Politik | Energie

Italiener außen vor

Der Stromstreit im Lande wird auf Deutsch geführt. Warum aber beteiligen sich kaum italienische Politiker an dem autonomiepolitischen Kernthema? Und: Kann sich das eine Volksgruppe leisten?

Es wird langsam unübersichtlich, den Überblick über die Fronten im Stromstreit zu behalten. Ob bei internen SVP-Granden wie zuletzt Karl Zeller, Luis Durnwalder und Richard Theiner oder in den einzelnen Bezirken – wenn es um die Aufarbeitung des SEL-Skandals und die Neuausrichtung der Energiepolitik geht, macht die Sammelpartei ihrem Namen angesichts der unterschiedlichen und vielfach konträren Positionen tatsächlich Ehre. 

Ganz anders auf italienischer Seite. Wer im Südtiroler Landtag eine italienische Position zum Stromstreit sucht, hat einen klaren Ansprechpartner: Riccardo dello Sbarba. Der Landtagsabgeordnete und interimsmäßige Sprecher der Grünen hat sich in den vergangenen Jahren zu einem der hartnäckigsten Kontrolleure der Landesenergiepolitik entwickelt. „Die Probleme im Energiesektor sind gleichzeitig wirtschaftliche, umweltpolitische und demokratiepolitische Probleme“, sagt er. „Und ich würde mir wie ein Politiker der Serie B vorkommen, wenn ich bei dieser wichtigsten partita der Südtiroler Autonomie nicht mitreden würde.“

Aber wo ist die italienische Vertretung im Stromstreit tatsächlich? Während innerhalb der Südtiroler Volkspartei in Sachen Energie die sprichwörtlichen Fetzen fliegen, hört oder liest man weder vom Regierungspartner PD oder der sonst recht wortgewaltigen Opposition klare Stellungnahmen zum heißesten politischen Eisen dieser Vorwahlzeit. Zwar gab es zuletzt mit dem PDL-Abgeordneten Maurizio Vezzali einen italienischen Präsidenten des SEL-Untersuchungsausschusses. Doch wie die Freiheitlichen und Grünen im Zuge der Besetzung höhnten: Angesichts dessen "Unerfahrenheit in energiepolitischen Fragen" würde wohl eher dafür gesorgt, dass dem SEL-Skandal nicht auf den Grund gegangen wird.

Direkter Draht

Sogar Bozens Bürgermeister Luigi Spagnolli sind seine Parteigenossen in der Landespolitik in Sachen Energiepolitik „normalerweise ein wenig zu still“. Ein Fakt, den er aber vor allem auf die Komplexität der Materie zurückführt. „Die Diskussionen innerhalb der SVP finden zwischen Politikern statt, die die Durchführungsbestimmungen nicht nur gut studiert, sondern teilweise selbst geschrieben haben“, meint er. Hier mitzuhalten, sei für die italienischen Parteien schwierig. 

In Meran und vor allem in Bozen, wo die satten Gewinne der Etschwerke die Gemeindehaushalte speisen, sind hingegen die politischen Vertreter der italienischen Sprachgruppe deutlich präsenter. Ein Gemeinderat wie Guido Margheri von Liste SEL zeichnet nicht nur aus dem Stehgreif nach, wie in Südtirol seit den Durchführungsbestimmungen „die einmalige Chance zur Entwicklung einer modernen und nachhaltigen autonomen Energiewirtschaft“ verpasst wurde, sondern hat auch klare Vorstellungen über Auswege aus der derzeitigen Sackgasse. Dem Bozner Bürgermeister selbst sind allzu prononcierte Stellungnahmen jedoch nicht einmal unbedingt lieb. „Wir Italiener sind ohnehin schon zerstritten, und wenn dann noch jeder seine Einzelmeinungen vertritt, haben wir viel weniger Gewicht im Vergleich zur SVP."

Alleiniger Hausherr

Vor dem Hintergrund des Konflikts zwischen Etschwerken und SEL verschieben sich auf Gemeindeebene die Positionen zwischen den italienischen Parteien und dem deutschen Regierungspartner SVP ohnehin. Denn, wie Spagnolli meint: „Ein Ladinser oder Gögele haben in dieser Sache eigentlich die gleiche Meinung wie ich“. Und: „Nachdem sie viel mehr Möglichkeiten haben, die Sache mit dem Landeshauptmann und den Führungsgremien der SVP zu diskutieren als wir Italiener, schicke ich als Chef einer Koalition lieber die richtigen Personen in die Verhandlungen.“

Das Fazit? Der große Streit über die Neuausrichtung der Strompolitik bleibt vor allem eine innerparteiliche Angelegenheit der Volkspartei. Eine Tatsache, die zumindest Grünen-Sprecher Riccardo dello Sbarba als chronische Schwäche der italienischen Politik deutet. „Wie auch bei der Urbanistik wird ein Kernthema für die Weiterentwicklung der Provinz der Volkspartei überlassen – als wäre sie der alleinige Hausherr dieses Landes.“ Im Bereich Energie habe dies besonders weitreichende Folgen. „Denn wer hier nicht mitredet, schließt sich aus den Entscheidungen über die Zukunft dieses Land aus.“