Politik | Ukrainekrise

Südtirols Autonomie für die Ostukraine?

Trotz der soeben erfolgten Einigung in Minsk gibt es neue Gefechte in der Ostukraine. Ex-Landeshauptmann Durnwalder hat sich bereiterklärt, in die Ukraine zu reisen.

„Es geht hier nicht darum, große Politik etwa in Form von Verhandlungen zu beeinflussen“, stellt der ehemalige Landeshauptmann Luis Durnwalder klar. Ziel sei es vielmehr, von Erfahrungen zu berichten, wie sich die Lage der Minderheit in Südtirol entwickelt habe. Durnwalder hatte gegenüber der italienischen Nachrichtenagentur ANSA die Bereitschaft erklärt, in die Ukraine zu reisen, „um die Südtirol-Autonomie zu präsentieren, wenn das hilft“, so der Ex-Landeshauptmann. Er könne sich gut vorstellen, dass ein Modell, ähnlich dem Südtirols, in der Ostukraine Anwendung finden könne, betont er auch gegenüber salto.bz. „Auch bei uns hat es Gewalt gegeben. In den 60ern haben die Sprachgruppen gegeneinander gearbeitet, später wurde es zu einem Nebeneinander, mittlerweile ist es ein Miteinander geworden“, beschreibt er die Entwicklung.

Exportprodukt Autonomie

Skeptisch hatte sich dazu bereits Senator Francesco Palermo im Corriere dell’Alto Adige geäußert. Er ist der Auffassung, dass es durch die Eskalation jetzt zu spät sei: „Es ist ein Versuch, den man wagen kann, aber je mehr Zeit vergeht, desto schwieriger wird es.“ Palermo wies in diesem Zusammenhang auch auf die sehr fortschrittliche Autonomie der Krim bis 1992 hin. 

Auch die Süd-Tiroler Freiheit bezweifelt in einer Presseaussendung, ob die Südtirol-Autonomie in die Ostukraine exportiert werden kann: „Ich glaube nicht, dass sich die russische Bevölkerung für ihr Gebiet mit einer Autonomie à la ‚Sudtirolo‘ zufrieden geben würde“, schreibt Landtagsabgeordneter Bernhard Zimmerhofer in der Aussendung. Die Bevölkerung dort wolle die Unabhängigkeit bzw. den Anschluss an Russland. Er fordert demnach, die „Völker nach internationalen und somit demokratischen Kriterien über ihre eigene Zukunft abstimmen zu lassen“.

In Südtirol können wir heute sagen, dass alle drei Sprachgruppen zur Autonomie stehen.

Dass sich die Südtirol-Autonomie nicht eins zu eins in die Ukraine exportieren lässt, ist sich auch Luis Durnwalder bewusst. „Das kann auch nicht das Ziel sein“, unterstreicht er. Die ähnlichen Verhältnisse in der Ostukraine und in Südtirol legten es einfach nahe, dass man sich das Modell Südtirol einmal anschaue - „so wie auch der Dalai Lama Südtirol immer als Vorbild nennt“. Ganz klar müsse dazu aber Interesse und Einverständnis vorherrschen. Er könne sich anbieten, von den Erfahrungen in Südtirol zu berichten, wolle sich aber keineswegs aufdrängen.

„Es ist klar, dass es hier nicht ausschließlich um den Minderheitenschutz geht, sondern vielmehr um den Konflikt, wem sich die Ukraine annähern soll. In Südtirol können wir heute sagen, dass alle drei Sprachgruppen zur Autonomie stehen“, betont Durnwalder. Es gehe demnach nicht darum, ob man den Krieg noch verhindern könne - „das machen die Großen“ -, sondern viel eher darum, was nach der Lösung des Konflikts auf der Tagesordnung stehe. „Wenn die aktuelle Lage gelöst ist, geht das Leben weiter. Wie werden Regionen verwaltet? Welche Kompetenzen erhalten sie? Hier können wir mit unseren Erfahrungen etwas beitragen“, so der Ex-Landeshauptmann.

Abschluss der Minsker Verhandlungen

Die Verhandlungen in Minsk kamen unterdessen nach rund 17 Stunden zu einem Ende, obwohl der Präsident der Ukraine, Petro Poroshenko, gestern noch  verlauten ließ, Russland stelle inakzeptable Forderungen. Angeblich hatten sich auch die Separatisten lange geweigert, das Papier zu unterzeichnen. Francois Hollande und der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert haben die grundsätzliche Einigung auf einen Waffenstillstand ab 15. Februar mittlerweile bestätigt, die auch die Vertreter der Separatisten unterzeichnet haben. Während sich Angela Merkel beim Verlassen des Unabhängigkeitspalastes in Minsk nicht äußerte, klärte Petro Poroshenko weitere Details: Innerhalb der nächsten 19 Tage wollen die Konfliktparteien alle Gefangenen freilassen, unter ihnen auch die ukrainische Pilotin Nadja Savtschenko, die während ihrer Gefangenschaft in Russland in das ukrainische Parlament gewählt wurde. Schweres Gerät soll bis spätestens zwei Wochen nach Eintreten der Waffenpause aus der Region abgezogen werden. Poroshenko hielt zudem fest, dass sich die vier Parteien regelmäßig treffen würden, um die Umsetzung der Vereinbarung zu kontrollieren.