Gesellschaft | Universität

Studieren einmal anders

Was macht Corona mit der Uni? Fernunterricht, mögliche Szenarien für das Wintersemester 2020/2021, der Einfluss der Pandemie auf die Generation Z.
Uni Bozen
Foto: Uni Bozen

Volle Hörsäle, tagelanges Pauken in der Bibliothek, Erasmus in anderen Ländern – im Sommersemester 2020 nur mehr ein „Souvenir“ aus der Vergangenheit. Geblieben ist die virtuelle Universität: Fernunterricht, der von überall verfolgt werden kann, von nah und fern, aus dem Zimmer im Studentenwohnheim sowie aus dem alten Kinderzimmer, daheim bei den Eltern. 

Für jene Studenten, die in Südtirol geblieben sind, hat die Freie Universität Bozen einen „Counseling“-Dienst eingerichtet: Internationale Studenten werden auf der Suche nach einem Hausarzt unterstützt, Versicherungsfragen geklärt, englischsprachige Psychologen gesucht und Dokumente des Landes auf Englisch übersetzt. Denn ungefähr ein Drittel der PhD-Studenten und ein nicht geringer Anteil an Masterstudenten sind weder der italienischen noch der deutschen Sprache mächtig. Zusätzlich bieten die Universität Bozen und die Südtiroler Hochschülerschaft sh.asus einen psychologischen Dienst an.

 

Unterricht aus der Ferne

 

Die Freie Universität Bozen hat innerhalb einer Woche fast den gesamten Lehrbetrieb ins Netz gestellt, das Sommersemester 2020 wird also wie immer gezählt. Abschlussprüfungen wurden bereits online absolviert und auch die regulären Prüfungen am Ende des Semesters werden virtuell durchgeführt. Auch einige Veranstaltungen wie der „Open Day“ wurden kurzerhand ins Internet verlegt, dabei hat sich der organisatorische Aufwand definitiv ausgezahlt.

Laut einer Instagram-Umfrage der Uni Bozen sind die Studenten zwar der Meinung, dass der Fernunterricht gut funktioniert und wünschen sich das einige Elemente des Fernunterrichts auch nach Corona beibehalten werden, trotzdem vermissen sie das Leben an der Uni. Alltägliches wie die Pausen in der Cafeteria, das gemeinsame Sporteln, die Arbeitsgruppen und vor allem für Designstudenten das Arbeiten in den Werkstätten. „Früher hat man sich in den Vorlesungen zufällig getroffen, konnte Mitschriften austauschen und sich über Prüfungen informieren. Jetzt muss man viel strukturierter denken, wen man für was anrufen muss“, erzählt eine Masterstudentin. 

„Professoren stöhnen über den Online-Unterricht. Sie müssen manchmal mehrere Stunden in einen Computer sprechen, da fehlt einfach das Gefühl einen Hörsaal vor sich zu haben und das kann sehr anstrengend sein“, schildert Mario Burg, Marketingreferent an der Freien Universität Bozen, seine Eindrücke.

 

Finanzielle Unterstützung für Studenten

 

Wie in Deutschland wurde auch in Österreich das Studiensemester virtuell fortgesetzt: Online Vorlesungen, Literatur oder Podcasts ersetzen den Präsenzunterricht. Matthias von Wenzl, der Vorsitzende der Südtiroler Hochschülerschaft sh.asus, verweist darauf, dass in diesem Semester auf jeden Fall die Möglichkeit bestehen bleibt, Prüfungen online zu absolvieren, auch falls bereits Präsenzprüfungen erlaubt sind. Aufnahmeprüfungen wurden auf einen späteren Zeitpunkt verschoben, wie beispielsweise der Aufnahmetest für Medizin.

