„Techno ist zeitlos”
Matthias Mühlberger weiß wovon er redet, wenn er über Vinyl spricht. Er hat nicht nur jahrelange Erfahrung als DJ und kennt also solcher nicht nur den elektronischen Untergrund, sondern spielt – bei Bedarf – auch die Charts. Dabei hat er konkrete Erfahrung mit dem Vinyl und er weiß auch die digitalen Alternativen zum klassischen, analogen Plattenspieler zu schätzen.
Mühlberger wird die „Vinyl Lecture” am morgigen Donnerstag, 17. Februar 2022, im Museion in Bozen moderieren, bzw. durch den Abend führen. Die Details dazu im nachfolgenden Interview.
salto.music: Matthias, du bist Gastgeber – Host – der „Vinyl Lecture” innerhalb der „Techno”-Ausstellung im Museion in Bozen. Wie kommt man zu diesem Job?
Matthias Mühlberger: Die kurze Antwort: DJ-Kollege Veloziped hat mich vorgeschlagen und ich hab Ja gesagt.
Etwas ausführlicher: Ich hab es reizvoll gefunden, einmal in so einem Kontext ein wenig über das was wir DJs so tun und wie sich das mit der Zeit verändert hat, nachzudenken. Vor allem da es ja um das Thema Vinyl geht find ich es spannend, einer jüngeren Generation, die damit aufwächst, dass Musik etwas Immaterielles ist und (fast) alle Musik der Welt immer und überall über Streamingdienste verfügbar ist, ein wenig zu vermitteln, was es bedeutet mit Vinyl aufzulegen und welche Hürden es dabei gibt, aber auch welche Vorteile das vielleicht haben kann.
Ich bin selber seit ca. 25 Jahren DJ und war ca. 18 Jahre davon ausschließlich mit Vinyl unterwegs, lege in den letzten Jahren aber zunehmend auch mit Laptop und Controller auf. Ich kenne also beide Welten ganz gut.
salto.music: Gibt es so etwas wie einen Fahrplan? Und welche Rolle spielt das Publikum?
Matthias Mühlberger: Die gesamte Ausstellung „Techno“ kann während des gesamten Abends besichtigt werden und um 18 Uhr wird Museion-Direktor Bart van der Heide durch die Ausstellung führen. Um 19 Uhr beginnen dann die eigentlichen „Lectures“, in denen 4 lokale DJs Einblicke in ihre Plattensammlungen geben.
Das Ganze kann man sich ein bisschen wie eine Radiosendung vorstellen, bei der wir ein bisschen über die Besonderheiten von Vinyl, die Leidenschaft für’s Plattensammeln und die einzelnen DJs und ihren Werdegang plaudern und zwischendurch viel gute Musik spielen. Das Publikum kann zuhören, durch die Ausstellung flanieren und vielleicht auch einen Drink genießen.
Tanzen wird Pandemie bedingt leider nicht erlaubt sein.
Ich dachte: super, dass sich eine Institution wie das Museion dieses Themas annimmt und dabei auch die lokalen Akteure mit einbezieht.
salto.music: Die Ausstellung wird Mitte März schließen. Wir nehmen an, dass du irgendwann letztes Jahr davon gehört hast, dass es diese Ausstellung geben wird. Wenn du an diesen Moment zurückdenkst, was ging dir durch den Kopf?
Matthias Mühlberger: Dass es diese Ausstellung geben wird, habe ich zunächst dadurch mitbekommen, dass plötzlich alle möglichen DJ-Kollegen nach Flyern und Fotos zur Geschichte der DJ-Kultur in Südtirol recherchiert haben. Ich dachte: super, dass sich eine Institution wie das Museion dieses Themas annimmt und dabei auch die lokalen Akteure mit einbezieht. Und für mich war sofort klar, dass ich die Ausstellung auf jeden Fall besuchen werde.
Durch die begleitende Eventserie, dessen Teil auch die Vinyl Lectures sind, wurden, wie ich finde, auch wichtige Impulse für die recht überschaubare Südtiroler „Szene“ gegeben – weiter so!
salto.music: Bei der „Vinyl Lecture” steht natürlich das Vinyl im Mittelpunkt und seine unbestreitbar wichtige Rolle für den Techno und generell für die elektronische Musik in den Clubs. Gibt es thematische Eckpunkte, die du unbedingt thematisieren wirst?
Matthias Mühlberger: Vinyl ist ja sehr eng mit der DJ-Culture verknüpft: erst durch die kreative Nutzung des Plattenspielers in Verbindung mit einem Mixer wurde dieser sozusagen vom reinen Abspielgerät zum Instrument, das zumindest ein gewisses handwerkliches Können einfordert und das im besten Fall bis hin zu einer virtuosen Beherrschung von Turntables und Mixer weiterenwickelt wird, Stichwort Turntablism. Im HipHop wurde z.B. das Scratchen bereits Mitte der 70er Jahre erfunden und so neue Töne und Rhythmen erzeugt, die zum Bestandteil der Musik selbst wurden, bei Techno und House hingegen geht es eher darum, durch das Angleichen der Geschwindigkeit zweier Tracks und mit Hilfe des Equalizers am Mixer die beiden Tracks sozusagen ineinander zu verschmelzen und etwas Neues daraus entstehen zu lassen. Man könnte also sagen, dass der Tonträger Vinyl in Kombination mit zwei Plattenspielern, einem Mixer und einer kreativen Nutzung dieser Technologie erst die Möglichkeit geschaffen haben, dass Techno, House und andere Spielarten der elektronischen Musik sich zum nie endenden Soundtrack der Clubnächte dieser Welt entwickeln konnten.
