ich darf nichts von außen in die Abteilung bringen, drinnen darf auch nichts gegessen oder getrunken werden!  Dann muss ich durch die Desinfektionsschleuse hindurch gehen, wo ich die Schutzkleidung anziehe und dann völlig vermummt in die Abteilung komme. Wenn ich einmal hinaus zur Toilette muss, beginnt der Ablauf von vorne. Ich muss wieder neue Schutzkleidung anziehen, sobald ich wieder die Abteilung betrete. Das ist wichtig, damit keiner der 8 Patienten weiter gefährdet  wird. Natürlich hat diese „Astronautenausrüstung“ auch den Nachteil, dass mich meine Schützlinge so nicht mehr erkennen. Aber bei denen die ansprechbar sind, kommuniziere ich mit Gesten wie Händewinken.
Die Arbeit ist anstrengend und verantwortungsvoll, die Schutzkleidung gewöhnungsbedürftig, vor allem das Arbeiten mit Handschuhen. Wenn man diese Kleidung stundenlang trägt, so bei einem Nachtdienst und wenn man danach hinaus kommt, ist man wie in einer anderen Welt und eher ausgelaugt. Doch die verantwortungsvolle Arbeit gibt mir große Befriedigung. Ich habe das Gefühl, etwas Gutes für die Menschen zu tun.
Wenn man sosehr mit Leben und Tod konfrontiert ist, hat man in der Freizeit kein Bedürfnis mehr nach Action. Ich liege dann nur mehr im Liegestuhl auf dem Balkon oder auf dem Sofa. Der Lockdown ist für mich kein Thema. Ich halte mich gerne an die Regeln.
 
Lesen Sie morgen den letzten Teil.