 

Laut von Wenzl sei man bereits im Gespräch, um dieses Sommersemester in Bezug auf Studienbeihilfen als neutrales Semester zu behandeln. Zudem soll ein Härtefonds den Studenten unter die Arme greifen. Denn auch Studenten bekommen die ökonomischen Auswirkungen der Pandemie hart zu spüren: Viele Studentenjobs sind weggefallen, Mieten müssen trotzdem bezahlt werden.  „Wenn wir nicht wollen, dass viele ihr Studium aufgeben müssen, braucht es jetzt schnelle Hilfe“, unterstreicht von Wenzl. Man blicke nach Latium, Toskana oder Sizilien, wo schon Anfang April ganze sieben Millionen Euro nur für Miethilfen an Studierende bereitgestellt wurden.   

 

Szenarien für den Herbst

 

Zu Szenarien im Herbst kann sich von Wenzl noch nicht konkret äußern. In Österreich strebt man an, den ursprünglichen Betrieb wieder aufzunehmen. Falls es die Umstände erfordern, wird der Fernunterricht fortgesetzt.

Auch an der Uni Bozen hat man sich bereits Gedanken über den Herbst gemacht. Ein Szenario wäre mit einem reduzierten Lehrbetrieb, einer Kombination aus Präsenzunterricht und gleichzeitig Online-Unterricht, in das Studienjahr zu starten. Das könnte so aussehen, dass der Hörsaal nur zur Hälfte besetzt wird, jeder zweite Platz frei bleibt und die restlichen Studenten den Unterricht online verfolgen. Am genauen Konzept und der Umsetzung wird noch gearbeitet. Francesca Nardin, die Leiterin des Sprachenzentrums, geht davon aus, dass zumindest die Anfängerkurse in den drei offiziellen Sprachen im September im Hörsaal stattfinden werden, jedoch der Großteil online angeboten wird. Auch die Uni-Bibliothek wird vor September nicht regulär öffnen. In der Zwischenzeit gibt es einen Bücher-Abholservice, das Angebot an E-Journals wurde erweitert und gegen Gebühr werden Bücher sogar nach Hause geliefert.

Da es für Studenten außerhalb Europas wie Indien oder Pakistan schwierig werden könnte, im Herbst anzureisen, wird das Wintersemester 20/21 sicher auch online angeboten werden.

Das Virus hat im Frühling viele Erasmuspläne platzen lassen, sehr viele Studenten haben das Semester im Ausland frühzeitig abgebrochen. Erasmus könnte auch noch im Herbst schwierig werden: Mario Burg wurde bereits von einigen Partneruniversitäten benachrichtigt, dass sie im Wintersemester das Erasmusprogramm aussetzen werden. Generell werden sich wahrscheinlich weniger Studenten aus dem Ausland für ein Studium in Italien, inklusive Südtirol, entscheiden. Denn die katastrophalen Bilder der vergangenen Monate sind in den Köpfen der Menschen noch präsent.

 

Generation Z 

 

In einer Umfrage von „Studyportals“ gaben 40% der Befragten an, ihre Studienpläne, aufgrund der Pandemie, geändert zu haben. Diese entschieden sich hauptsächlich für eine Verschiebung des Studienbeginns, für ein Fernstudium oder für ein Studium in der Nähe des Heimatortes.

„Die Generation Z (Geburtsjahr 1997 bis 2012) geht sehr pragmatisch vor und viel weniger ideologisch als vorherige Generationen. Die vorhandene Unsicherheit zeigt sich bei der Studienwahl: Wirtschaftsinformatik verzeichnet einen Zuwachs bei den Bewerbungen, Unternehmensführung mit Fokus Start-Ups hingegen einen Rückgang. Vielleicht kann man das darauf zurück führen, dass sich momentan weniger Personen vorstellen können ein Start-Up zu gründen?“, so Mario Burg. Zudem sei die Situation für jene, die jetzt ihr Studium beenden und auf den Arbeitsmarkt kommen, sehr schwierig.

Die aufgekommene Unsicherheit wird das Leben und die Entscheidungen der jungen Menschen sicher prägen. So wie für alle Bildungseinrichtungen ist auch für die Universitäten der soziale Kontakt und die Interaktion unabdingbar. Man kann nur hoffen, dass sich die Universitäten schon bald wieder mit Leben füllen können.