Kultur | Salto Weekend

Ins Licht gerückte Kunst

Zwölf Künstlerinnen der Vergangenheit werden noch bis 5 Jänner im Gebäude der Sparkasse am Bozner Waltherplatz "Ins Licht gerückt". Ein Rundgang.
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Foto: Salto.bz

Eilende Frau | Donna di fretta, 1971 lautet der Hinweis zur Skulptur der Künstlerin Maria Delago (1902-1979), die im Sparkassengebäude am Bozner Waltherplatz zentral im Parterre ein erstes Indiz auf die aktuelle Ausstellung Ins Licht gerückt gibt. Der Rest an künstlerischen Positionen der ausgewählten Malerinnen findet sich im zweiten Stock. Ursprünglich war auch die Arbeit von Delago von den Kuratorinnen Silvia Höller und Lisa Trockner dort positioniert worden, auf Anweisung des Präsidenten (und Neo-Kurator) der Sparkasse, wurde Delagos "Eilende Frau" in den Schalterraum verfrachtet, heißt es hausintern. Sie wurde in ein noch besseres Licht gerückt. 
 


Bei der Eröffnung vor wenigen Tagen blickte Delagos Skulptur noch von oben auf die eiligen Kundinnen und Kunden der Bank. Neben der Arbeit Webmaschine von Erika Giovanna Klien aus den 1930er Jahren und neben der Applikation Die versunkene Stadt aus dem Jahr 1968 von May Hofer, stand sie vor dem Galeriesims, im solidarischen Einklang mit den anderen Werken. Es kam anders. Delagos Arbeit ist auch in der handlichen Katalog-Broschüre – im speziellen Fall aus alphabetischem Grund –, in der Pole-Position. Verschiedene Kunsthistoriker*innen (Beatrice Barillari, Roberto Bonazza, Günther Dankl, Mathias Frei, Andreas Hapkemeyer, Silvia Höller, Stefanie Moser Maier, Michael Rainer, Ursula Schnitzer und Lisa Trockner) beschreiben sie und die 11 weiteren ausgestellten Künstlerinnen samt Schaffenswerk.
 


„Trotz aller Widerstände eroberten Künstlerinnen spätestens seit dem Impressionismus die Kunstwelt und erreichten immer mehr Sichtbarkeit“ schreibt Silvia Höller in ihrem Eröffnungsbeitrag mit dem Titel "… nicht auf Rosen gebettet" zur Ausbildungssituation von Künstlerinnen seit dem 19. Jahrhundert. Besonders das frühe 20. Jahrhundert war eine „Zeit des Aufbruchs für Frauen“, so Höller, die Handlungsmöglichkeiten in der Arbeitswelt hatten sich „erweitert und das traditionelle Rollenverständnis wurde zunehmend aufgeweicht.“ Frauen zeigten sich „selbstbewusst und emanzipiert.“ Doch mit der Machtergreifung der Nazis in Deutschland wurden Frauen wieder systematisch aus dem öffentlichen Leben zurückgedrängt. Gleichermaßen im faschistischen Italien, wo Frauen „ab 1933 nicht mehr in der öffentlichen Verwaltung aufgenommen wurden“ oder „die doppelte Studiengebühr entrichten mussten.“ 
 


Einen interessanten Hinweis liefert Silvia Höller in ihrem Text auch mit einem Ausflug in die 1950er Jahre der Landeshauptstadt, die im Zuge des überregionalen Medienechos beim internationalen Busoni-Preis 1949, ein Jahr später – und zunächst durch private Initiative –, im einstigen Hotel Roma einen nationalen Preis für Malerinnen ins Leben gerufen hatte. Die Ausstellung mit Wettbewerb um die Künstlerprämie Bozen wurde aufgrund der starken Beteiligung und dem großen Publikumsinteresse auch 1951 fortgeführt – nun allerdings in den Räumen des Stadtmuseums und finanziert vom Fremdenverkehrsamt.
 


Die für die damalige Zeit „bemerkenswerte Großausstellung“, schreibt Höller „wurde in der deutschsprachigen Presse häufig als Bozner Frauen-Biennale bezeichnet“. Ab 1952 wurde die Ausstellung international. Im Kreuzgang des Bozner Dominikanerklosters stellten 300 Malerinnen aus fast zwei Dutzend Ländern aus, etwa aus Frankreich, England, Nordamerika, Polen, Jugoslawien, Rumänien, Deutschland, Belgien, Schweden, Portugal, Griechenland, Türkei, Österreich, Australien, China… Unter ihnen auch die jetzt am Waltherplatz ausgestellten Künstlerinnen Lore Arnold, Gerhild Diesner, Hilde Nöbl, Milli Schmalzl, Cesarina Seppi und Tullia Socin.
 

Kunstgeschichte nicht mehr als Erfolgsgeschichten von Männern erzählen...


Aus „einer Liebhaberei entstanden“, hat sich die Ausstellung, „ zu einer internationalen Veranstaltung entwickelt“, die „unter verschiedenen Gesichtspunkten ihre Bedeutung für Leben und Wirtschaft der Stadt“ bewiesen hat, wie das Tagblatt der Südtiroler in einer Rezension meinte. 
„Die Kunstgeschichte nicht mehr als Erfolgsgeschichten von Männern zu erzählen und Künstlerinnen nachträglich ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken“ schreibt Höller, daran würden seit einigen Jahren auch zahlreiche Museen arbeiten, es werden „umfangreiche Ausstellungen“ gezeigt und „wissenschaftliche Aufarbeitung“ passiere.
 


Die Ausstellung, zu der auch ein Kunstkalender erschienen ist, kommt – ohne malende Männerwelt – erstaunlich gut zurecht. Gut möglich, dass die eine oder andere der ausgestellten Malerinnen auch vom internationalen Kunstmarkt wiederentdeckt wird, wie etwa vor wenigen Monaten die 1872 im Überetsch geborene Künstlerin Tina Kofler, mit ihrem Bild Frau in der Hängematte. Mit dem Ausrufpreis von 1000 Euro ging Koflers Bild bei einer Auktion des Dorotheums Wien ins Rennen und erzielte am Ende einen Kaufpreis von knapp über 28.000 Euro. Hochkarätige Malerei, als "sichere Bank" sozusagen.