Wirtschaft | China

Chinas "Neue Seidenstraße"

Mit dem Mega-Infrastruktur-Projekt der „Neuen Seidenstraße“ will China den Handel mit Asien, Europa und Afrika weiter ausbauen.
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Foto: Pixabay

Das Projekt „Neue Seidenstraße“

Im September 2013 stellte der chinesische Staats- und Parteichef Xi Jinping das Projekt „Neue Seidenstraße“ (abgekürzt BRI = Belt and Road Initiative) mit einem Investitionsprogramm in der Größenordnung von 1000 Milliarden US-Dollar vor. Der Bau eines riesigen Infrastrukturnetzwerkes (Eisenbahnen, Straßen, Häfen, Flughäfen), das vom Gelben Meer im Osten Chinas bis an den Atlantik reicht, soll Chinas Handel weiter stärken, seinen wachsenden Energiebedarf durch Zugang zu strategisch wichtigen Ressourcen sichern, aber auch seinen wirtschaftlichen und geopolitischen Einfluss ausweiten.  Wie schon die historische Seidenstraße*, inkludiert auch die Neue Seidenstraße eine landseitige Verbindung quer durch Eurasien sowie diverse Wirtschafts-Korridore in den asiatischen Ländern und eine Seeroute entlang dem Indischen Ozean und schafft so einen interkontinentalen Handelskorridor zwischen China, Asien, dem Mittleren Osten, Europa und Afrika. Zusätzlich zum Bau von Transport-Routen ist auch die Errichtung von Energieversorgungs-Infrastruktur (Pipelines, Kraftwerke, Stromnetzte) und digitalen Infrastruktur-Verbindungen geplant. Mit einem enormen finanziellen Aufwand beteiligt sich China an den diversen Projekten. Mehr als 70 Länder in 3 Kontinenten inkludiert das Megaprojekt. In den Ländern entlang der Neuen Seidenstraße leben circa 4,4 Milliarden Menschen, das ist mehr als 60% der Weltbevölkerung.

Chinas neuester Plan ist der Bau einer „Polar-Seidenstraße“**, um neue Schiffrouten und kürzere Handelswege zwischen China und Europa in den Arktischen Regionen auszubauen und Zugang zu wertvollen Rohstoffreserven, wie Erdöl und Gas, zu bekommen.

Was bedeutet die Neue Seidenstraße für die EU?

Die Projekt der Neuen Seidenstraße bringt auch für die EU-Länder neue Chancen, durch eine bessere verkehrsmäßige Vernetzung die wirtschaftliche Zusammenarbeit und den Handel mit den an der Seidenstraße gelegenen Ländern zu intensivieren. Doch es gibt auch Kritik an der China-Initiative. So werden Chinas unfaire Wettbewerbsbedingungen und mangelnde Transparenz kritisiert. Zudem wird bemängelt, dass an vielen bis jetzt realisierten oder im Bau befindlichen Projekten entlang der Seidenstraße hauptsächlich chinesische Unternehmen zum Zug kommen. Außerdem wird befürchtet, dass manche EU-Länder durch hohe chinesische Investitionen/Kredite stark von China abhängig werden und in eine Schuldenfalle geraten könnten. Besonders über die hohen chinesischen Investitionen in Südost-Europa zeigt sich Brüssel besorgt, denn das könnte Chinas Einfluss stärken und China könnte diese Abhängigkeit in Zukunft auch politisch nützen.

2016, im Zuge der griechischen Finanzkrise, hat die chinesische COSCO, eine der weltgrößten Reedereien Mehrheitsanteile am griechischen Hafen Piräus, einem der wichtigsten und größten Containerhäfen im Mittelmeer, gekauft. Auch in diversen südosteuropäischen Ländern, wie Ungarn, Tschechien und Slowenien hat China im Infrastrukturbereich schon hohe Investitionen getätigt.

Um dem wirtschaftlichen und geopolitischen Ungleichgewicht zugunsten Chinas entgegenzuwirken, will sich die EU stärker im Asien engagieren. So sollen Konnektivitäts-Partnerschaften mit Ländern in Asien geschaffen werden, neue Verkehrsverbindungen ausgebaut und Energie- sowie digitale Netze errichtet und nachhaltige Finanzierung gefördert werden.