Dies ist ein Eckpunkt, den ich etwas vertiefen möchte, also die kreativen und ästhetischen Möglichkeiten, die im Vinyl stecken und die auch heute noch wirksam sind: vom Prinzip her beherbergt ein moderner DJ-CD-Player oder Controller immer noch die gleichen Möglichkeiten über eine Drehscheibe haptisch mit der Musik zu interagieren – neben vielen zusätzlichen Features, Hilfestellungen und Möglichkeiten, die die digitale Welt zu bieten hat natürlich.
Wenn jemand allerdings über 5.000 Schallplatten zuhause stehen hat, dann ist das schon eine Nummer.
Zum anderen möchte ich thematisieren, was durch die Materialität von Vinyl alles mit bedingt wird, da diese Materialität etwas ist, die Vinyl einerseits als etwas aus der Zeit Gefallenes erscheinen lässt und gleichzeitig aber auch seinen Charme, seine Aura ausmacht, weshalb Vinyl-Verkäufe seit ca. zehn Jahren wieder steil nach oben gehen: Vinyl ist vom anachronistischen, schon lange totgesagten Tonträger wieder zum hippen Sammlerobjekt geworden, das der Musik, die heute größtenteils als Datenstrom konsumiert wird, wieder sprichwörtlich ein Gewicht – und damit vielleicht auch eine gewisse Wertigkeit – gibt. Niemand ist heute beeindruckt, wenn ich sage, dass meine Musiksammlung über hundert Gigabyte groß ist. Wenn jemand allerdings über 5.000 Schallplatten zuhause stehen hat, dann ist das schon eine Nummer.
Auch finanziell betrachtet wägt man stärker ab, ob man die Maxi EP mit den zwei Tracks für 12 € wirklich braucht, anstatt die beide Tracks mal eben für 3 € sofort runterzuladen.
salto.music: Du selbst bist als DJ in beiden Welten unterwegs, du spielst Vinyl, verwendest aber auch den Komfort der digitalen Technik. Das könnte man auch so interpretieren, dass dich als DJ keine der beiden Welten völlig zufriedenstellt. Ist das so?
Matthias Mühlberger: „Der Komfort der digitalen Technik“ bringt vieles auf den Punkt: Digital ist in erster Linie praktisch. Ich brauche lediglich eine Festplatte, keine Regalwände, einen USB-Stick, kein Kofferschleppen, immer alles dabei, statt mit der (möglicherweise falschen) Auswahl im Club stehen, alle Musik verhältnismäßig günstig und schnell verfügbar, statt mühsames Suchen und Stöbern nach besonderen Platten.
Das sind so gesehen erstmal alles Vorteile, die dem Digital-DJ das Leben sehr viel leichter machen. Aber natürlich ist leicht nicht immer besser. Bei dem Überangebot an verfügbarer Musik, ist es schwieriger den Fokus darauf zu behalten welche Musik man jetzt wirklich in seine Sammlung aufnehmen will oder nicht. Auch finanziell betrachtet wägt man stärker ab, ob man die Maxi EP mit den zwei Tracks für 12 € wirklich braucht – Speditionskosten noch nicht einberechnet –, anstatt die beide Tracks mal eben für 3 € sofort runterzuladen.
Um den Fokus geht es auch dann, wenn ich einen Abend vorbereite: mit Vinyl kann ich nur eine sehr begrenzte Stückzahl mitnehmen – vor Ort muss ich dann mit dem was ich dabeihabe das Beste für die Crowd auf die ich im Club treffe machen – ich muss kreativ werden und spiele vielleicht B-Seiten, die ich sonst nicht gespielt hätte – und das ist spannender, als immer aus dem Vollen zu schöpfen.
Unterm Strich schätze ich beide Welten, aber auflegen mit Vinyl ist halt irgendwie die puristische Rohversion, auf eine gewisse Art die Königsdisziplin beim Auflegen.
Deshalb ist Techno für mich zeitlos...
salto.music: Wenn du auf den Techno von heute blickst, was sind ein oder zwei Entwicklungen, die dich in musikalischer Hinsicht positiv überrascht haben, oder anders gefragt, die dich bei der Stange halten?
Matthias Mühlberger: Es gibt mittlerweile extrem viele Genres und Subgenres, wo es schwierig ist den Überblick zu behalten. Techno mache ich aber immer eher an einer Ästhetik fest – kühl, maschinell und dennoch irgendwie deep und soulful – statt an BPM, Rhythmen oder einzelnen Sounds. Deshalb ist Techno für mich zeitlos – und es überrascht mich, dass immer wieder auch junge Produzenten nachkommen, die genau diesen Nerv treffen und zeitlosen und dennoch freshen Techno machen.
Links:
Infos zur Ausstellung: https://www.museion.it/2022/03/techno
Infos zur „Vinyl Lecture”: https://www.museion.it/2022/02/vinyl-lecture
Facebook-Event zu „Vinyl Lecture”: https://www.facebook.com/events/927527084626070