Chinas Interesse an Italien

2019 hat Italien als erstes EU-Land und als erstes G7-Land im Rahmen des Projektes „Neue Seidenstraße“ mit China eine bilaterale Absichtserklärung und im Anschluss daran Handels- und Investitionsverträge in Milliardenhöhe abgeschlossen. Chinas Investitionen einerseits und neue Exportchancen ins Reich der Mitte sind für die schwache italienische Wirtschaft willkommen, so befand die damalige Regierung. Für China ist Italien ein wichtiger Logistik-Brückenkopf in Europa. Besonderes Interesse hat China an Italiens Häfen. Chinesische Unternehmen sind bereits in einigen italienischen Häfen, wie Genua, Savona, Ravenna und Bari aktiv. Der Hafen von Triest an der Nordadria ist seit dem Ausbau des Suezkanals für Chinas Handel ein strategisch besonders wichtiger Landepunkt, da er an den beiden europäischen Transportkorridoren „Baltic-Adriatic“ und „Mediterranean“ liegt.

Sowohl die großen europäischen Partnerländer als auch die USA sehen Italiens Kooperation mit China kritisch, da befürchtet wird, dass Italien durch hohe chinesische Investitionen in eine zu große wirtschaftliche Abhängigkeit von China gerät.

Güterzug-Verbindungen zwischen China und Europa

Der Trans-Eurasia-Express ist eine von mehreren kommerziellen Güterzugverbindungen zwischen China und mehreren Zielbahnhöfen in Europa.

Im Rahmen der „Neue-Seidenstraße-Initiative“ wurde der Zug-Frachtverkehr nach Europa stark ausgebaut.  Mit fast 11.000 km ist die Zugverbindung von Chinas Ostküste nach Westeuropa die längste Bahnstrecke der Welt. Es gibt zwei Hauptrouten: die südliche Route von China über Kasachstan und Südrussland nach Europa sowie die nördliche Route von China über Sibirien nach Europa. Inzwischen gibt es in den meisten Ländern Europas direkte Güterzug-Verbindungen mit China. Die meisten Züge gehen nach Deutschland, wo Duisburg und Hamburg die wichtigsten Bahnhöfe sind. Duisburg, der größte Binnenhafen Europas, wird immer mehr zur Drehscheibe im Bahn-Frachtverkehr zwischen China und der EU. 

Eine weitere China-Europa-Frachtzug-Verbindung ist die sogenannte Mittlere Route, die von China über die Staaten am Kaspischen Meer in die Türkei und über den Balkan nach Ungarn, in die Slowakei und zum Endbahnhof Prag führt.

Zugfracht ist deutlich schneller als Seefracht und wesentlich kostengünstiger als Luftfracht. Im Durchschnitt beträgt die Bahn-Transportzeit von China nach Deutschland etwas über 2 Wochen, während der Schiffstransport über einen Monat braucht. 90 % der Überseetransporte werden per Schiff abgewickelt.

2020 hat der Bahntransport von chinesischen Waren nach Europa deutlich zugenommen, unter anderem weil es infolge der COVID-Pandemie zu Kapazitätsknappheiten im Schiffs- und Flugverkehr gekommen ist. Laut Deutscher Bahn fuhren im Jahr 2020 12.000 Züge mit insgesamt 200.000 Containern an Bord auf der Strecke China-Europa.  In den kommenden Jahren sollen bis zu einer halben Million Container transportiert werden.

Russland und die Neue Seidenstraße

Der Prozess der Annäherung zwischen China und Russland ist durch das Projekt der Neuen Seidenstraße intensiviert worden. Das Ressourcen-reiche Russland ist für China ein wichtiger Import- und Exportmarkt, auf Länderebene ist China Russlands größter Handelspartner***. Nach der Krim-Annexion im Jahr 2014 und den darauffolgenden Wirtschafts-Sanktionen durch die EU, die sich auch auf Russlands Zugang zu westlichen Finanzierungsinstrumenten negativ auswirkte, hat sich Russland mehr China zugewendet. Der teilweise Wegfall westlicher Märkte machten chinesische Investitionen für die russische Wirtschaft besonders wichtig. Ende 2014 unterzeichnete Russland und China einen Gasliefervertrag über 30 Jahre, zudem wurde der Bau einer Gas-Pipeline von Nordsibirien nach China beschlossen. Bereits im Dezember 2019 wurde die Pipeline „Power of Siberia“ offiziell in Betrieb genommen. Chinesische Firmen haben auch hohe Investitionen in Russlands Rohstoff- und Logistiksektor getätigt. In den vergangenen Jahren hat der Handel zwischen Russland und China merklich zugenommen.

Chinas BRI Initiative in Asien

Unter Chinas diversen Investitions-Projekten und geplanten Wirtschaftskorridoren im asiatischen Raum sticht besonders der geplante „Chinesisch-Pakistanische Wirtschaftskorridor“ (CPEC) hervor, welcher mit dem Ausbau einer Transport- und Energie- Infrastruktur die  wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen China und Pakistan intensivieren soll. An die 60 Milliarden US-Dollar in Form von Krediten und Subventionen für Pakistan sowie eigene Investitionen will China in den CPEC stecken. Unter anderem sollen Landverbindungen von Chinas westlicher Provinz Xinjiang quer durch Pakistan hin bis zur Hafenstadt Gwadar am Arabischen Meer gebaut werden. Schon 2014 hat Pakistan den Hafen Gwadar an China übergeben, welches dort einen Hafen für Containerschiffe und Öltanker errichtet.

Gwadar liegt am Eingang zum Persischen Golf, so wird China schnelleren Zugang zu einer der meistbefahrenen Schifffahrtsrouten und den ölreichsten Ländern der Welt bekommen. China erhält eine geostrategisch immens wichtige Basis am Arabischen Meer und Pakistan profitiert durch milliardenschwere Investitionen und lukrative Transiteinnahmen.  Indien, das sowohl mit Pakistan, als auch mit China in Konflikte (Kaschmir etc.) verwickelt ist, sieht die Pläne der aufstrebenden Weltmacht China sehr kritisch.

Die geopolitische Bedeutung der Neuen Seidenstraße

China, die größte Handelsmacht der Welt, will mit dem Projekt „Neue Seidenstraße“ den Handel mit Asien, Europa und Afrika weiter intensivieren, sowie seinen Anspruch als Global Player weiter ausbauen. Die USA sehen diese Entwicklung mit Argwohn, da sie befürchten, dass ihr größter Rivale sein weltweites Machtstreben dadurch weiter verstärken wird. Um dem geopolitischen und wirtschaftlichen Machtstreben Chinas entgegenzuwirken, wollen die USA vermehrt im Asiatischen Raum investieren und Partnerschaften mit Ländern, wie Japan, Südkorea, Australien und Indien weiter ausbauen. Die Regierung des neuen US-Präsidenten Joe Biden sieht das wirtschaftlich und militärisch aufstrebende China als größte internationale Herausforderung. Erst kürzlich hat Biden in einem Gespräch mit dem britischen Premier Boris Johnson ein Gegenstück der demokratischen Staaten zu Chinas Projekt der „Neuen Seidenstraße“ vorgeschlagen. 

Auch die EU versucht mit Konnektivitäts-Partnerschaften mit asiatischen Ländern ihre Handelsbeziehungen und wirtschaftlichen Kooperationen im asiatischen Raum auszubauen und sich Absatzmärkte zu sichern.

Die kommenden Jahre werden zeigen, ob es den USA und der EU gelingen wird ihren derzeitigen Stand im weltweiten Handel weiter zu behaupten und auch ihren Einfluss in den Ländern an der Neuen Seidenstraße auszubauen, oder ob sie in Zukunft noch stärker von China abgehängt werden.

*Die historische Seidenstraße war ein Netzwerk von Karawanenstraßen zwischen China und Europa in der Antike und im Mittelalter. Die Hauptroute verband das Mittelmeer auf dem Landweg über Zentralasien mit Ostasien. Es gab auch enie Seeroute von China entlang dem Indischen Ozean ans Mittelmeer. Neben dem Warenaustausch gelangten auch Erfindungen, Wissen, Religionen und ganze Kulturen von Ost nach West und umgekehrt.

** Laut Prognosen könnten infolge der Klimaerwärmung weite Teile der Arktis in der Mitte des 21. Jahrhunderts eisfrei sein. Für China würden sich neue Schifffahrtsrouten auftun. Zudem gibt es große Erdöl- und Gasvorkommen in der Arktis, sowie andere wertvolle Bodenschätze, wie Diamanten, Platin, Zink, Kupfer und Seltene Erden, an denen China großes Interesse hat.

***Der größte Handelspartner von Russland ist die EU.

**** Die russische GAZPROM ist eines der größten Energieunternehmen der Welt, verfügt über die weltweit größten Erdgasvorräte und ist Spitzenreiter in der Förderung von Erdgas.